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Kein Server!

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Also diesen und anderen Unfug habe ich in meinem gerade fertig gestellten Aufsatz für das Frankfurter Feuilleton eingebaut, aber so, dass die Leser sich über Rätseln den Kopf zerbrechen. Soll hier nun eine Insel der Seligen am Rande des Wienerwalds und des Wahnsinns verspottet werden, oder ist es eine Liebeserklärung an eine einzigartige Stadt?

Sollen sie rätseln! Ich habe das Rezept ja verraten, das ich in dieser Stadt lerne. In Wien darfst du niemals eindeutig sein. Die Eindeutigkeit macht dich verständlich, und Verständlichkeit macht dich gemein. Sollen sich die Leser den Kopf darüber zerbrechen, was der Autor in Wahrheit und wirklich meint! Ich habe mir Dr. Brohh zum Vorbild genommen.

Jetzt bin ich aber auch fertig. Nach dieser Anstrengung meine und denke ich absolut gar nichts mehr. Mein Kopf ist leer, gähnend leer - wie immer, wenn ich gerade einen langen Gedankenfaden bis zum Ende gesponnen habe. Dann schlage ich meinen Laptop zu, manchmal sogar mit einem Schwung.

Aus und Schluss! Ich trommle mit dem Finger auf den Tisch, um mich endlich von mir selbst loszureißen.

Aber nein doch, so schnell geht es denn auch wieder nicht. Das Ganze muss noch an die Redaktion in Frankfurt abgeschickt werden. Also die Adresse schnell eingetippt und auf das Symbol für ‚Senden’ geklickt, ganz oben am linken Rand. Dann bin ich fertig.

Fertig? Das bilde ich mir diesmal nur ein. Der Rechner überrascht mich mit einer verstörenden Meldung.

„Kein Server!“ Was heißt denn das nun wieder? Ich bin heute wohl etwas nervös. So eine Meldung wirft mich ganz aus der Bahn. Am liebsten würde ich meine Faust auf die Tasten knallen. Wenn die Technik streikt, stellen sich bei mir die Haare auf, durchdrehen könnte ich dabei. Die Technik ist für mich nichts anderes als ein Sklave, der Sklave unserer Zeit. Der hat bekanntlich aufs Wort zu gehorchen, sonst wäre er kein Sklave. Es macht mich nervös, es beleidigt mich, es ist eine unerträgliche Zumutung, wenn sich die Technik Eigenmächtigkeiten erlaubt.

„Kein Server“ – das ist doch offene Rebellion!

Ich überprüfe das Internetkabel, immerhin, da ist alles in Ordnung. Dann gehe ich auf Safari und versuche zu googeln, indem ich einen Begriff einsetze. Welchen Begriff? Irgendeinen. Seltsam, dass mir das Wort ‚Belagerung’ in die Finger gerät. Ich stutze. Warum eigentlich seltsam? Jedes Wort ist doch so gut wie das andere. Ich hätte ebenso gut ‚Honigbiene’ eintippen können, das ist ganz einerlei. Der Zufall hat nun einmal gewollt, dass es das Wort Belagerung ist.

Die Entertaste halte ich gedrückt. Das Ding reagiert – nur leider falsch. „Kein Server“ höhnt es zurück.

Jetzt wird mir so richtig heiß – und das, obwohl dieser Tag doch eben erst beginnt.

Da erinnere ich mich. Hatte Elli nicht in ihrer letzten Mail davon gesprochen, dass sie Schwierigkeiten mit dem Internet hätte?

Wien, du enttäuscht mich! Du solltest wissen: Ich komme von draußen. Ich bin Besseres gewohnt und verstehe in dieser Hinsicht absolut keinen Spaß. In dieser Stadt habt ihr die schöneren Fassaden und die höflicheren Menschen - das habe ich von Anfang an zugegeben. Aber wenn es um Technik geht, dann sind wir Deutsche euch doch haushoch überlegen. Bei uns funktioniert einfach alles - zumindest fast alles. Bei uns sitzen Heere von braven Arbeitsbienen in den Büros und sorgen dafür, dass der Geist fliegen kann, ohne von den Bleigewichten einer unbrauchbaren Technik auf den Boden hinabgezogen zu werden. Wie anders bei euch in Wien! Ihr wollt noch viel höher fliegen, aber dann passiert es. Ihr verbrennt euch die Flügel und stürzt einfach ab, wie gerade in diesem Augenblick.

Ich gebe auf, schlage den Deckel meines Laptops ein zweites Mal zu und diesmal wirklich mit zu viel Schwung. Das wäre wieder mal Material für einen neuen Aufsatz: ‚Die Überflieger’ könnte er heißen oder ‚Der Wiener Geist – ein Ikarusphänomen’.

Wien!

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