Читать книгу Schlusspfiff - Thorsten Fiedler - Страница 9
VIER
ОглавлениеLothar Wohlfahrt konnte seine Arme nicht bewegen und auch sein rechtes Bein schien fixiert zu sein. Dunkel konnte er sich noch an die Kneipe erinnern und daran, dass er ein paar Bier mehr als sonst gekippt hatte. Dann war da noch dieser Typ, der ihn über früher ausgequetscht hatte, als er noch aktiv war. Doch danach war alles wie verschwommen. Er dachte an seine Frau, die sich bestimmt schon Sorgen machte, denn es war noch nie vorgekommen, dass er nachts nicht nach Hause gekommen war. Auch wenn die glücklichsten Tage des Ehepaares Wohlfahrt schon Geschichte waren, wünschte er sich nichts mehr, als jetzt, in diesem Augenblick, seine Frau in die Arme schließen zu können. Plötzlich trat auch wieder der Phantomschmerz in seinem linken Bein auf, obwohl ihm dieses schon vor Jahren amputiert worden war. Die Szene des damaligen Unfalls spielte sich jede Nacht in seinem Kopf ab. Nachdem er ein Auswärtsspiel in Hanau gepfiffen hatte, fuhr er über die Bundesstraße 43 nach Hause. Es war minus drei Grad kalt, aber die Fahrbahn schien nicht gefroren zu sein. Leider war dies ein Trugschluss und als sein Fahrzeug anfing zu schleudern, kam jede Lenkbewegung zu spät. Sein Wagen überschlug sich mehrmals und als er langsam wieder zur Besinnung kam, merkte er, dass irgendetwas mit seinem linken Bein nicht stimmte. Als er versuchte, sich aus dem Auto zu befreien, sah er voller Entsetzen, dass sein Bein nur noch an ein paar Sehnen zu hängen schien. Dann wurde er ohnmächtig. Er erwachte erst wieder im Krankenhaus und als er die Bettdecke zurückschlug, schossen ihm die Tränen in die Augen, denn sie hatten ihm das Bein oberhalb des Knies amputiert. Wahrscheinlich war dieser Moment der Start für seine Alkoholikerkarriere, die ihn und seine Frau immer weiter voneinander entfernte. So in seine Erinnerungen verstrickt, merkte Lothar nicht, dass er schon eine Weile beobachtet wurde.
Zwei stechende Augen starrten ihn an und verfolgten jede seiner Regungen. Es schien ihm, als ob die Angst, die er empfand, seinem Gegenüber eine bestimmte Art von Befriedigung verschaffte. Panik erfasste ihn, doch er konnte weder weglaufen noch schreien. Die Augen waren jetzt ganz nah vor seinem Gesicht und plötzlich spürte er einen furchtbaren Schmerz in seiner Brust. Das Atmen fiel ihm schwer und er hatte das Gefühl, innerlich zu bluten, als fülle sich der ganze Körper mit Flüssigkeit. Die starren Augen waren unentwegt auf ihn gerichtet, sie waren das Letzte, was er jemals sah. Er starb mit dem Gedanken: Warum habe ich die Warnung nicht ernstgenommen …?