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Panegyrikus auf Messalla

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Der Verfasser dieses Loblieds wetteiferte weder metrisch noch stofflich mit Tibull, sondern wich in der Form auf das Versmaß der Heldendichtung und im Inhalt auf Ereignisse und Kriegsschauplätze aus, mit denen sich sein großer Vorgänger nicht befasst hatte. So hoch er auch Messalla schätzte, vergaß Tibull doch nie, dass er als Elegiker eine unkriegerische Gedichtgattung vertrat. Aus dieser Überzeugung fühlte er sich berufen, der Göttin des Friedens zu huldigen.53 Die Schlachtensiege, die sein Gönner 28/27 v. Chr. als Prokonsul der Provinz Aquitanien über südgallische Stammesverbände errang, würdigte er als Zeitzeuge, ohne sich einen Anteil an diesen Erfolgen zuzuschreiben. Obwohl ihn Messalla als Mitglied seines Stabs an der Kriegsbeute beteiligte, legte er größeren Wert darauf, über das Schauspiel zu jubeln, wie Messalla am 25. September des Jahres 27 v. Chr. als Triumphator zum Kapitol hinaufzog.54

Im gleichen Geist äußerte sich Tibull zu Feldzügen, auf denen er Messalla nicht begleitet hatte, entweder gar nicht oder nur, um so geschwind wie möglich zu seiner Welt des Friedens überzuschwenken. Wo und in welcher Eigenschaft Messalla an dem Krieg teilnahm, den Octavian von 35 bis 33 v. Chr. in Illyrien führte, berührte er überhaupt nicht, und den Feldzug, auf dem Messalla von Kilikien über Phönikien und Palästina nach Ägypten vorstieß, nur im Vorübergehen, um von dem segensreichen Wirken des Vaters Nil zu dem der ägyptischen Allgottheit Osiris überzuleiten.

Von diesen beiden Freiräumen nutzte der Verfasser des Panegyrikus nur den ersten dazu, aus dem Schatten seines großen Vorgängers herauszutreten. Von V. 106 bis 117 verherrlicht er Messalla, als habe er, nicht Octavian, am 13. August des Jahres 29 v. Chr. den Triumph über die Dalmater gehalten. »Doch durchschweifen meine Lobgesänge«, hob er an, »keine zweifelhaften Ruhmestaten; denn ich preise darin durch Kriege erwiesene Erfolge. Zum Zeugen habe ich des besiegten Japydiens tapferes Fußvolk, zum Zeugen auch den hinterhältigen Pannonier, der überall verstreut war auf die eisigen Alpen, und zum Zeugen den armen, auf dem Boden von Arupiums Fluren geborenen Bauernsohn: Wenn jemand sähe, wie wenig ihn schwächte sein hohes Alter, würde er weniger staunen über die Lebenszeit von drei Menschenaltern der Sage von Nestor, dem Pylier. Denn während der Greis durchläuft die Menschenalter einer lange zurückliegenden Sage – hundert fruchtbare Jahre hatte Helios, der Titan, wiederkehren lassen –, wagt er, selber flink, gleichwohl sich zu schwingen auf sein schnelles Pferd und sitzt als Lenker hoch zu Ross mit festen Zügeln. Als du aber die Truppe führtest, beugte der ›Bändiger‹ Domator, der sonst nie seinen Rücken zur Flucht gekehrt hatte, seinen, den Hals eines freien Mannes römischen Ketten.« So blumig schmückte er aus, dass Messalla als Truppenführer den Erfolg verbuchen konnte, einen alten Haudegen, der sich den Ehrennamen Domator redlich verdient hatte, gefangengenommen zu haben.

Bei welchen Gelegenheiten sich Messalla sonst noch als tüchtiger Befehlshaber bewährte, lässt der Panegyrikus in der Schwebe. Verdächtig oft erliegt sein Verfasser der Versuchung, den Mangel an greifbaren Heldentaten mit Abschweifungen und Übertreibungen zu überdecken. Langatmig weicht er darauf aus, ihn als Meister des Kriegshandwerks zu preisen55 und von Siegen zu träumen, die auf beiden Hälften des Erdkreises zu erringen er ihm zutraut.56 Weitschweifig vergleicht er den Mut, den er auf dem Forum als Redner und als Heerführer im Felde bewies, mit den Mutproben, die Odysseus auf seiner Irrfahrt zu bestehen hatte.57 Unbeholfen versucht er, Homers Welt mit der seiner Zeit zu verzahnen.58 Wie abrupt er von der Mühsal des Sagenhelden Odysseus zu der Redegabe des Politikers Messalla überspringt, um von ihr, seiner facundia, zu seiner Beherrschung des Kriegshandwerks, den belli … artes, überzuleiten, hätte er wenigstens verschleiern können, wenn er an die Stelle des engeren den weiteren, die Befähigung zum Redner und Heerführer umschließenden Begriff facultas gesetzt hätte.

Mit diesen Mängeln versöhnt wenigstens bis zu einem gewissen Grad, dass der Verfasser des Panegyrikus seine hohe Allgemeinbildung und beachtliche Belesenheit verschiedentlich besser zu nutzen wusste, als es ihm die herrschende Meinung zubilligt.

In der Beispielreihe, in der er die Länder und Flusstäler aufzählt, die einen Messalla nicht aufhalten würden, wenn er mit römischen Truppen einrückte, führt er die Landschaft an, wo »der reißende Gyndes, Opfer des Wahnwitzes eines Kyros, versiegt ist oder vielmehr sein sich Arektas Ebenen höchst gastlich zeigender Wellengang es ist.«59 So gewählt umschreibt er in Ton und Sprache der Heldendichtung, dass dieser Nebenfluss, seitdem Kyros ihn auf seinem rechten und linken Ufer in jeweils 180 Kanäle ableitete, sein Tal nicht länger im Frühjahr überschwemmte. Dem Jähzorn des persischen Großkönigs schreibt er diesen massiven Eingriff in die Natur nach Herodot 1,189–190 zu; mit einem Gastgeber vergleicht er den Wellengang eines Flusses, der die Ebenen seines Tals bewässert, nach Vergil, Georgika 3,362. Herodot verbreitete die Mär, Kyros habe das Flussbett des Gyndes trockengelegt, um an ihm zu rächen, dass seine Strömung einen seiner Schimmel in den Tod gerissen habe; Vergil schilderte den Wellengang eines schiffbaren Flusses als gastlich.

So kleine Gaben wie seine Gedichte nicht zurückzuweisen bittet der Verfasser des Panegyrikus Messalla, den Freund der Dichtkunst, in der Zuversicht, dass er sich wie Apollon über kleine Geschenke freue. In dem Vertrauen, sich auf Apollon berufen zu können, bestärkt ihn, dass »selbst einem Phoibos hochwillkommene Geschenke der Kreter überbrachte«.60 Baute er aber darauf seine Zuversicht, muss ihm vorgeschwebt haben, dass der als Bogenschütze hochgeschätzte Kreter dem Schlachtengott Apollon Köcher, Pfeil und Bogen überreichte. Mit diesen drei Stücken meisterlicher Handwerkskunst war Phoibos in der Heldendichtung genauso bewaffnet wie in der Liebesdichtung der geflügelte Amor.61

Von dem Plan, Messalla in Ton und Versmaß des Epos zu verherrlichen, war vorgezeichnet, dass der Verfasser des Panegyrikus, wo es sich anbot, aus Vergils Aeneis schöpfte. Bis in den Wortlaut hinein wirkten diese Einflüsse in Nachklängen wie certamina Martis in V. 98, ultima … tenet arva in V. 145, quid moror in V. 147, se accingere rebus in V. 179 oder Fortuna … fatiget in V. 182 fort.62 Nur verherrlichte Vergil das Staatsoberhaupt weitaus stilvoller als der Verfasser des Paneyrikus den Konsul vom Jahr 31 v. Chr. Während Vergil durch den Kunstgriff der Schildbeschreibung Caesars an Kindes statt angenommenen Sohn, den Imperator Caesar Augustus, als Vollender des Werks feierte, zu dem der Stammvater Aeneas der Sage nach den Grundstein gelegt hatte63, schwärmt er von Siegen, die Messalla mit besten Aussichten auf glänzende Erfolge über Völker des Ostens und Westens zu erringen hoffen kann.64

Wenngleich Augustus als Imperator den Oberbefehl über die gesamte römische Streitmacht ausübte, stand es den Dichtern seiner Zeit frei, Triumphe anderer Heerführer zu feiern, ohne ihn wenigstens zu erwähnen. Darauf konnte sich der Verfasser des Panegyrikus ebenso verlassen wie Tibull, obwohl er weder über das Mindestvermögen eines römischen Ritters verfügte65 noch mit Messalla auf vertrautem Fuß stand.66 Nicht genug damit, sagte er ihm weitere Triumphe in fernen Grenzkriegen voraus67, als sich schon abzeichnete, dass das Vorrecht, Siege über die Bevölkerung von Grenzgebieten zum Anlass von Festzügen und -spielen zu nehmen, Augustus sich und seinem Haus vorbehielt.68 19 v. Chr. gestattete er zum letzten Mal dem Prokonsul einer senatorischen Provinz, zur Feier eines Sieges einen Triumph zu halten, und als Vergil am 21. September des selben oder nächsten Jahres starb, gab sein Freund, der Dichter Lucius Varius Rufus, aus seinem Nachlass die Aeneis heraus. Frühestens in dem Jahr, in dem Varius sie nach Rücksprache mit Augustus nahezu vollendet veröffentlichte, konnte der Verfasser des Panegyrikus unter diesen Umständen aus ihrem ersten, sechsten und zwölften Buch die fünf Wendungen herausgreifen, die ihm sprachlich zusagten.

Tibulls feinsinnigen Gönner und Geistesverwandten würdigt dieser Lobgesang als eine Gestalt der Zeitgeschichte, die noch ehrgeizigere Ziele zu verfolgen verspricht, um ihre glanzvolle Laufbahn zu krönen. Wählte Messalla, da er in den letzten beiden Jahren seines Lebens an Gedächtnisschwund litt, nicht erst 13 n. Chr., sondern schon 8 n. Chr. den Hungertod69, verfasste ihn der zeitgenössische Dichter, der ihn so überschwänglich preist, spätestens rund zweieinhalb Jahrzehnte nach dem Erscheinen von Tibulls zweitem Gedichtbuch.

Nach Quintilians Urteil bemühte sich Messalla als Redner um lichtvolle Eleganz und legte er auf Noblesse größeren Wert als auf Wortgewalt.70 Seinen Stilgeschmack traf der weitschweifige Verfasser des Panegyrikus zweifellos von keiner der beiden Seiten.

53 1,10,47–50 und 69–70.

54 1,7,5–12.

55 3,7,82–105.

56 3,7,135–176.

57 3,7,33–81.

58 3,7,81–82.

59 3,7,141–142.

60 3,7,7–9.

61 Zu Apollon als Bogenschützen s. Vergil, Aeneis 8,704, zu Amor als Bogenschützen vgl. Properz 2,12,9–10: »Auch ist aus gutem Grund seine Hand mit widerhakenbestückten Pfeilen bewaffnet und hängt von beiden Schultern ein kretischer Köcher herab.«

62 Zum ersten dieser fünf Anklänge an Vergils Aeneis vgl. V. 12,73 und 12,790, zum zweiten V. 6,477–478, zum dritten V. 6,528, zum vierten V. 1,210 und zum fünften V. 6,533.

63 Verg. Aen. 8,678–731.

64 3,7,135–150.

65 3,7,181–189. 197–200.

66 3,7,1–8. 16–17. 24–27. 32–38.

67 3,7,135–146. 175–176.

68 Schon zu beobachten, bevor er 19 v. Chr. letztmalig dem Prokonul einer senatorischen Provinz einen Triumph zu halten erlaubte; s. Bringmann, Augustus, 130–131 und 197.

69 Schlüssig nachgewiesen von Syme, Augustan Aristocracy, 217–219.

70 Quint. inst. 10,1,113.

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