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Der gerechte Shōgun Yoshimune (1684 – 1751)

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Der sechste Shōgun, Tokugawa Ienobu (geboren 1662, im Amt 1709 – 1712) war Tsunayoshis Neffe. Er beeilte sich, die Tierschutz-Gesetze seines Vorgängers zu widerrufen und eine große Amnestie zu verkünden. Ienobus Tutor, der berühmte Gelehrte Arai Hakuseki (s. Der Historiker Arai Hakuseki, S. 82), stand hinter mancher menschenfreundlichen, im besseren Sinne konfuzianischen Entscheidung des Shōgun.

Auf Ienobu folgte 1712 als siebter Tokugawa-Shōgun der vierjährige Ietsugu. Wie sein Vater Ienobu war er kränklich veranlagt und starb bereits 1716. Arai Hakuseki und Manabe Akifusa führten de facto die Regierung und gingen 1714 ein schon lange bestehendes Problem an: Die Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktivität um rund 60 % in den letzten 100 Jahren hatte, außer bei Missernten, zu einem Überangebot an Reis geführt, das auf den Preis drückte. Samurai aller Ränge wurden aber auf Reisbasis bezahlt, meistens in einer Mischung aus Bargeld und Reis, für den sie seit langem immer weniger Geld oder Waren bekamen. Ihre kostspieligen gesellschaftlichen Pflichten waren aber die gleichen geblieben, was zu Verschuldung führte. Arai Hakuseki beschwor den kindlichen Shōgun mehrfach, seinen Finanzminister Ogiwara Shigehide zu entlassen, dessen Politik der wiederholten Geldentwertung durch Münzverschlechterung ihm ein Dorn im Auge war.

Einen Monat vor dem Tod des Shōgun hatte Arai Erfolg. Der Abfluss von Edelmetall durch den Handel mit Chinesen und Holländern sollte reduziert, die heimische Produktion von sonst importierten Gütern wie Seide und Arznei angekurbelt werden. Zu diesen merkantilistischen Maßnahmen trat eine Rückkehr zur guten Münze von früher, was den langfristigen und wohl eigentlich nicht erwünschten Effekt hatte, die finanzielle Position der bürgerlichen Kaufleute gegenüber den sozial weit höher gestellten Samurai zu stärken. Das 18. Jh. in Edo gehörte auch kulturell zunehmend den Bürgerlichen, während der Schwertadel mit Einkommensverlusten und Schulden zu kämpfen hatte.

Neben Tokugawa Ieyasu selbst wird der achte Shōgun Yoshimune (1716 – 1745) zu den bedeutendsten im Amt gezählt. Geboren 1684, war er ganz anders als seine drei direkten Vorgänger, die die Bedeutung von neokonfuzianischer Gelehrsamkeit für einen Shōgun und seine Regierung betont hatten. Yoshimune war Samurai durch und durch; und da es im 18. Jh. keine Kriegszüge mehr anzuführen gab, widmete er sich den Kampfkünsten, der Jagd und der Falknerei. Als ehemaliger Fürst von Kii, also Oberhaupt einer der drei Hauptlinien der Tokugawa (die anderen waren Owari und Mito), eilte ihm ein Ruf als Macher voraus. Ienobus und Ietsugus gelehrte Berater Arai und Manabe entließ er sofort, wodurch er den lähmenden Antagonismus zwischen den persönlichen Beratern der alten Shōgune sowie den fünf Mitgliedern des Großen Rats, dem traditionellen Herzstück der Tokugawa-Regierung, aufhob. Die Mitglieder des Großen Rats waren Fürsten aus der Gruppe der fudai, den »inneren« Fürsten, die den Tokugawa schon lange treu gedient hatten. Trotzdem überließ Yoshimune diesen Herrschaften die Regierung nicht allein; er sprach auch mit niederrangigen Würdenträgern, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen, falls ihm dies nicht sein eigener Geheimdienst, die 20 Männer des oniwaban, vermittelte. Seit 1721 ließ er dreimal pro Woche einen Zettelkasten für Verbesserungsvorschläge vor dem Obersten Gericht aufstellen, was den Bürgern von Edo das erste Mal seit langem das Gefühl gab, der Shōgun nehme Anteil an ihrem Los. Durch diese Eingaben erfuhr Yoshimune von Verfehlungen seiner Regierung und konnte einige korrigieren.

Keine Geschichte aus seiner Amtszeit verdeutlicht mehr den Geist der Gerechtigkeit seiner Herrschaft als die von Ōoka Echizen, dem legendären Stadtmagistraten von Edo (s. Edos legendärer Richter Ōoka Echizen, S. 129). Yoshimune revitalisierte die Verwaltung, indem er viele Positionen und mit ihnen verbundene Einkünfte nicht mehr nach feudalen Prinzipien vergab, also lebenslang und oft genug vererbbar, sondern auf Zeit und nur für diese mit den höheren Einkünften versehen – der erste Schritt in Richtung einer regulären Besoldung in einem neuen System, in dem die Begabtesten und nicht die Erbberechtigten gefördert werden. Effektivität und Professionalität hielten in einem gewissen Rahmen Einzug in die Burg Edo. Trotzdem blieben alle Posten in der Verwaltung weiterhin den Samurai vorbehalten. Über Mizuno Shobei, den Yoshimune bis zum Hauptmann der Wache in den Privatquartieren des Shōgun beförderte, erzählt Isaac Titsingh die Anekdote, dass eines Tages beim Shōgun getanzt wurde und einer der Staatsräte den Hauptmann der Wache fragte, ob einer seiner Männer sich mit Musik auskenne. Darauf erwiderte Mizuno: »Meine Männer kennen sich mit militärischen Dingen aus, wie es ihr Beruf erfordert. Von Musik hat keiner eine Ahnung.« Diese professionelle, wenn auch undiplomatische Aussage wurde mit Anerkennung aufgenommen.

Den Großen Rat, der selbst einem Shōgun seinen Willen aufzwingen konnte, ließ Yoshimune in den 1720ern einfach aussterben. Privater und auch staatlicher Luxus wurden bekämpft, wobei Yoshimunes Auffassung von notwendigem frugalen Lebensstil selbst den diesem eigentlich zugeneigten konfuzianischen Gelehrten zu weit ging. Immerhin gelang dem Shōgun dadurch die Rückkehr zur guten Münze binnen vier – nicht 20 – Jahren wie Arai Hakuseki es geplant hatte. Zwar musste 1736 die Gold- und Silberwährung erneut verschlechtert werden, das Prägen großer Mengen von Kupfermünzen stabilisierte die Lage aber langfristig. Hinzu kamen unter Yoshimune bedeutende Reformen im Rechtswesen und bei der Lokalverwaltung, die viele alte Zöpfe abschnitten. Die Staatsfinanzen wurden in den 1740ern saniert, indem Bauern in Westjapan höhere Abgaben zu zahlen hatten – in den Worten des Superintendanten des Finanzwesens, Kan’o Hirahide: »Bauern und Ölsamen sind sich sehr ähnlich: je mehr man sie drückt, desto mehr geben sie her.« Günstigerweise lebten diese Bauern fern der Hauptstadt Edo, der es im Allgemeinen wirtschaftlich gut ging.

Yoshimune verkörperte den Typ des wohlwollenden Tyrannen – er baute seine Macht konsequent aus in der Überzeugung, dass sie, wenn weise eingesetzt, das Beste wäre, was Stadt und Land widerfahren könnte. Die harschen Realitäten des Shōgunats, das letztendlich ein Militärregime war, überdeckte er durch patriarchalische Güte, die ihm Loyalität sicherte. Wiederum Titsingh berichtet, dass einer von Yoshimunes Leibwächtern tief beschämt und beunruhigt war, weil es ihm nie gelang, auf den Jagdexpeditionen seines Herren einen Vogel zu treffen. Dies blieb auch Yoshimune nicht verborgen, und nach einem letzten traurigen Versuch bei der Vogeljagd ließ er bei der Heimkehr den ganzen Zug auf der Neuen Brücke zum Tigertor (Toranomon) zur Burg anhalten. Der Shōgun hieß den unglücklichen Schützen, ihm mit seinem Bogen einen Karpfen im Burggraben zu schießen. Dieser wimmelte nur so von Fischen – der stolze Mann konnte dem Shōgun einen selbst erlegten Karpfen überreichen. An den Ort des Geschehens erinnert heute noch der Name der U-Bahn-Station Toranomon. Dieses Tor war das südlichste, und ist zusammen mit dem äußeren Perimeter der Burg schon vor langer Zeit der städtischen Entwicklung von Tōkyō zum Opfer gefallen.

Der gerechte Shōgun Yoshimune selbst ging 1745 in den Ruhestand. Die letzten sechs Jahre seines Lebens waren aber zunehmend von Krankheit überschattet.

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