Читать книгу SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020 - Thomas Röper - Страница 9

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Dollar und Finanzsystem

In diesem Kapitel habe ich Meldungen zusammengetragen, die man in Deutschland kaum lesen konnte, obwohl sie sehr wichtig sind. Sie betreffen die Entwicklungen im weltweiten Finanzsystem, auf dem die Vormacht der USA und das Westens beruhen. Aus Sicht der USA sind es beunruhigende Meldungen, aber die deutschen Medien haben kaum berichtet.

Im Januar 2019 meldete die russische Zentralbank, dass ihre Reserven auf ein Rekordhoch gestiegen sind, während der Anteil in US-Dollar auf ein historisch niedriges Niveau gefallen ist.

Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil es mit der Legende der westlichen Medien aufräumt, Russland würde stark unter den westlichen Sanktionen leiden. Die Sanktionen behindern Russland zwar, aber trotzdem steigen die staatlichen Reserven, und der Staatskasse geht es blendend.

Die Berichte über die Zusammensetzung der Reserven der russischen Zentralbank wurden mit einem halben Jahr Verspätung veröffentlicht. In dem Bericht vom Januar 2019 für die Periode März bis Juni 2018 meldete die russische Zentralbank, dass sie den Anteil des US-Dollar an ihren Reserven praktisch halbiert hat. Der Anteil des US-Dollar fiel von 43,7 % auf 21,9 %.

Diese Maßnahme war seinerzeit angekündigt worden, nachdem die USA neue Sanktionen angekündigt hatten. Russland hatte damals reagiert und mitgeteilt, sich nach anderen Abrechnungsarten als dem Dollar umzusehen. Die russische Zentralbank diversifizierte ihre Reserven bei dieser Operation, demnach machte der Euro nun 32 % aus, 14,7 % entfielen auf den Yuan und 14,7 % auf andere Währungen. Und der Anteil an Gold wurde erhöht. Beliefen sich die Reserven Ende Juni 2018 insgesamt auf umgerechnet 458 Milliarden Dollar, so meldete die Zentralbank zum Jahresende 2018 bereits einen Wert von fast 467 Milliarden. 2015 lagen sie noch weit unter 400 Milliarden.

Fast gleichzeitig mit dieser Meldung der russischen Zentralbank erschien ein Artikel im Spiegel, der auf die Gefahren für das weltweite Finanzsystem hinwies. Nur nannte der Spiegel das Problem nicht beim Namen.

In letzter Zeit sind einige Bücher von „Katastrophen-Propheten“ erschienen, die das Ende des westlichen Finanzsystems ankündigen. Man kann die Details diskutieren, insgesamt aber kann man dem kaum widersprechen. Und das lässt sich sehr leicht an dem Spiegel-Artikel vom Januar 2019 aufzeigen.36

Durch das aktuelle System von Schulden und Zinseszins stehen die weltweiten Schulden bei 318 % der Wirtschaftsleistung. Man muss kein Prophet oder Experte sein, um zu sehen, dass das nicht mehr rückzahlbar ist und dass es mindestens zu einem Crash, wenn nicht zu einem totalen Zusammenbruch führen muss.

Ich will das einmal an Beispielen aufzeigen. Die Verschuldung aller Firmen, Staaten und privaten Haushalte liegt also bei 318 % ihrer Wirtschaftskraft. Was bedeutet das im Einzelnen?

Nehmen wir einen privaten Haushalt, der in Deutschland 40.000 Euro pro Jahr verdient. Nach Abzug von Steuern bleiben zum Beispiel 26.000 Euro übrig. Schulden von 318 % bedeuten aber, dass dieser private Haushalt 127.000 Euro Schulden hat. Das kostet an Zinsen und Tilgung im Schnitt wohl fast 10.000 Euro pro Jahr. Damit bleiben nur 16.000 Euro zum Leben. Das ist nicht viel Geld für eine Familie. Und nun stellen wir uns vor, diese Familie macht trotzdem jedes Jahr neue Schulden. Welche Bank würde denen noch Geld geben? Und wie lange lässt sich das durchhalten? Was passiert bei einer Krise, also wenn jemand seine Arbeit verliert?

Sie würden jedem, der so lebt, sagen, dass er mit dem Feuer spielt und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er Privatinsolvenz anmelden kann.

Nehmen wir eine Firma als Beispiel, die eine Million Umsatz macht und eine Umsatzrendite von 10 % hat, was schon viel ist. Diese Firma macht also 100.000 Euro Gewinn pro Jahr, hat aber Schulden in Höhe von 3,18 Millionen, was selbst in einem günstigen Fall 250.000 Euro an Zinsen und Tilgung pro Jahr kostet. Wie lange kann das gut gehen?

Und nun zu den Staaten: Als Griechenland 2011 pleiteging, war es mit ca. 130 % seines BIP verschuldet. Die Schulden weltweit liegen aber im Schnitt bei wie gesagt 318 %. Griechenland stand im Vergleich noch richtig gut da, war aber in Wahrheit pleite.

Natürlich bedeuten die weltweit 318 % im Durchschnitt, dass es einigen besser geht. Aber einigen geht es eben auch noch schlechter, wobei ich mir kaum vorstellen kann, wie das aussehen soll. Und dieser Schuldenberg wächst sogar dann, wenn niemand neue Schulden macht, und zwar dank der Zinsen und Zinseszinsen. Ein Ausweg ist quasi unmöglich. Das sieht man daran, dass die Gesamtschulden der Welt bei 244 Billionen liegen und seit 2016 sogar um 12 % gestiegen sind. Solange die Wirtschaft kräftig wächst, bleibt der Wert von 318 % einigermaßen stabil, aber sobald es eine kleine Krise gibt, wird das komplett aus dem Ruder laufen. Und Krisen gehören nun einmal zu Wirtschaft dazu, es gab sie immer und wird sie immer geben.

Es gibt im bestehenden Wirtschafts- und Finanzsystem keinen Ausweg: Die Schulden werden weiterwachsen und es wird früher oder später zu einer Pleitewelle kommen müssen, denn irgendwann wird es schlicht unbezahlbar. Und eine solche Pleitewelle wird, wenn sie beginnt, wie ein Sturm über die Erde ziehen, denn die ersten Pleiten werden dazu führen, dass Menschen arbeitslos und damit ebenfalls pleite sind. Firmen verlieren Geschäftspartner, und Kunden, die kein Geld mehr haben, werden ebenfalls pleitegehen. In dem Augenblick, wo diese Welle beginnt, wird sie sich aus sich selbst heraus immer mehr verstärken.

Staaten haben einen Ausweg: Sie können ihre Währung abwerten, aber eine daraus folgende Megainflation würde der Wirtschaft den Todesstoß versetzen und dazu führen, dass niemand mehr Geld haben will, sondern Ware. Man wird tauschen müssen, wenn der Bäcker kaum weiß, ob er von den heutigen Einnahmen morgen auch wieder die Zutaten kaufen kann, die er braucht, um morgen wieder Brot zu backen.

Unsere Großeltern kennen das noch aus der Nachkriegszeit, als das deutsche Geld wertlos war, der Schwarzmarkt blühte und die wahre Währung in Deutschland Zigaretten waren – und nicht wertloses buntes Papier.

Ein solches Szenario ist fast unabwendbar, wie jeder mit einem bisschen mathematischen Verstand schnell versteht. Mehr noch: Es hätte eigentlich schon bei der Finanzkrise von 2008 eintreten müssen, und es wurde nur verhindert, indem Zentralbanken und die Staaten mit gigantischen Summen eingegriffen haben. Und sie tun es noch heute. Monat für Monat pumpen die Zentralbanken Milliarden in die Märkte, um die Folgen der Krise von 2008 abzufedern. Sie ist also keineswegs vorbei, wie viele denken, sie wurde nur mit viel neu geschaffenem Geld verdeckt – und mit neuen Schulden.

Aber wenn nun eine neue Krise kommt, ist dieses Mittel ausgeschöpft, denn die Zentralbanken können die Zinsen kaum weiter senken, und ob noch mehr frisches Geld die Krise abfedern kann, ist fraglich. Die Mittel der Staaten und Zentralbanken zum Kampf gegen eine solche Krise sind wohl weitgehend erschöpft, zumindest habe ich noch von keinem Experten gehört, welche es noch geben könnte.

Diese Dramatik sehen aber nur Experten deutlich: Der normale Leser wird den kleinen Artikel im Spiegel, der diese explosive Information enthielt, wohl nicht einmal gelesen haben.

So war es auch 2008: Zuerst sprachen die Experten über die Probleme, es gab entsprechende Artikel in den Medien, solche wie diesen im Spiegel. Nur hat es niemanden interessiert. Aber trotzdem nahm die Zahl der überschuldeten amerikanischen Hausbesitzer zu. Und als immer mehr Häuser über Zwangsversteigerungen auf den Markt kamen, brachen die Immobilienpreise ein. Das bedeutete, dass auch Kunden, denen es noch gut ging, plötzlich in Häusern wohnten, die weniger wert waren als die aufgenommene Hypothek. Und als die Banken neue Sicherheiten forderten, die die Leute nicht hatten, wurden ihnen die Kredite gekündigt, und auch sie waren plötzlich hoch verschuldet, aber ohne Haus. Und so nahm die Krise aus sich selbst an Kraft zu.

So verlaufen Krisen, es ist immer das gleiche Muster. Die Frage ist also, wann die aktuellen 318 % Schulden der Wirtschaftsleistung beginnen, uns um die Ohren zu fliegen. Nach einem gemächlichen Beginn wird es – genau wie 2008 – an einem Morgen plötzlich ganz schnell gehen.

Niemand weiß, wann es passiert, nur dass es passiert, ist mathematisch sicher, solange das System aus Zins und Zinseszins dafür sorgt, dass die Schulden auf jeden Fall weiter wachsen.

Und noch eines ist sicher: Die Schulden des einen sind das Vermögen eines anderen. Wenn Sie ein Haus kaufen und den Kredit nicht bezahlen können, dann gehört das Haus der Bank. Man darf also erwarten, dass bei einer solchen Krise die einen das verlieren, was sie auf Kredit gekauft haben und die anderen es bekommen. Es steht eine unglaubliche Umverteilung von Eigentum bevor, was bedeutet, dass es Profiteure einer solchen Entwicklung geben wird. Und wo Profiteure sind, das zeigt die Geschichte, da gibt es Leute, die die entsprechende Situation herbeiführen wollen.

Ganz gleich, ob unser Finanzsystem diese Krise überlebt oder ob danach ein neues Finanzsystem entsteht, das Eigentum wird neu verteilt sein.

Niemand weiß, wann das eintritt. Man weiß auch nicht, ob die Staaten und Banken noch einmal, wie 2008, einen Weg finden, die ganz große Katastrophe zu verhindern, aber auf lange Sicht ist dieses System nicht zu retten.

Ich habe diesen Beitrag über die unvermeidbare Krise bewusst einfach und für Laien verständlich geschrieben. Wer sich für mehr Details interessiert, findet unter dieser Quellenangabe einen detaillierten Artikel zum Thema.37

Russland hat übrigens auf diese Entwicklung anders reagiert als der Westen. Wie gesehen stellt Russland seine Reserven um und fördert auch, dass die privaten Verbraucher ihr Geld in Edelmetallen wie Gold anlegen können.

Da der russische Rubel seit 1998 zweimal stark an Wert verloren hat – zuletzt ist er Ende 2014 stark gefallen ¬–, halten viele Russen größere Summen nicht in Rubel, sondern in Euro oder Dollar. Das ist in Russland kein Problem, denn man kann bei jeder Bank Konten und Sparpläne in Fremdwährungen einrichten. Die russische Regierung möchte auch hier die Abhängigkeit vom Dollar reduzieren und hat den Kauf von Gold von der Mehrwertsteuer befreit. Die Diskussionen darüber begannen im Februar 2019, und schon im Sommer ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten. Heute sieht man in jeder Bank nicht nur die Wechselkurse für Währungen, sondern auch, zu welchem Preis man heute Gold kaufen kann.

Mit der Streichung der 20 % Mehrwertsteuer auf Goldkäufe wurde das Edelmetall plötzlich als Investition für Privatpersonen in Russland interessant.

Russland arbeitet ganz allgemein an einer De-Dollarisierung seiner Wirtschaft. Über die Gründe hatte Putin zuvor auf einer Podiumsdiskussion gesprochen:38 „Wir haben nicht das Ziel, uns vom Dollar abzuwenden, der Dollar wendet sich von uns ab. Und diejenigen, die die entsprechenden Entscheidungen treffen, schießen sich nicht nur ins Knie, sondern etwas höher. Denn eine solche Instabilität in den Abrechnungen in Dollar führt dazu, dass sehr viele Volkswirtschaften der Welt nach alternativen Reservewährungen suchen und vom Dollar unabhängige Zahlungssysteme schaffen. Glauben Sie mir, es geht nicht nur um uns, sondern wir sehen, was in der Welt passiert. Sie sehen, wie die Devisenreserven von Ländern, einschließlich der engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten, reduziert werden. Dort gehen die Vermögenswerte in Dollar zurück, schauen Sie sich die Berichte an, und sie zählen zu den größten Inhabern von Dollar-Vermögenswerten. Dies ist das Ergebnis dieser Politik der Sanktionen, einschließlich unter Verwendung des Dollars.“

Die Tendenz, dass sich immer mehr Länder vom Dollar abwenden, ist für die USA ein großes Problem. Sollte das internationale Vertrauen in den Dollar weiter zurückgehen, werden die USA irgendwann ihr Staatsdefizit nicht mehr aufrechterhalten können. Dass die USA so massiv auf Pump leben, funktioniert nur, solange der internationale Handel in Dollar abläuft. Aber Russland verkauft sein Öl und Gas kaum noch gegen Dollar, und viele andere Länder folgen dem Beispiel und rechnen in ihrem Handel direkt in ihren eigenen Währungen miteinander ab, ohne den Umweg über den Dollar als Verrechnungseinheit. Und wie der Zufall es will, sind all jene Länder, die den Dollar ablehnen, auch die Länder, die die USA zum Feind erklärt haben und die in den deutschen Medien dämonisiert werden. Natürlich liest man in diesem Zusammenhang in den „Qualitätsmedien“ nie etwas über den Dollar, angeblich geht es immer um Menschenrechte und Demokratie.

Das galt für Libyen unter Gaddafi und für den Irak unter Saddam. Und es gilt für Syrien, Venezuela und Russland, um nur die wichtigsten zu nennen. All jene Länder haben sich mehr oder weniger stark vom Dollar als Handelswährung verabschiedet.

Dabei geht es nicht nur um den Dollar als Währung, sondern auch um die internationalen Zahlungssysteme wie SWIFT.

Russland und China arbeiten mit Hochdruck an Alternativen zum internationalen Zahlungssystem SWIFT. Im April wurden dazu Details mitgeteilt, inzwischen laufen die Zahlungen bereits zum Teil über eigene Systeme.

SWIFT ist genau genommen kein Zahlungssystem, es ist ein System zur Übermittlung von Nachrichten. Das Problem ist, dass Banken weltweit oft völlig unterschiedliche IT-Systeme haben und Zahlungen heute elektronisch laufen. Und um diese Zahlungen und die zugehörigen Informationen (z. B. Verwendungszweck, Empfänger etc.) zu verarbeiten, brauchen die Banken eine Art universellen Übersetzer, der diese Informationen so übermittelt, dass jede beteiligte Bank sie versteht. Das ist die Funktion von SWIFT.

Das ist zwar eine vereinfachte Erklärung, aber sie reicht für unsere Zwecke hier aus.

Man kann sich nun vorstellen, was es für eine Bank oder gar ein ganzes Land bedeuten würde, wenn man sie vom SWIFT „abklemmen“ würde. Sie wären vom internationalen Zahlungsverkehr getrennt und damit alle ihre Kunden bzw. Firmen. Damit wäre der Im- und Export stark behindert.

SWIFT ist zwar eine internationale Organisation, die im Westen aufgebaut wurde, aber wie praktisch alle im Westen aufgebauten Organisationen wird sie von den USA dominiert. Diese Dominanz geht so weit, dass die USA, wenn sie ein ganzes Land vom SWIFT abtrennen wollen, dies in der Regel auch durchsetzen können. Was das für ein betroffenes Land bedeutet, wenn es praktisch vom internationalen Handel abgeschnitten wird, kann man sich vorstellen.

Im Falle des Iran zum Beispiel wurde das bereits getan. Als der Iran wegen seines Atomprogramms unter weltweiten Sanktionen stand, wurde er einige Jahre lange vom SWIFT abgetrennt, was für die iranische Wirtschaft schwere Folgen hatte.

Nach dem Abschluss des Atomabkommens wurde der Iran wieder an SWIFT angeschlossen. Als jedoch Trump 2018 beschlossen hatte, das Atomabkommen zu brechen, wurde der Iran erneut vom SWIFT getrennt, obwohl die anderen westlichen Staaten gegen diese einseitigen Aktionen und Sanktionen der USA waren. So groß ist der Einfluss der USA auf SWIFT.

Die EU hat zwar einen halbherzigen Versuch gemacht, den Handel und ein halbwegs funktionierendes Abrechnungssystem zu entwickeln, aber die Macht der USA ist zu groß, als dass die EU sich ernsthaft gegen Washington stellen würde. Es war also eher eine Alibiaktion der EU.

Da die USA über SWIFT eine solche Macht haben, lohnt es sich für Länder, die die USA als Gegner bezeichnen, über Alternativen nachzudenken. Schon 2015 war im Gespräch, Russland von SWIFT abzutrennen.39

Das konnten die USA zwar nicht durchsetzen, denn Russland ist nicht der Iran und die Europäer hätten sich geschlossen quergestellt, denn zu groß war und ist die Abhängigkeit vom russischen Öl und Gas. Russland hat dies aber nicht als Druckmittel eingesetzt, wie man in der Presse liest. Vielmehr hätte ein russischer Ausschluss von SWIFT dazu geführt, dass die Europäer ihre Rechnungen an Russland nicht mehr hätten bezahlen können, und das hätte dazu geführt, dass in Europa die Lichter ausgegangen wären.

Daher hätten die Europäer einer Abtrennung Russlands von SWIFT nicht zugestimmt, denn es wäre Selbstmord gewesen.

Aber die Drohung stand im Raum und Russland musste sich Gedanken über Alternativen machen. Gleiches galt übrigens für Kreditkarten, denn in Russland werden auch Mastercard und Visa benutzt, und 2014 waren aufgrund der US-Sanktionen die Kunden einiger russischer Banken mit ihren Karten plötzlich nicht mehr in der Lage, etwas zu bezahlen. Das war vor allem für jene ein Problem, die sich gerade im Ausland befanden.

Russland entwickelte daher im Eiltempo eigene Zahlungssysteme, um im Falle eines Falles eine Alternative zu haben. So gibt es für Kreditkarten in Russland seit einiger Zeit eine Alternative für die westlichen Karten, und Gleiches gilt auch für SWIFT.

China ist damals ebenfalls hellhörig geworden und hat ebenfalls seine eigene Alternative zu SWIFT entwickelt.

Da Russland und China sich vom Dollar unabhängig machen wollen, um sich vor möglichen Sanktionen zu schützen, wickeln sie bereits große Teile des Handels miteinander über ihre eigenen Währungen ab. Außerdem bietet Russland sein Öl auf der Rohstoffbörse im russischen St. Petersburg für Rubel anstatt für Dollar an. Das gefällt den USA gar nicht.

Derzeit müssen praktisch alle Rohstoffe der Welt in Dollar gehandelt werden. Wenn die EU in Saudi-Arabien Öl kauft, wird das in Dollar gekauft, obwohl die europäische Währung der Euro ist und in Saudi-Arabien mit Riyal bezahlt wird. Eigentlich bräuchte man den Dollar nicht, denn das Umtauschen verursacht nur zusätzliche Kosten. Die USA haben es aber in den 1970er Jahren so geregelt, dass praktisch alle Rohstoffe von Öl bis Weizen in Dollar gehandelt werden. Über die Details kann man ein ganzes Buch schreiben.

Jedenfalls hat das dazu geführt, dass alle Länder der Welt ständig Dollar brauchen und auch ihre Reserven daher zu einem Großteil in Dollar halten. Diese künstliche Nachfrage nach Dollar erlaubt es den USA, sich so stark zu verschulden, wie sie es tun. Jedes andere Land mit solchen Wirtschaftsdaten bei Neuverschuldung und Handelsbilanz wäre längst pleite. Die USA jedoch nicht, denn ihre wichtigste Ware ist in Wirklichkeit ihre Währung, der Dollar.

Und genau deshalb gehen die USA kompromisslos gegen jeden Staat vor, der versucht, nicht in Dollar zu handeln.

Russland und China gehen den gleichen Weg und lösen sich Schritt für Schritt vom Dollar. Aber sie sind zu groß und zu stark, um sie einfach in die Steinzeit zu bombardieren. Daher arbeiten die USA mit Sanktionen und Wirtschaftskrieg. Auch hier geht es nicht um die Krim, das Völkerrecht, die Menschenrechte oder Ähnliches. Es geht nur um die Macht des US-Dollar und um die weltweite Vormachtstellung der USA.

Das hat zu einem Teufelskreis geführt, bei dem die USA auf immer mehr Länder Druck ausüben und immer mehr Länder mehr oder weniger offen nach Wegen suchen, sich vom Dollar zu befreien. Wie erwähnt sagte Putin dazu einmal wörtlich, dass er diese Politik der USA nicht verstehen könnte, sie würden sich damit „nicht nur ins eigene Knie schießen, sondern etwas höher“.

Und da ist was dran, denn nun haben Russland und China nicht nur eigene Abrechnungssysteme entwickelt, beide Länder stoßen auch ihre Reserven an Dollar ab.

Je mehr Druck die USA ausüben, desto mehr Länder suchen nach Alternativen, die Russland und China nun bieten. Daher sind weitere Konflikte wie in Venezuela, das sein Öl ebenfalls nicht in Dollar verkaufen möchte, vorprogrammiert.

Russland setzt seinen konsequenten Kurs fort, seine Wirtschaft von Dollar unabhängig zu machen. Auch im ersten Quartal 2019 war Russlands Zentralbank wieder der weltweit größte Käufer von Gold.40

Die russische Zentralbank hat im ersten Quartal 2019 55,3 Tonnen Gold gekauft41, nachdem sie bereits 2018 insgesamt 274,3 Tonnen gekauft hatte und inzwischen insgesamt über mehr als 2.168 Tonnen Gold verfügt.

Die russische Zentralbank setzt damit ihre Politik der Diversifizierung konsequent fort, wobei sie die Bestände an US-Dollar konsequent abbaut. Betrugen die Bestände an US-Staatsanleihen Anfang 2010 noch 176 Milliarden Dollar, so waren es Anfang 2018 nur noch 14 Milliarden. Die Reserven der russischen Zentralbank betragen insgesamt ca. 430 Milliarden, der Anteil der US-Staatsanleihen liegt damit bei ca. drei Prozent. Russland will sich auf diese Weise nicht nur von der Abhängigkeit vom US-Dollar befreien, sondern sich auch vor weiteren möglichen US-Sanktionen schützen.

Auch die russische Wirtschaft selbst wendet sich weiter konsequent vom Dollar ab und setzt auf andere Währungen sowie auf Gold. Dabei geht es nicht nur um die Währungsreserven der Zentralbank, sondern auch um den internationalen Handel, in dem Russland immer mehr auf Abrechnung in anderen Währungen als den Dollar setzt.

Auch in seiner Rede im Juni 2019 auf dem Petersburger Wirtschaftsforum schnitt Putin das Thema an.

Russland hat einen großen Entwicklungsfonds, der milliardenschwer ist und aus Gewinnen des Öl- und Gasverkaufs gespeist wird: Knapp 100 Milliarden sind im Fond. Zum 1. Januar 2019 hatte der Fond 18 % seines Kapitals in Gold auf russischem Boden investiert, jeweils 14 % waren in Frankreich und Deutschland, vor allem in Staatsanleihen investiert. Danach erst kamen US-Staatsanleihen, die machten nur 10 % aus.

Die Aufgabe des russischen Fonds ist es, im Krisenfall die russische Wirtschaft zu stabilisieren, wie zuletzt 2014, als der für einige Monate niedrige Ölpreis Russland sehr zugesetzt hatte. Erst wenn der Umfang des Fonds ca. 7 % des BIP erreicht, darf er auch zur Wirtschaftsförderung eingesetzt werden, um zum Beispiel Kredite für Exportgeschäfte zu vergeben.

Der IWF drängte darauf, diesen Fond mit mehr westlichen Anleihen auszustatten, was in Russland auf wenig Gegenliebe stieß. Der Chefvolkswirt des russischen Fonds sagte dazu: „Die Aufgabe des IWF ist Krisenmanagement, er schätzt Risiken ein und gibt folgende Ratschläge: Sparen und möglichst wenig Geld innerhalb des eigenen Landes ausgeben, weil das zu Inflation und einer Störung der Stabilität führen kann. Diese Forderungen des IWF führten in der Vergangenheit zu Wirtschaftskrisen, weil die Experten nur die Finanzwirtschaft bewerten und nicht die gesamte Wirtschaft.“

Die Gold- und Währungsreserven der russischen Zentralbank hatten im Sommer 2019 einen neuen Fünf-Jahres-Rekord gebrochen und stehen zum ersten Mal seit 2014 wieder bei über 500 Milliarden.42 Der Verfall des Ölpreises Ende 2014 hatte die Reserven damals auf weit unter 400 Milliarden zurückgehen lassen. Danach hat Russland, trotz aller Sanktionen des Westens, seine Reserven wieder auf den Stand von 2014 erhöhen können. Alleine zwischen Januar und Juni 2019 sind die russischen Reserven um fast 35 Milliarden gewachsen: Sie stiegen von 468 Milliarden auf 502 Milliarden.

Auch über eine eigene Kryptowährung wird bei der russischen Zentralbank nachgedacht.43 Die Präsidentin der russischen Zentralbank, Naibullina, sagte dazu, dass das ein langfristiges Projekt sei, über das viele Zentralbanken nachdenken. Man müsse aber berücksichtigen, ob die Gesellschaft bereit sei, zugunsten einer solchen Währung auf Bargeld zu verzichten. Vielen Menschen seien Privatsphäre und Anonymität wichtig, die Frage einer russischen Kryptowährung sei also eher eine Frage an die Gesellschaft, ob sie eine solche haben möchte.

Ein russischer Abgeordneter brachte bei dem Thema die Idee ins Spiel, eine russische Kryptowährung mit Gold zu hinterlegen und so die Stabilität dieser Währung zu sichern.

Russland ist eines der Länder mit den höchsten Währungsreserven der Welt. Nach dem jetzigen Anstieg dürfte Russland in diesem Jahr auf Platz 5 der Länder mit den höchsten Währungsreserven kommen. Zum Vergleich: Deutschland stand per Ende 2017 auf Platz 15 mit 185 Milliarden, Russland hatte damals 418 Milliarden.

Daher haben Russlands Aktionen auch Einfluss auf die weltweite Entwicklung. Die EZB sprach im Sommer 2019 in einem Bericht davon, dass der Anteil des Dollar an den weltweiten Devisenreserven seit der Krise 2008 um 7% gefallen ist.44 So hätten allein im Jahre 2018 Schwellenländer 200 Milliarden Dollar abgestoßen, um ihre Währungen zu stabilisieren, und Russland selbst hatte sich 2018 von 100 Milliarden Dollar getrennt. Das war die Hälfte der Dollarbestände der russischen Zentralbank.

Im August gab es weitere Meldungen über die Bestände der russischen Zentralbank und sie setzte ihren Kurs konsequent fort. Der Anteil von US-Staatsanleihen an den russischen Reserven ist auf einen neuen Tiefststand gefallen.

Der Anteil der US-Staatsanleihen wurde zwischen April 2018 und August 2019 von 50 Milliarden auf weniger als elf Milliarden reduziert.

36 http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/schuldenmonitor-weltweite-schulden-klettern-auf-244-billionen-dollar-a-1248233.html

37 https://www.goldseiten.de/artikel/401234--Hier-beginnt-die-naechste-Krise.html

38 https://www.anti-spiegel.ru/2018/putin-zum-dollar-sie-schieben-sich-nicht-nur-ins-knie-sondern-etwas-hoher/

39 https://www.handelsblatt.com/politik/international/sanktionen-gegen-russland-wie-der-westen-putin-treffen-kann/11298660-all.html

40 https://www.gold.org/goldhub/research/gold-demand-trends/gold-demand-trends-q1-2019/central-banks-and-other-institutions

41 https://ria.ru/20190503/1553237616.html

42 https://www.rbc.ru/finances/13/06/2019/5d0267c89a79474b840dc210

43 https://tass.ru/ekonomika/6553895

44 https://pro.rbc.ru/news/5d0281999a7947550fae8e17#=

SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020

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