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VIII

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Laura Ihlow umklammerte mit den Händen die Tasse mit dem dampfenden Tee. Sie saß auf dem Besucherstuhl im Hiddenseer Revier. Sie hatte ein schmales helles Gesicht mit vielen blassen Sommersprossen. Ihre langen rotblonden Haare fielen über die Schultern herab. Einige kräuselten sich leicht. In der Wärme des kleinen Polizeireviers wandelten sich die Eiskristalle in ihren Augenbrauen und Haarspitzen zu kleinen Wassertröpfchen und glitzerten nun im Licht der alten Neonröhre. Damp war überwältigt von der Schönheit der jungen Frau. Alles an ihr schien perfekt zu sein. Er schätzte sie auf Anfang, höchstens Mitte zwanzig. Sie strich sich ein paar feuchte Locken aus der Stirn und wirkte plötzlich nervös. „Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein“, stammelte er. „Ich war nur in Gedanken“, fügte er verlegen hinzu. Nelly Blohm suchte in ihrer Reisetasche unterdessen nach ein paar trockenen Sachen. Durch den langen Weg im tiefen Schnee vom Hochland in Kloster bis nach Vitte war die Kleidung der Frau völlig durchnässt.

Jetzt hielt die Polizistin ein Paar Jeans erst bei sich an und reichte sie dann der jungen Frau. „Mit Schuhen oder Stiefeln kann ich nicht dienen, aber die Hose könnte Ihnen passen. Wir haben ungefähr die gleiche Figur.“

Damp zog sich kurz auf den Flur zurück, damit sich Laura Ihlow umziehen konnte. Nelly Blohm folgte ihm.

„Wie wollen wir vorgehen?“, fragte sie ihn auf dem Flur.

„Na, wie wohl?“, entgegnete Damp. „Wir fragen, was passiert ist. Und dann sehen wir weiter.“

„Wäre es nicht besser, wenn ich als Frau …“

„Noch bin ich hier der Revierleiter, Frau Blohm“, erklärte Damp ärgerlich. Rieder hatte ihm bei so manchem Fall die Wurst vom Brot genommen. Das würde ihm nicht wieder passieren.

„Ich dachte ja nur …“, wandte Nelly Blohm ein, verschreckt von der Reaktion Damps.

Sie gingen wieder zurück ins Zimmer. Die nassen Stiefel lagen auf der Heizung und die klamme Hose hing über dem zweiten Besucherstuhl.

Damp setzte sich an seinen Schreibtisch. Nelly lehnte sich hinter ihm an die Wand.

„Frau Ihlow, erzählen Sie uns erst mal, was passiert ist. Sie kommen also vom Hotel ‚Dornbusch‘? Der früheren Vogelwarte?“

„Genau. Und der Herr Dehne ist seit …“, sie zählte die Tage mit ihren Fingern ab, „ja, er ist seit vier Tagen verschwunden. Er wollte nach Rügen und dort Feuerwerk für Silvester kaufen … und, und, und … nun ist er tot“, stieß sie hervor und begann zu schluchzen. Tränenströme liefen ihr übers Gesicht. Damp schaute zu Nelly Blohm. Sie verstand seinen Blick, ging zu der jungen Frau, legte den Arm um ihre Schultern und versuchte sie zu trösten. „Beruhigen Sie sich“, sagte sie zu Laura Ihlow, die immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Schon auf der „Caprivi“ war Laura Ihlow dem Zusammenbruch nah gewesen, als sie ihren toten Chef identifiziert hatte. „Wie soll ich das nur seiner Frau beibringen“, stieß sie schluchzend hervor. Nelly reichte ihr ein Taschentuch. Mehrmals schnäuzte sie sich, ohne mit dem Weinen aufzuhören.

„Na, das können Sie ruhig uns überlassen. Dafür sind wir da“, meinte Damp besänftigend, stutzte dann aber. „Seiner Frau? Ich dachte, Herr Dehne sei Witwer?“

Laura schüttelte den Kopf. „Nein. Wie kommen Sie darauf?“, fragte sie verwundert.

„Nicht so wichtig … Aber warum ist denn dann seine Frau nicht zu uns gekommen und hat sein Verschwinden angezeigt?“, wunderte sich Nelly.

„Sie wollte ihre beiden Kinder nicht allein lassen …“

„Kinder auch noch?“, warf Damp erstaunt ein. Warum hatte ihm das Malte Fittkau nicht erzählt? Offenbar konnte man sich auf ihn als Informationsquelle auch nicht mehr verlassen.

„Ich glaube, es sind ihre Kinder, nicht seine … äh, ich meine, er ist nicht der Vater“, erklärte Laura. „Auf mich kann man da oben momentan am besten verzichten. Die Gäste hocken meistens in ihren Zimmern. Da muss ich nicht saubermachen. Neue Gäste kommen auch nicht auf die Insel, um deren Ankunft ich mich kümmern muss.“

„Sie sind also die Putzfrau“, meinte Damp.

„Nein“, widersprach Laura Ihlow heftig. „Ich bin die Hausdame im Hotel ‚Dornbusch‘.“ Aus ihrer Stimme klang ein gewisser Stolz. „So eine Art Mädchen für alles. Eigentlich soll ich die Gäste betreuen. Aber bis das Hotel richtig läuft und Geld einspielt, muss ich auch putzen. Ist aber kein Problem für mich. Hauptsache, ich habe eine Stelle.“

Nelly Blohm lehnte sich wieder an das Regal. „Trotzdem bleibt die Frage, warum Sie oder auch seine Frau vier Tage warten, bis sie Herrn Dehne hier als vermisst melden.“

Laura schaute sie an. „Wissen Sie nicht, was los ist?“, fragte sie verärgert. „Wir sind da oben total abgeschnitten. Es liegt über einen Meter Schnee. Wir kommen nicht aus dem Haus. Das Telefon geht nicht mehr, auch nicht die Funktelefone. Das Internet ist tot. Niemand kommt vorbei. Ich habe fast zwei Stunden gebraucht, um hierher nach Vitte zu kommen. Und als ich dann ins Rathaus kam“, ihre Stimme wurde hysterisch, „sagte mir irgendjemand, ich solle mal zum Hafen gehen, da hätten sie einen Toten entdeckt … Und dann …“ Sie konnte nicht weiterreden, ein erneuter Weinkrampf schüttelte sie.

Harter Ort

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