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2. Teil KlausurenI. Namens- und Personenrecht › Fall 2 Gesellschaftsform (un)limited

Fall 2 Gesellschaftsform (un)limited

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Der deutsche Staatsangehörige Walter Weise plant einen Internet-Versandhandel mit Gebrauchselektronik. Zu diesem Zweck will er als einziger Gesellschafter eine GmbH mit Sitz in München, seinem Wohnort, gründen. Den Gesellschaftsvertrag lässt er durch einen Notar in Zürich, wo er für einige Wochen geschäftlich zu tun hat, beurkunden und meldet die Gesellschaft beim Amtsgericht München zur Eintragung in das Handelsregister an. Das Amtsgericht München hat Zweifel, ob die Gesellschaft eingetragen werden kann, nimmt aber schließlich am 1.2.2006 die Eintragung unter der Firma Komm kaufen wir‘s! GmbH vor.

Weise, der die Geschäfte alleine von seinem häuslichen Büro aus führt, beginnt den Geschäftsbetrieb der GmbH. Sie bietet über eine Website Produkte an; die Begrüßungsseite ermöglicht dem Kunden eine Wahl zwischen englischer, deutscher und französischer Textversion. In verschiedenen Staaten Europas, darunter in Deutschland, kann der Kunde online bestellen. Die Ware ordert Weise aufgrund von Rahmenverträgen mit Großhändlern jeweils bei Eingang von Online-Bestellungen. Im August 2006 verlegt Weise seinen Wohnsitz nach London (England, UK). Seine Geschäfte führt er von seinem dortigen häuslichen Büro. Der Internet-Auftritt der Komm kaufen wir‘s! GmbH bleibt unverändert und lässt seinen persönlichen Umzug nicht erkennen.

Im Dezember 2017 wickelt die Komm kaufen wir‘s! GmbH online ua folgende Geschäfte ab:

Fritz Feistl bestellt als Geburtstagsgeschenk für seine Tochter ein Mobiltelefon, das ihm an seinen Wohnsitz nach Passau geliefert wird. Der Kaufpreis wird Feistls Kreditkarte belastet.

Die Firma FlyHigh Ltd. bestellt 10 Handfunkgeräte, die an ihre Firmenanschrift am Flughafen Augsburg geliefert werden.

Das an Feistl gelieferte Telefon ist defekt. Nachdem er mehrfach erfolglos per E-mail um Austausch gebeten hat, erklärt er den Rücktritt und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises (299 €). Als auch dies erfolglos bleibt, erhebt er am 9.3.2018 beim Amtsgericht Passau Zahlungsklage. Weise trägt vor, deutsche Gerichte seien unzuständig, denn seine GmbH sei nach London gezogen.

Der Versuch, den Kaufpreis der 10 Handfunkgeräte (4.500 €) der Kreditkartenbank der FlyHigh Ltd. zu belasten, scheitert, weil die bei Bestellung angegebene Kreditkarte nur bis Juni 2010 gültig war. Die Komm kaufen wir‘s! GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Walter Weise, London, erhebt darauf am 13.3.2018 Zahlungsklage vor dem Amtsgericht Augsburg gegen Franz Flug persönlich und gegen die FlyHigh Ltd. In der Klageerwiderung bezeichnet sich die Beklagte zutreffend als „FlyHigh Ltd. London, England UK“ und bestreitet die Zuständigkeit des Gerichts. Im Verfahren stellt sich heraus, dass die Gesellschaft durch den deutschen Fluglehrer Franz Flug als Alleingesellschafter nach englischem Recht wirksam in der Rechtsform einer private limited company gegründet wurde. Die Gründung erfolgte durch Vermittlung eines Londoner Rechtsanwalts. Das Geschäft führt Flug von Anfang an ausschließlich in Augsburg.

1. Hat das Amtsgericht München bei Eintragung der Komm kaufen wir‘s! GmbH einen Fehler gemacht? Firmenrechtliche Fragen sind nicht zu erörtern.
2. Ist die Klage in Passau zulässig? Hätte Feistl (auch) vor einem anderen deutschen Gericht klagen können?
3. Wie wäre – bei sonst unverändertem Sachverhalt – zu entscheiden, wenn Weise die Gesellschaft als Limited Liability Company des Rechts von Delaware (USA) errichtet hätte (Come let‘s buy it Inc.), die Geschäfte der Firma von seinem Wohnsitz in Nassau, Bahamas, führt, die Versendung der Ware für Europa jedoch durch eine Versandagentur in Amsterdam durchführen lässt, die nach außen nicht erkennbar wird und lediglich die von Kunden in der EU über die Website der Come let‘s buy it Inc. bestellte Ware versendet.
4. Ist die Klage in Augsburg zulässig? Hinsichtlich der Verhältnisse der Komm kaufen wir‘s! GmbH ist nur der Ausgangssachverhalt zugrunde zu legen.
5. Flug macht sich Sorgen um die Anerkennung der Existenz seiner FlyHigh Ltd. in der EU, weil das UK am 29.3.2017 der EU den Austritt gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV mitgeteilt hat. Er fragt um Rat, ob er seine Gesellschaft ohne Verlust der Rechtspersönlichkeit entsprechend dem Modell der §§ 1 Abs. 1 Nr 4, 190 ff UmwG in eine deutsche GmbH umwandeln kann und ob er sich hierbei beeilen muss.
6. Flug hat im November 2018 die Umwandlung der FlyHigh Ltd. in eine deutsche GmbH vorgenommen. Nachdem sein Steuerberater meint, unternehmenssteuerlich sei Luxemburg interessant, fragt er, ob eine identitätswahrende Umwandlung in eine luxemburgische Sarl nur mit Verlegung des Satzungssitzes nach Luxemburg unter Beibehaltung der Geschäftsführung in Augsburg möglich ist, sofern das luxemburgische Recht das gestattet.

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Materialien

I. Schweizerisches Recht[1]

a) Obligationenrecht v. 30.3.1911 (OR)

3. Abteilung. Die Handelsgesellschaften und die Genossenschaften

28. Titel. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Art. 777

(1) Die Gesellschaft wird errichtet, indem die Gründer in öffentlicher Urkunde erklären, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu gründen, darin die Statuten festlegen und die Organe bestellen.

Art. 779

(1) Die Gesellschaft erlangt das Recht der Persönlichkeit durch die Eintragung ins Handelsregister.

(2) Sie erlangt das Recht der Persönlichkeit auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Eintragung tatsächlich nicht erfüllt sind.

(3) Waren bei der Gründung gesetzliche oder statutarische Voraussetzungen nicht erfüllt und sind dadurch die Interessen von Gläubigern oder Gesellschaftern in erheblichem Maße gefährdet oder verletzt worden, so kann das Gericht auf Begehren einer dieser Personen die Auflösung der Gesellschaft verfügen.

(4) Das Klagerecht erlischt drei Monate nach der Veröffentlichung der Gründung der Gesellschaft im Schweizerischen Handelsamtsblatt.

b)

Für die übrigen im schweizerischen Recht auftretenden Fragen ist davon auszugehen, dass die Rechtslage der deutschen entspricht.

II. Recht des UK/Englisches Recht

c)

Das internationale Gesellschaftsrecht des UK ist auch nach Inkrafttreten des Companies Act 2006 nicht gesetzlich geregelt. In England gilt die Regel, dass alle Fragen betreffend die Gründung und die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft dem Recht des Ortes der Inkorporierung unterstehen. Bedenken gegen die Wirksamkeit einer Gründung einer Limited Liability Company mit Satzungssitz im UK und Verwaltung im Ausland bestehen nicht; ob eine identitätswahrende Umwandlung in eine ausländische Gesellschaftsform zulässig ist, ist Ihnen nicht bekannt.

III. Recht von Delaware

d)

Zur Gründung einer rechts- und parteifähigen Limited Liability Company bedarf es der Errichtung eines Certificate of Formation durch einen oder mehrere Gesellschafter und dessen Hinterlegung beim Secretary of State. Erforderlich ist, dass die Gesellschaft ein registered office in Delaware hat; dieses muss nicht mit dem Sitz ihrer Verwaltung übereinstimmen.

IV. Recht von Luxemburg

e)

Luxemburgisches Recht gestattet die Gründung einer Sociétè à responsabilité limitée (Sarl) ohne inländischen Verwaltungssitz. Die Sarl ist auch als Sociétè à responsabilité limitée unipersonelle, also als Sarl mit nur einem Gesellschafter zulässig.

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