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M. Exchange-Traded Products (ETP)

I. Merkmale und Arten

Exchange-Traded Products bilden künstlich die Kursentwicklung von Referenzwerten ab. Zu diesen Produkten zählen Exchange-Traded Notes (ETN), Exchange-Traded Vehicles (ETV) sowie synthetische Exchange-Traded Funds (synthetische ETF) und die Anteile daran.429 Verwandt sind Zertifikate, auf die im vorliegenden Zusammenhang aber nicht erneut eingegangen zu werden braucht.

ETN sind börsengehandelte strukturierte Anleihen ohne Kupon, welche über einen Swap der eine andere Konstruktion die Wertentwicklung eines Referenzwerts abbilden (passive Wertpapiere).430 Sie sind gedeckt, wenn sie mit Sicherheiten in Gestalt des Referenzwerts oder anderer sicherer Werte (z.B. Rohstoffe, Staatsanleihen) unterlegt sind.431 Die Höhe der Unterlegung bestimmt der Emittent. Ungedeckte ETN werden in der Regel direkt aus der Bankbilanz des Emittenten begeben, wobei der Emittent die Wertentwicklung garantiert. Die Wertentwicklung ungedeckter ETN weicht lediglich um die Höhe der vom Investor zu tragenden Verwaltungsgebühr vom Referenzwert ab.

ETV sind ebenfalls börsengehandelte strukturierte und – wie ETN – passive Produkte, die vor allem auf den U.S.-Märkten eine Rolle spielen. Darunter versteht man durch eine Zweckgesellschaft oder einen (nicht rechtsfähigen) grantor trust begebene Finanzinstrumente mit derivativer Komponente. Diese Instrumente nutzen Strukturelemente von Tranchierungsverbriefungen (ABS) und dienen wie diese auch dazu, Anlagen in illiquide Vermögenswerte (als Referenzwerte) zu ermöglichen.432 Im kontinentaleuropäischen Recht gibt es keine direkte Entsprechung; der Begriff ETV wird hier deshalb auch (fälschlich) als Synonym für ETP verwendet.

ETF sind börsengehandelte Fonds, die aktiv oder passiv verwaltet sein können. In der Regel handelt es sich um passiv verwaltete Fonds, die einen Index nachbilden (Indexfonds). ETF-Anteile verbriefen ebenso wie Anteile sonstiger Investmentfonds grundsätzlich einen anteiligen Besitz an einem Sondervermögen, das getrennt vom Vermögen der emittierenden Investmentgesellschaft geführt wird.433

Anders als bei einem sonstigen Investmentfonds setzt die Investmentgesellschaft das Sondervermögen allerdings nicht unmittelbar zum Erwerb von Aktien oder Anteilen ein. Sie agiert vielmehr lediglich als Sponsor. Wenn ein Anleger ETF-Anteile erwirbt, geht sein Kaufauftrag an einen autorisierten Teilnehmer (authorized participant/market maker). Dieser verkauft bei überwiegender Nachfrage die ETF-Anteile leer und stellt dann entsprechend der ETF-Konstruktion einen Korb von Vermögenswerten zusammen. Diesen bietet er dem Sponsor nach Börsenschluss an, der dafür neue ETF-Anteile ausgibt. Die Anteile werden dann an die Anleger geliefert. Bei überwiegendem Angebot gibt der autorisierte Teilnehmer an den Sponsor umgekehrt ETF-Anteile zurück und erhält dafür einen entsprechenden Korb an Vermögenswerten (Creationredemption-Prozess).434 Der Kauf oder Verkauf von Anteilen im Interesse eines Anlegers wirkt sich aufgrund dieser Konstruktion nicht auf die übrigen im Fonds investierten Anleger aus, was vor allem steuerlich relevant sein kann.435

Die Vermögenswerte können bei nicht-synthetischen ETF aus Aktien- oder Anleiheportfolios bestehen, bei synthetischen ETF bestehen sie hingegen aus strukturierten Papieren oder Derivaten.436 Im Falle eines synthetischen ETF vereinbaren der Sponsor des Fonds und ein Intermediär ein Kreditderivat, sodass der Intermediär den Gesamtertrag des Referenzportfolios erhält. Der Intermediär überträgt im Gegenzug ein Sicherheitenportfolio auf den Sponsor (unfunded) oder auf ein Sonderkonto, auf das der Sponsor im Sicherheitsfall zugreifen kann (funded). Das Derivat ist im ersten Fall üblicherweise ein TRS, im zweiten eine CLN oder ELN.437 Das Portfolio kann auch bei ETF aus illiquiden Vermögenswerten bestehen, die mit den Vermögenswerten, deren Ertragsstruktur das Kreditderivat abbildet, nichts zu tun haben müssen. Die Erträge des Sicherheitenportfolios werden auf den Intermediär zurückübertragen. Der Sponsor zahlt zusätzlich einen Zins.438 Des Weiteren können ETF selbst gehebelt oder invers zur Kursentwicklung der Vermögenswerte strukturiert sein. Damit lassen sie sich passgenau für unterschiedliche Anlegerprofile ausgestalten.

Aufgrund unterschiedlicher Regulierung unterscheiden sich schließlich ETF nach U.S.-Recht und nach europäischem Recht. Die U.S.-Regulierung verlangt, dass mindestens 80 % des Fondsportfolios von der Fondsbezeichnung gedeckt sein muss.439 In der EU und in Asien aufgelegte ETF sind zum Großteil nach den europäischen Regelungen für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) strukturiert. Danach können in größerem Umfang auch Derivate im Fondsportfolio enthalten sein, solange diese dem Anlagezweck des Fonds entsprechen.

II. Risiken beim Einsatz

Die mit ETP verbundenen Risiken sind unklarer und weniger erforscht als die Risiken, die z.B. mit ABS oder Kreditderivaten einhergehen können. Allerdings ist auch bei ETP nicht auszuschließen, dass sie über das bilaterale Verhältnis hinaus in einem nicht unerheblichen Umfang zu makroökonomisch relevanten Risiken beitragen können.

1. Risiken im bilateralen Verhältnis und Risikoverkettung

ETP sind von der Kursentwicklung einzelner Vermögenswerte abhängig. Das bedeutet, dass zwischen Struktur- und Basisrisiken zu unterscheiden ist. Als Strukturrisiken trägt der Investor beim Kauf solcher Instrumente vor allem ein Ausfallrisiko und Marktpreisrisiken. Als Basisrisiken sind insbesondere die Marktpreisrisiken der als Vermögenswerte verwendeten Aktien- oder Anleiheportfolios relevant.

ETF, wenn sie nicht synthetisch strukturiert – und damit im Grunde nicht als ETP anzusehen – sind, haben ebenso wie sonstige Investmentfonds eine grundsätzlich eher unproblematische Risikostruktur; anzusprechen sind allenfalls die bei Fonds üblichen Markt- und Liquiditätsrisiken bezüglich des Sicherheitenpools.440 Bei synthetischen ETF kommen für den Sponsor und den Intermediär aufgrund des üblicherweise hineinstrukturierten TRS Gegenparteirisiken hinzu. Seit einiger Zeit wird allerdings diskutiert, ob es bei synthetischen ETF zu einer Risikoexternalisierung kommen kann. Das betrifft Fälle, in denen die Referenzwerte eine komplexe Struktur aufweisen, was häufig gegeben ist.

Indessen stellen Risikoverkettungen bei allen (synthetischen) ETP – also nicht nur bei ETF – ein möglicherweise größeres Problem dar. Denn ETP sind Hebelprodukte, soweit sie eine derivative Komponente enthalten. Der Investor erhält keine Gewinne und keine Verzinsung aufgrund von Inhaberrechten am Referenzportfolio, sondern hat lediglich in Form von Kapitalströmen an der Entwicklung der Referenzwerte teil. Diese Teilhabe kann, wie gesagt, durch mehrfache Hebelung (z.B. bei sog. leveraged ETF) auch verstärkt werden. ETP erlauben mit der derivativen Komponente aber nicht nur eine Teilhabe an der Entwicklung der Referenzwerte. Sie bilden vielmehr die Bewegungen der Marktpreises ab und können somit auch Verluste über das Maß hinaus vergrößern, das zu erwarten wären, wenn die Investoren ihre Gelder ausschließlich in die dem Index zugrunde liegenden Vermögenswerte angelegt hätten. Damit einhergehend können sie zu Rückkopplungsschleifen (feedback loops) in dem Sinne beitragen, dass die Marktteilnehmer etwaige Rückgaben von ETP zum Anlass nehmen, auch die Referenzwerte neu zu bewerten. Dies könnte dann einen Kursverfall bei den Referenzwerten beschleunigen.

2. Anreize zu gleichförmigem Verhalten

In der Diskussion um ETP stehen im Übrigen Liquiditätsrisiken aufseiten von ETP-Emittenten im Vordergrund.441 Derartige Risiken können sich ergeben, wenn Anleger die Instrumente in großer Zahl zurückgeben. Ein Grund für eine solche Rückgabe kann aus der soeben angesprochenen Eigenschaft von ETP folgen, als passive Produkte auch Kursverluste nachzuvollziehen. Manche ETP sind zudem so strukturiert, dass Anteilsrückgaben die Liquidität des Emittenten besonders schnell aufzehren können. So wird z.B. bei manchen ungedeckten ETN institutionellen Investoren ein tägliches Rückgaberecht zum Nettoinventarwert eingeräumt, um ihr Ausfallrisiko zu vermindern. Ein Kursverfall bei den Referenzwerten kann dazu führen, dass Investoren die Instrumente in großer Zahl gleichzeitig zurückgeben. Dies kann – ähnlich wie bei Geldmarktfonds442 – zur Folge haben, dass der Emittent der betreffenden ETP in kürzester Zeit „ausblutet“.

429 Nicht synthetische ETFs sind hingegen passive Investmentfonds, also Eigenkapitalinstrumente. 430 Holter, ETFs, ETNs and ETVs explained, Stand: 28. Februar 2010; abrufbar: http://www.futuresmag.com/2010/02/28/etfs-etns-and-etvs-explained. 431 So im Fall von Exchange-Traded Commodities (ETC), einer Untergruppe der ETN. Dabei handelt es sich um börsengehandelte Wertpapiere, die Anlegern eine Investition in die Anlageklasse Rohstoffe bzw. Waren (engl. commodities) erlauben. 432 IOSCO, Principles for the Regulation of Exchange Traded Funds, Final Report, FR06/13, Juni 2013, S. 36; o.A., Too much of a good thing, The Economist vom 23. Juni 2011; Holter (Fn. 430). Anwendbar ist danach der U.S. Securities Act of 1933. 433 Ramaswamy, Market structures and systemic risks of exchange-traded funds, BIS Working Papers No. 343, April 2011, S. 2ff.; Foucher/Gray, Exchange-Traded Funds: Evolution of Benefits, Vulnerabilities and Risks, Bank of Canada, Financial System Review, Dezember 2014, 37 (40f.). 434 Ramaswamy, Market structures and systemic risks of exchange-traded funds, BIS Working Papers No. 343, April 2011, S. 3f.; Foucher/Gray, Exchange-Traded Funds: Evolution of Benefits, Vulnerabilities and Risks, Bank of Canada, Financial System Review, Dezember 2014, 37 (40). 435 In den USA wurden ETF ursprünglich gerade deshalb entwickelt, weil der Verkauf von Wertpapieren durch den Verwalter eines herkömmlichen Investmentfonds zur Realisierung von Gewinnen und damit zu einem Steuerereignis führt; vgl. SEC, Investor Bulletin: Exchange-Traded Funds (ETFs), August 2012, S. 2; abrufbar: https://www.sec.gov/investor/alerts/etfs.pdf; kritisch Coon, The Great ETF Tax Swindle: The Taxation of In-kind Redemptions, 122 Penn State L. Rev. 1, 6, 14f. (2017). 436 Innerhalb der ETF-Märkte waren Standard-ETF und synthetische ETF zumindest in der Anfangszeit etwa gleich bedeutsam, innerhalb des gesamten Fondsvolumens spielen synthetische ETF dagegen nur eine marginale Rolle; siehe Bundesverband Investment und Asset Management e.V., Eingabe zur Konsultation des Finanzstabilitätsrats zur FSB Note on Potential Stability Issues Arising from Recent Trends in Exchange-Traded Funds (ETFs), 16. Mai 2011, S. 3: „In Europe synthetic ETFs represent 45 % of the ETF market what in absolute numbers amounts to nearly USD 138 billion of assets under management. Compared to the global fund volume, synthetic ETFs constitute a tiny fraction of 0.6 %.“ 437 Bei Bedarf kann auch ein anderes Kreditderivat genutzt werden. 438 Ramaswamy, Market structures and systemic risks of exchange-traded funds, BIS Working Papers No. 343, April 2011, S. 5; Foucher/Gray, Exchange-Traded Funds: Evolution of Benefits, Vulnerabilities and Risks, Bank of Canada, Financial System Review, Dezember 2014, 37 (41). 439 SEC Rule 35d-1 (17 CFR 270.35d-1). Dies gilt grundsätzlich für alle Investmentfonds, nicht nur für ETF. 440 Siehe schon oben Abschn. C.II (S. 34; zu Eigenkapitalinstrumenten). 441 FSB, Potential Financial Stability Issues Arising from Recent Trends in Exchange-Traded Funds (ETFs), 12. April 2011, S. 4–5; ähnlich IOSCO, Principles for the Regulation of Exchange Traded Funds, Final Report, FR06/13, Juni 2013, S. 13, 16, 20, 37ff.; Ramaswamy, Market structures and systemic risks of exchange-traded funds, BIS Working Papers No. 343, April 2011, S. 10ff.; Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2013, Globale Liquidität: Anfälligkeiten aus erhöhter Risikoübernahme, S. 42. 442 Dazu sogleich Abschn. N (S. 131).

Die Regulierung innovativer Finanzinstrumente

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