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Am Spätnachmittag des folgenden Donnerstags führte Mariannes Laienspielgruppe den >Rattenfänger von Hameln< auf. Die Vorstellung fand im Gemeindehaus eines Vorortes statt. Die Spielerin, die die Tochter des Bürgermeisters spielen sollte, war kurzfristig krank geworden. So hatte die Gruppe Marianne gebeten einzuspringen. Sie hatte die Rolle schon einmal gespielt. Zum ersten Mal seit über einem Jahr stand sie jetzt wieder auf der Bühne.

Nach der gelungenen Aufführung genoss sie mit ihren Mitspielern den Beifall des Publikums. Viele Kinder und Jugendliche saßen unter den Zuschauern. Ganz vorne, in der ersten Reihe, entdeckte Marianne eine Gruppe Behinderte.

Das letzte Mal, als sie bei einem Stück mitspielte, saß Michael in der ersten Reihe. Die plötzliche Erinnerung gab ihr einen Stich, während sie sich mit den anderen verbeugte. In der Garderobe dann dachte sie an Felix. Was würde er wohl sagen, wenn er sie so erleben würde? Sie hatte ihm von ihrem Hobby erzählt, und er war sehr interessiert gewesen. Ob sie ihn jemals zu einer Vorstellung einladen würde?

Das Herz wurde ihr schwer, und sie verscheuchte den Gedanken. Felix war verheiratet. Sicher, seine Frau wollte sich scheiden lassen. Und er hatte eingewilligt. Aber das war vor dem Unfall. Jetzt war seine Frau durch den Unfall behindert. Sogar einen Selbstmordversuch hatte sie unternommen. Jetzt brauchte sie Felix. Und er hatte eine Verantwortung für sie.

Ich darf mich nicht zwischen die beiden stellen, dachte Marianne Debras, und das Triumphgefühl in ihrer Brust wurde von aufsteigenden Tränen verdrängt. Sei vernünftig, Marianne, sagte sie zu sich selbst, morgen wird er auf die Normalstation verlegt, und dann wirst du ihn vergessen. Du musst ihn vergessen!

Traurig strebte durch den Zuschauerraum dem Ausgang zu. Hinten, bei der letzten Reihe, standen eine Frau und ein junges Mädchen. Das Mädchen schien geistig behindert zu sein. Die Frau hatte kurze, rote Haare, und und eine Jeansjacke hing etwas unordentlich an ihr herab.

„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie einfach so anspreche“, sagte die Frau, „Sie haben sehr schön gespielt.“ Marianne bedankte sich. Doch die Frau ließ sie noch nicht gehen. „Sagen Sie, arbeiten Sie nicht im Marien-Krankenhaus?“

Marianne bejahte, und plötzlich kam ihr die Frau bekannt vor. „Ich glaube, ich habe Sie neulich auf der Chirurgie gesehen“, fuhr sie fort, „Linda lag dort in Zimmer 212.“ Sie deutete auf das Mädchen.

Jetzt erinnerte sich Marianne. „In 212?“, fragte sie, „bei Frau Söhnker?“

„Genau“, freute sich die Frau und reichte ihr die Hand, „ich bin Ute Sommer. Ich sah Sie in Frau Söhnkers Zimmer gehen, irgendwann Ende letzter Woche. Wie geht es ihr denn?“

Marianne zögerte zunächst. Doch als Ute Sommer darauf immer bohrender nachfragte, erzählte sie schließlich von Edith Söhnkers Selbstmordversuch.

Ute Sommer wurde leichenblass. Sie ließ nicht locker, bis sie Marianne Einzelheiten entlocken konnte. „Hatte sie den Arm etwa in einer Schüssel mit warmem Wasser liegen?“, fragte sie erschrocken. Marianne bejahte verblüfft. Die Sozialarbeiterin schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht. „Ich bin doch die blödeste Kuh unter dieser Sonne!“

Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen, immer noch beide Hände vor dem Gesicht. Endlich nahm sie die Hände weg und sah Marianne ganz verstört an. Sie hatte Tränen in den Augen. „Wissen sie, wer ihr die Waschschüssel hingestellt hat?“


Hoffnung, Wunder und Liebe: 7 Arztromane

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