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Das steinerne Wunder – Göbekli Tepe

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In dem historischen Zeitraum, der zwischen der nomadischen und der sesshaften Lebensweise liegt, entstanden in Kleinasien, im Südosten der heutigen Türkei, die wahrscheinlich ersten überlieferten Steinbauten: ein Bergheiligtum, das als Göbekli Tepe bekannt geworden ist. Der monumentale Bau umfasst 20 Kreisanlagen. Ist schon allein die Bearbeitung und der Transport der riesigen Steinblöcke (die Zentrumspfeiler sind bis zu 20 Tonnen schwer) 7.000 Jahre vor dem Bau der Pyramiden als sensationell zu bezeichnen, so fasziniert die Bearbeitung der Pfeiler, die mit überaus fein gestalteten, aus dem Stein gehauenen Ornamenten verziert sind, noch mehr. Denn für die Bearbeitung des Steins standen nur Steinwerkzeuge zur Verfügung.


Pfeiler 2 in Göbekli Tepe. Noch ehe sie sesshaft wurden, schufen die Menschen der frühen Jungsteinzeit Großbauten mit Zeichen beeindruckender Kunstfertigkeit. An den T-förmigen Steinpfeilern fallen besonders die fein gearbeiteten Tierdarstellungen auf.

Bemerkenswert ist vor allem dreierlei: Erstens waren Menschen schon, bevor sie sesshaft wurden, technisch und logistisch in der Lage, groß dimensionierte Kultanlagen zu errichten. Sie waren zweitens sozial so gut organisiert, dass sie spezialisierte Arbeiter für anspruchsvolle Steinmetzarbeiten abstellen und aus dem erzeugten Mehrprodukt versorgen konnten. Und drittens müssen die Erbauer ziemlich ausdauernd gewesen sein, denn das Heiligtum, das aus einer großen Ansammlung einzelner Rundtempel besteht, entstand über einen langen Zeitraum hinweg.

Da die Tempelanlagen von Göbekli Tepe nicht als Folge der Neolithischen Revolution entstanden waren, könnten sie vielleicht der Auslöser – oder wenigstens ein Katalysator – dieses Umbruchs gewesen sein. Ein gigantisches Bauprojekt, das eine veränderte Ernährungsweise hervorbrachte? Große Feste müssen zum Leben in dieser Anlage gehört haben. Auerochsen, aber auch Leoparden, Kropfgazellen, wilde Rinder, Schweine und Schafe, Rothirsche, mesopotamisches Damwild, Füchse, Steinhühner und Geier kamen auf die Tafel. Das Deutsche Archäologische Institut charakterisiert die Tempelanlage als „rituelles Zentrum und als Kommunikationsplattform für eine offenbar großräumig vernetzte jägerische Bevölkerung“. Der Platz ist über Jahrtausende hinweg genutzt und baulich verändert worden. „Nur eine Versammlung der Jäger, die sich gleichsam zu ‚olympischen Treffen‘ auf dem Berg einfand, kann die Arbeitsleistung, die zur Errichtung der Bauten notwendig war, erbracht haben.“ Werkzeuge herstellen, tonnenschwere Steinblöcke brechen, behauen und transportieren, das Feuer unterhalten, Nahrungsmittel und Wasser heranbringen (drei Jahrtausende, bevor es Keramik gab), eine Vorratshaltung organisieren (bevor die Kultivierung des Getreides begonnen hatte): Die Errichtung der Tempelanlage verlangte von den präkeramische Jungsteinzeitlern, dass sie zugleich ein funktionierendes Verpflegungssystem schufen.

Der Mensch isst nicht gern allein

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