Читать книгу Die Erfindung der Welt - Thomas Sautner - Страница 19

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Es juckte noch immer. Wie verrückt juckte es. Der Sperber fuhr sich mit dem Schnabel durchs weiße, schwarz gebänderte Gefieder. Anteilnehmend beobachtete ihn das beinahe doppelt so große Weibchen. Das half ihm nicht. Und half ihm doch. Der Sperber rief seinem Weibchen einen vertrauensvollen Ton zu. »Djiji djiiijijiji!«

Als seine gelben Augen wie absichtslos den Wald abtasteten, schwangen sich Aliza Berg und Elisabeth von Hohensinn gerade auf die alten Damenräder und fuhren los.

Beim Steinhaufen, am Rand der Lichtung, lag ein zerbrochener, glasierter Tonkrug. Als die Bachstelze ihr Spiegelbild darin erblickte und auf den Kontrahenten losging, ihn ansprang mit ihren dünnen Beinchen und ihn entzückend entschlossen anflatterte, nochmals und nochmals und immer wieder abrutschte am glatten tönernen Gegner, der nicht den Mumm zu haben schien, sich zu wehren, glitten Elisabeth von Hohensinn und Aliza Berg von der Anhöhe des Schlosses den Weg hinab in den Forst.

Als sich der Sperber abstieß und entschlossen die Flügel öffnete, hatte die Bachstelze den Sieg gegen diesen filigranen Widersacher errungen, wackelte entsprechend stolz davon, mit ausladenden Schrittchen, eitel erhobenem Köpfchen. Aliza Berg und Elisabeth von Hohensinn genossen den Fahrtwind auf ihrer Haut.

Energie durchschnitt Luft. Als der Sperber nach unten blickte auf die beiden dahingleitenden Frauenkörper, erwog die Bachstelze, zu diesem ihr ganzes Wesen herausfordernden, ja geradezu foppenden Artgenossen zurückzukehren und es ihm nochmals ordentlich zu geben.

Als die Frauen, die nebeneinander fuhren, beim Hubertuskreuz abbogen, erhöhte der Sperber die Frequenz seines Flügelschlags. »Wie paradiesisch es hier ist«, sagte Aliza zu Elli.

Als die Bachstelze, es war ein Männchen, unvermutet sein Weibchen auf sich zukommen sah, zierlich und mit wippendem Schritt, besann es sich anders, pfiff auf den Kontrahenten drüben beim Steinhaufen. Kurz schloss es die Augen gegen die Sonne, gegen sein Weibchen, weil es zufrieden war, sich stark fühlte und leicht zugleich, jedes einzelne Federchen bereit für diesen guten Tag. Aliza und Elli indes traten bergauf in die Pedale. Ein Film aus Schweiß bildet sich an Alizas und an Ellis Stirn, ihren Schläfen und in den Achselhöhlen.

Als das Bachstelzenmännchen und das Bachstelzenweibchen sich berührten beim aneinander Vorbeigehen, beim aneinander Vorbeitänzeln, beide mit bebender Schwanzfeder, nickendem Köpfchen, schoss der Sperber – er selbst die Waffe, die er abfeuerte – durch die Wipfel.

Als das Bachstelzenmännchen ein hartes Rauschen hörte und zusammenzuckte.

Als dem Bachstelzenweibchen abrupt sein Herz so schlimm schlug.

Als das Bachstelzenmännchen in den Boden gerammt wurde von einer Himmelsmacht.

Als die Krallen des Sperbers in seinen Körper drangen.

Seine Brust und sein Kopf aufgehackt wurden.

Genossen Aliza und Elli es, wieder hügelabwärts zu rollen.

Das tote Bachstelzenmännchen wurde vom Sperber davongetragen. Als ihm die Eingeweide aus dem Körper gepickt wurden und Aliza und Elli beim Forsthaus ankamen und ihre Räder gegen den Zaun lehnten, wich vom Weibchen des Bachstelzenmännchens dieser namenlose Schrecken. Und eine sonderbare Schwere legte sich auf sein kleinfingernagelgroßes Herz.

Die Einsiedlerin schien nicht da zu sein. Elli rief mehrmals ihren Namen. Nichts rührte sich. Die beiden Frauen traten vom Kräuter-Blumengarten auf die Veranda, gingen ums Haus. Neben dem offenen Schuppen stand angerostet und eingedellt ein fetter Mercedes im hohen Gras.

»Mit dem fährt sie manchmal bis in den Ort«, flüsterte Elli Aliza zu. »Ohne Nummerntafel, ohne Führerschein, aber glaubst du, die Polizisten würden was sagen, die tun, als sähen sie nichts. Die Alte hat Narrenfreiheit in der Gegend.«

»Kann ich helfen?!«

Elli und Aliza zuckten zusammen. Sie hatten niemanden kommen gehört.

Die Erfindung der Welt

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