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Es brodelt in meinem Kopf

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Diese Begegnung ist mir nicht gut bekommen. Jetzt sind schon vierzig Minuten vergangen, ich fühle mich wie ein Fakir, der das erste Mal versucht, auf einem Nagelbett zu schlafen. Die Begegnung mit Tannenberg hat mich noch zusätzlich aufgerührt. Im Grunde ein lieber Kerl, nur leider zu klein geraten und auch nicht gerade schön, da ist man wohl von Natur aus mit Ressentiments voll gestopft.

Aber jetzt reicht es. Keine Sekunde warte ich länger, nicht einmal für die schönste, geistreichste und bezauberndste Frau dieser Welt. Immerhin müsste sie wissen, dass unsereins seine Tage nicht als Müßiggänger verbringt. Ich stehe unter der Fuchtel einer Redaktion, die mich für komprimierten Geist bezahlt, und zwar zeilenweise, nicht für stundenlange Ausflüge zum Heldenplatz und Umgebung.

Na ja, all diese verrückten Sprüche, die einem bei solcher Gelegenheit unzensiert durch den Schädel jagen. Eine Frau, die man liebt, sei wie ein drittes Auge, ein Auge, mit dem man neue Welten erblickt, so habe ich einmal gelesen. Aber das ist nicht wahr. Eine Frau, auf die man wartet, gleicht eher einem Tumor, den man möglichst schnell wegoperieren sollte, bevor er einem das Hirn vergiftet.

Elli, ich gehe.

Im selben Augenblick, da ich mich entschlossen zum Fortgehen wende, weiß ich, dass ich meinen Vorsatz nicht durchhalten werde. Ich bin ja einfältig genug, diese Frau immer noch zu lieben. Schon taucht ihr Gesicht vor meinen Augen auf, schon sehe ich ihr Lächeln. Ich weiß, so sehr ich mich dagegen sträube, werde ich doch weiterhin jede ihrer Vorstellungen besuchen und weitere Artikel über sie schreiben.

Und dann? Nein, so leicht wimmelt man einen Carsten Reddlich nicht ab. Tumor oder drittes Augen, ganz gleich. Ich werde mich unersetzbar machen. Du wirst begreifen, Elli, dass niemand anders so gute Kritiken über dich schreibt wie der tumbe Tor aus Frankfurt am Main.

Es klingelt. Das Handy. Na also. Ich wusste es doch, dass all diese aufgescheuchten Gedanken nichts taugen. Sie wird sich entschuldigen, dass sie sich leider verspäten muss. Schon gut. Ich sehe ja ein, dass es in ihrem Beruf nicht ganz einfach ist, Vereinbarungen einzuhalten. Regisseure zählen heutzutage zu den letzten Monarchen. Herrscher sind das, absolute Herrscher. Gibt es sonst nur noch im Vatikan. Pünktlichkeit, die gilt nur für uns, für Journalisten. Journalismus ist Pünktlichkeit plus Faktenhuberei und eine deftige Portion Sprachalchemie.

„Sorry, Carsten, im letzten Moment ist der Handaufleger dazwischengekommen. Schicke Dir später noch eine Nachricht. Brauche Hilfe fürs Internet. Seltsame Ausfälle. Tschau.“

Also doch eine Abfuhr, habe ich mir fast schon gedacht. Handaufleger? Was hat der Handaufleger mit unserer Verabredung zu tun? Das kann doch nur eine Ausrede sein! Kann mir schon denken, wo dieser Mensch bei Schauspielerinnen gerne die Hand auflegt: Auf die Weichteile natürlich. Wie kann ein Engel wie Elli Koschinsky sich von einem Handaufleger beeindrucken lassen? Sie ist doch intelligent, in ihrer Rolle als Marianne zwischendurch auch böse, sarkastisch und skeptisch. Den Mann werde ich mir aus der Nähe betrachten, möglichst ohne dass sie davon Wind bekommt. Eine gute Gelegenheit sollte das jedenfalls sein, über den Tsunami an esoterischem Geschwätz, der die Köpfe in Wien verdunkelt, selbst den von Hieronymus Brohh, ein paar wirklich ätzende Zeilen zu schreiben. Habe den Titel schon ungefähr im Kopf: „Meister der Finsternis – wie man mit Handauflegen Geld aus der Tasche und die Vernunft aus den Köpfen zieht. “

Jetzt bricht die schlechte Laune vollends über mich herein. Ich würde am liebsten über die Beete mit der ganzen überflüssigen Blütenpracht laufen und sie zertreten.

Lasst mich doch in Ruh mit eurem täuschenden Rosenfrieden! Ich weiß, ihr seid schön, aber was nützt mir das? Eben bin ich von einer Rose gestochen worden. Ich lasse euch hinter mir, ihr werdet ohnehin von nichts gerührt, blüht einfach weiter, da kann es in meinem Kopf noch so toll und noch so düster aussehen.

Jedenfalls weiß ich jetzt, was ich mir für heute Abend vornehme. Ich gehe zu Lisa. Jawohl!

Habe ich Lisa in meinem Bericht schon erwähnt? Ich glaube ja. Jedenfalls habe ich sozusagen ein Verhältnis mit ihr. Wien hatte ich ja schon früher einige Male einen Besuch abstatten müssen, und da hat es sich eben ergeben. Wenn Elli sich mit diesem Handaufleger ergötzt, treibe ich es eben mit meiner Liaison aus früherer Zeit. Eigentlich wollte ich ja mit Lisa Kinsky schon seit längerem brechen, aber jetzt werde ich es mir überlegen.

Wien!

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