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Das Bröckeln der Macht –
Von den Tokugawa-Shōgunen Ieyoshi bis Iemochi
ОглавлениеVom 12. bis zum 14. (und vorletzten) Tokugawa-Shōgun setzte sich die Häufung von politischer und körperlicher Schwäche gepaart mit Dekadenzerscheinungen fort. Die Herrscher waren zunehmend abhängig von einer Reihe starker Männer, die für sie regierten und versuchten, Staat und Stadt in den unübersichtlicher werdenden ersten beiden Dritteln des 19. Jhs. im Sinne der Dynastie zu steuern.
Tokugawa Ieyoshi (geb. 1793, Regierungszeit 1837 – 1853), Iesada (geb. 1824, Regierungszeit 1853 – 1858) und Iemochi (geb. 1844, Regierungszeit 1858 – 1866) mussten zunehmend mit ansehen, wie die Politik der Isolierung Japans von der Welt unhaltbar wurde. Durch Chinesen wie Holländer, durch deren übersetzte Bücher sowie durch das Königreich Ryūkyū (die heutige Präfektur Okinawa) gelangten beängstigende Nachrichten über den technischen Fortschritt westlicher Länder und ihr koloniales Ausgreifen in Asien an den Hof in Edo. Neue europäische Mächte setzten sich in Asien fest; besonders russische, amerikanische und britische Schiffe kamen Japan immer näher. Jahrzehntelang rangen verschiedene Denkrichtungen in Japan um die beste Politik: sollte Japan am Alten festhalten und sich verteidigen – notfalls bis zu einer totalen Niederlage – oder sollte es sich vorsichtig zum Westen hin öffnen und technisch modernisieren, aber mit dem Risiko unkalkulierbarer politischer und gesellschaftlicher Umwälzungen? Das Letztgenannte war natürlich Anathema zum traditionellen Denken des Shōgunats.
In der Hauptstadt Edo befand sich das Epizentrum des Konflikts auf zwei Ebenen. In der Burg rangen konkurrierende Fürstenfraktionen um Einfluss und keiner der Shōgune hatte mehr die Kraft alle zu einigen. In der Stadt und auf ihren Straßen gärte es zunehmend. Samurai vor allem aus Westjapan, aber auch aus Mito, einer Hauptlinie der Tokugawa, forderten den Kampf gegen den westlichen Einfluss und ließen immer öfter ihre Klingen sprechen – auf den Straßen von Edo waren täglich Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende Schwerter tragende Samurai unterwegs. Die Obrigkeit versuchte in mehreren Anläufen unter anderem die Hauptstadt wieder stärker unter ihre Kontrolle zu bringen, indem sie abweichende Meinungen und die Bildung von politischen Gruppen verfolgte und gleichzeitig die Zuwanderung zu unterbinden suchte. Doch es nutzte nichts, das Klima beruhigte sich nicht und im Juli 1853 erschien der US-Kommodore Matthew C. Perry mit einer Flottille moderner dampfgetriebener Kriegsschiffe vor Uraga am Eingang der Bucht von Edo. Diese »Schwarzen Schiffe« (kurofune) lösten genauso einen Schock aus wie die Landung von 300 Soldaten. Die Schwäche des Shōgunats, das nominell über eine zehntausende zählende, aber hoffnungslos veraltete Armee gebot, wurde offensichtlich. Man sah sich 1854 gezwungen mit den Amerikanern, und bald darauf auch mit Russen, Engländern und Niederländern Verträge abzuschließen. Die ab 1858 folgende Serie der »Ungleichen Verträge« begünstigte die fremden Mächte einseitig, indem ihnen Häfen geöffnet, die Ansiedlung von Konsuln und anderen Staatsbürgern, allesamt mit exterritorialem Status (also ausgenommen vom japanischen Gesetz), sowie wirtschaftliche und finanzielle Privilegien eingeräumt wurden, die Japaner nicht erhielten.
Damit war die Geschäftsgrundlage des Shōgunats entfallen, denn das Amt bedeutete eigentlich »Militärbefehlshaber zum Niederwerfen der Barbaren«, was zum Ärger vieler konservativ denkender Samurai und auch Bürgerlicher aber nicht einmal ernsthaft versucht wurde. So gingen diese in der Sonnō jōi-Bewegung zusammengeschlossenen »Patrioten« in Opposition zum Shōgunat und richteten ihre Hoffnungen auf den Kaiser. Der Name der Bewegung war zugleich ihr Programm – in Übersetzung: »Verehrt den Kaiser und vertreibt die Barbaren!«
Das Shōgunat geriet so in die missliche Lage, ohnmächtig zwischen den Ansprüchen der mächtigen »Barbaren« und dem Ärger eines bedeutenden Teils der Bevölkerung zu stehen. In Edo selbst wirkte sich die durch den rasant wachsenden Außenhandel steigende Nachfrage nach vielen Gütern preistreibend aus. Einfache Stadtbewohner wie Samurai litten, aber nur den Fürsten wurde geholfen, indem man 1862 ein seit dem 17. Jh. ehern geltendes Prinzip aufgab, dass die ständige (und kostenintensive) Anwesenheit von Frauen und Kindern der Fürsten in Edo verlangte, deren Präsenz so die Loyalität ihrer Männer/Väter in den Provinzen garantierte. Der Massenexodus der Fürstenfamilien mit Zehntausenden von Gefolgsleuten aus Edo gab nicht nur den Gegnern des Shōgunats im Westen und Süden Japans freie Hand, sondern schwächte die Wirtschaft der Stadt nachhaltig. Hungrige Menschenaufläufe plünderten die Häuser reicher Händler aus. Weite Stadtviertel einschließlich Akasaka, Kanda, Azabu, Yotsuya, Shiba und Honjo gerieten phasenweise außer Kontrolle, die Regierung war blamiert.