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Eine geschrumpfte Gesellschaft

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Bei den Germanen musste jedem, der anklopfte, geöffnet werden. Einem Fremden das Dach und die Nahrung zu verweigern, war etwa nach burgundischem Recht ein schweres Vergehen. Der Rechtsbrauch beschränkte Gastrecht und Gastgeberpflicht allerdings auf drei Tage – wahrscheinlich um Missbräuchen vorzubeugen. Denn nach drei Tagen gehörte ein Gast gewissermaßen zur Familie, zum Haus, und der Hausherr und Familienvater war für das Tun und Lassen, für Taten und Untaten seines neuen Familienmitglieds verantwortlich.

Nachdem das Römische Reich im Westen Europas unter der kriegerischen Einwanderung der Germanen zusammengebrochen war, lagen die alten Römerstädte verödet. Die Straßen und Aquädukte verfielen. Einst urbar gemachtes Land wurde wieder Sumpf. Eine neue wirtschaftliche Infrastruktur musste sich erst allmählich wieder entwickeln. Die neue Feudalgesellschaft aber war zunächst keine urbane Gesellschaft. Selbst dort, wo die Bevölkerungszahl langsam zunahm, schrumpften die gesellschaftlichen Beziehungen: Die Mobilität ging zurück, Kommunikation unterblieb, der Austausch von Gütern war beschränkt. Das gesellschaftliche Leben wurde kleinzellig. Es schien, als seien Arbeit und Genuss wie auch das Essen endgültig in den Schoß der Familie zurückgekehrt.

Aber immerhin: Die alten Tavernen, besonders an den Passstraßen, an Flussmündungen und -übergängen, blieben häufig bestehen: als Raststationen für Handelsreisende und Pilger. Die Autorität der Macht half ihnen zu überleben. Karl der Große führte 789 für das Frankenreich die hospitalitas (Gastfreundschaft) ein, die gesetzliche Verpflichtung, Fremde aufzunehmen. Damit knüpfte er an alte Rechtsbräuche an, um sicherzustellen, dass keiner seiner reisenden Untertanen Mangel leide. Besonders an den viel genutzten Pilgerwegen ließ er sogenannte Hospize errichten. Auch die Klöster hatten für die Aufnahme und Verpflegung durchziehender Pilger zu sorgen.

Nach und nach bildete sich auch in den Städten und auf dem flachen Land eine neue Kultur der Bewirtung heraus. Denn mit zunehmendem Reiseverkehr waren auch die Grenzen der freiwilligen, unbezahlten Gastfreundschaft erreicht. Das gewerbliche Wirtshauswesen entwickelte sich – vorrangig an den Poststationen und an den Seewegen. Noch heute weisen Gasthofnamen wie „Zur Post“, „Brückenwirt“ oder „Zur Fähre“ auf diese Entwicklung zurück.

Der Mensch isst nicht gern allein

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