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Namenloser Tibullnachfolger im Würgegriff eines Knebelvertrags

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Im 19. Gedicht des dritten Buch klagt ein Tibulljünger sein Leid, der bitter bereut, einer krankhaft eifersüchtigen Römerin überstürzt ewige Treue geschworen zu haben. Kaum hat er mit ihr dieses Abkommen getroffen, merkt er, dass er das Faustpfand aus der Hand gegeben hat, ihre Angst vor Nebenbuhlerinnen als Trumpfkarte auszuspielen.94 Je hartnäckiger sie darauf pocht, dass er seinen Treueid vor Iuno, der Schutzgöttin ehelicher Treue, geleistet habe, desto ärger fühlt er sich von dem Vertrag geknebelt, den er mit ihr im Rausch seiner Leidenschaft blindlings schloss. Selbst wenn Venus, die Schutzgöttin der Liebe, ihm eine Tibullfreundin, eine amica Tibullo, vom Himmel sendete, würde sie scheitern.95 Nicht einmal ihr verlockendes Angebot, ihm eine Traumfrau zu bescheren, die ihn als kunstsinnige Leserin zu lebensechter und stilvoller Liebespoesie anzuregen verspräche, könnte ihn in Versuchung führen, seinen Knebelvertrag zu brechen, um nicht länger von seiner herrschsüchtigen Vertragspartnerin unterdrückt zu werden. In seiner ausweglosen Lage verbleibt ihm nur, die Schutzgöttin der Liebe demütig zu bitten, ihm doch wenigstens zu verzeihen, sich bedingungslos der Schutzgöttin der Ehe unterworfen zu haben.96

Das Geheimnis, wer diese Elegie verfasste, hat ihr Dichter gewahrt. Preisgegeben hat er lediglich, dass er Tibull als den Vorgänger bewunderte, der in der Gedichtgattung, die er vertrat, die Maßstäbe setzte. So hoch muss er ihn geschätzt haben, wenn ihm eine Tibullfreundin als die Traumfrau eines jeden Liebesdichters vorschwebte. Darin klingt die gleiche Hochachtung durch, wie sie in unserem Kulturkreis mitschwingt, wenn wir die einfühlsame Kennerin und begeisterte Leserin deutscher Liebeslyrik zur Goethefreundin erklärten.

94 3,19,17–20.

95 3,19,13–14.

96 3,19,23–24.

Zweisprachige Gesamtausgabe

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