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Der letzte der starken Männer des Shōgun –
Ii Naosuke (1815 – 1860)
ОглавлениеAls die Sonnō jōi-Bewegung begann, Gewalt auszuüben, griff die Shōgunatsregierung ab 1858 hart durch. Verantwortlich für diese Repression war der letzte der starken Männer des Shōgunats, Fürst Ii Naosuke (1815 – 1860). Obwohl er nur der vierzehnte Sohn des Fürsten von Hikone war und schon länger in einem buddhistischen Kloster lebte, wurde er 1850 doch noch Nachfolger seines Vaters, nachdem alle älteren Brüder entweder gestorben oder zur Adoption in andere Familien gegeben worden waren. Das kulturell verfeinerte Leben der Klosterzeit prägte Naosuke nachhaltig; er war Meister der Teezeremonie und als Schriftsteller tätig. Ii Naosuke wurde aktiv in der nationalen Politik, die von starken Richtungskämpfen zwischen einzelnen Fürstenfraktionen und Cliquen selbst innerhalb der Familie Tokugawa geprägt wurde. 1858 wurde Ii Naosuke zum Tairō ernannt, eine nur selten besetzte Position, wodurch er der starke Mann in der Regierung war. Die Entscheidung, dass die Ungleichen Verträge mit den USA und anderen zu akzeptieren waren, nahm er auf sich, obwohl er sich zugleich auch von den pro-westlichen Reformern abgrenzte. Viele Gegner wurden aus ihren Ämtern gedrängt.
Ii Naosukes Akzeptanz des Unpopulären, aber Unvermeidlichen machte ihn zur Zielscheibe der Gegner der Landesöffnung und des Shōgunats. Die Vergangenheit und die privaten Leidenschaften Ii Naosukes schienen allerdings so gar nicht zusammenzupassen mit dem Bild des harschen, verhassten Diktators. Wie bei Matsudaira Sadanobu beobachtet man große Abweichungen zwischen den kultivierten persönlichen Interessen Naosukes und dem geharnischten Auftreten als loyale Amtsperson der Tokugawa, was allerdings für Zeitgenossen wohl weniger verwunderlich war als für uns Heutige. Als Samurai und Vasall der Tokugawa sah er sich in der Pflicht, die Politik umzusetzen, die dem Haus des Shōguns langfristig am meisten zu nutzen schien. Wenn dazu die Billigung verhasster ungleicher Verträge und die Exekution unruhiger Elemente gehörte, so musste dies sein; anschließend konnte er sich wieder der Teezeremonie und anderen kulturellen Aktivitäten widmen.
Wie sein illustrer Vorfahr Ii Naomasa, der im Jahre 1602 durch die Folgen einer im Kampf für seinen Herrn Tokugawa Ieyasu erlittenen Wunde sein Leben gelassen hatte, starb auch Ii Naosuke in Pflichterfüllung. Nach nur 20 Monaten seiner »Diktatur«, am 24. März 1860, näherte sich Ii Naosuke frühmorgens in seiner Sänfte mit kleinem Gefolge der Burg Edo, als eine Gruppe von 18 stellungslosen Samurai (rōnin) auf ihn zusprang. Arimura Jisaemon aus Satsuma schlug des Fürsten Kopf ab und entleibte sich selbst an Ort und Stelle. Dies geschah direkt vor dem Sakurada-mon, einem der großen äußeren Tore der Burg. In populären Medien, ob Farbholzschnitte oder Filme, sieht man immer wieder das Bild des roten Bluts, das auf den weißen Schnee vor dem Burgtor tropft und in ihn einsickert.