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I. GEMEINSAM ESSEN – AUSSER HAUS

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Gemeinsam essen – das bedeutet nicht nur, sich zu sättigen. Eine gemeinsame Mahlzeit ist auch ein Akt der sozialen Interaktion und der sozialen Bindung, sie gibt Gelegenheit zum Beisammensein und schafft Verbundenheit.

Traditionell, bevor sich Arbeitsplatz und Haushalt funktional und räumlich voneinander trennten, nahmen an den alltäglichen Mahlzeiten all diejenigen teil, die zusammen lebten und wirtschafteten – also die Hausgemeinschaften. Die gemeinsame Tafel galt als der Ort, an dem miteinander geteilt wurde, was man erwirtschaftet hatte. Und das gemeinsame Mahl war die Zeit, in der das gemeinsame Wirtschaften, Essen und Genießen, kurz das Zusammenleben, von allen sinnlich erfahren wurde. Dementsprechend hat man die sich abzeichnende Aufweichung der festen Familienmahlzeit auch als Zeichen für die Auflösung der Familie gedeutet. Ging die Arbeit aus dem Haus, mussten ihr die Hausgenossen nachfolgen. Fast zwangsläufig fand auch die Verpflegung der Familienmitglieder nicht mehr am gemeinsamen Mittagstisch statt, sondern außer Haus oder zu jeweils verschiedenen Zeiten.

Vorindustrielle Gesellschaft gleich Familienmahlzeit, Industriegesellschaft gleich Außer-Haus-Verpflegung? – Solche Zuordnungen greifen an der historischen Wirklichkeit vorbei. Denn bereits in den vorantiken Gesellschaften gab es Umstände, die eine Mahlzeit am häuslichen Familientisch unmöglich machten. Wo es nötig war, viele Arbeitskräfte aus dem Familienverband herauszulösen und für große Bauaufgaben (wie etwa die ägyptischen Pyramiden) zusammenzuführen, zog das eine organisierte Verpflegung dieser Gruppen nach sich. Und umgekehrt galt: Große Menschenmassen konnten nur dann auf einer Großbaustelle konzentriert werden, wenn es gelang, sie auch zu verpflegen.

Allerdings ist das Abwandern der Arbeit aus dem Familienverband nur einer der historischen Gründe für das Entstehen gemeinschaftlicher Formen des Essens außer Haus. Namentlich das Mittelalter kannte eine ganze Anzahl nichtfamiliär organisierter Korporationen, in denen die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen wurden: die Mönchs- und die Ritterorden, die Gemeinschaften der Pilger, die Beginenhäuser, die Studentenbursen. Auch der Krieg führte immer wieder große Gruppen von Männern zusammen, die verpflegt werden mussten.

Vom sprichwörtlichen heimischen Herd entfernt sich gleichfalls derjenige, der sich auf Reisen begibt. Für Handelsreisende oder Pilger waren Fernreisen allein mit der Marschverpflegung aus dem Schnappsack nicht durchzustehen. Selbst die Könige des Mittelalters, die das Land regierten, indem sie es bereisten, waren auf ein funktionierendes System zur Verpflegung größerer Gruppen angewiesen. Nur Pfalzen und große Städte verfügten über die Möglichkeiten, einen mittelalterlichen Hofstaat zu beköstigen. Und schließlich: Vielerorts und vielfach konnten und können es soziale Umstände den Menschen unmöglich machen, für ihre Beköstigung selbst zu sorgen. Alte, Kranke, Arme und Ausgestoßene ohne eigenes Haus, ohne eigene Küche und ohne eigene Lebensmittel und waren und sind auf die Hilfe und die Fürsorge sozialer Einrichtungen angewiesen – und nicht zuletzt auch auf deren Angebote zur Verpflegung.

Von der Vielfalt der Formen, Menschen gemeinschaftlich zu verpflegen, wird hier die Rede sein. Von einer Kultur des gemeinsamen Speisens, der wir sehr viel verdanken. Vom Essen in der Gemeinschaft vor und außerhalb der kommerziellen Gastlichkeit. Von einer Form des gemeinsamen Essens, deren Bedeutung wir gerade wieder entdecken.


Gemeinsames Mittagessen im Kreis der Kollegen, hier in einer modernen Kantine.

Der Mensch isst nicht gern allein

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