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Einleitung

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»Was wollt ihr mit dieser Erleuchtung? Seid doch einfach, wie ihr seid. Erleuchteter geht’s nicht.«

Ramesh Balsekar, indischer Mystiker

Ich habe alles ausprobiert: Yoga, Gurus, Schweigen, Umarmen, Klöster, Tanzen, Nicht-Denken, Hypnose, Schreien, Heulen, Achtsamkeit. Ich fastete sogar für vierzig Tage. Ich probierte alle möglichen Religionen, versuchte es mit Astrologie, Dehypnotherapie und bewusstseinserweiternden Drogen, las Regale voll spiritueller Bücher und tobte mich an Tai Chi, Stillsitzen, Zeitlupen-Bewegung, Gebeten, Singen, Trommeln, Lachen, Auf-einem-Bein-Stehen, Gebären und Männer-Initiation aus. Ich lebte sogar eine Zeitlang wie Buddha.

Ich steckte Unmengen an Zeit, Geld und Energie in meine spirituelle Entwicklung und kam in vielen Bereichen doch keinen Schritt weiter. Ich brüllte weiterhin meine Eltern an, war anderen gegenüber sarkastisch, litt unter deren Urteilen über mich und schämte mich für mich selbst. Es dauerte Jahre, bis ich herausfand, woran das lag.

Der Antrieb meiner Sinnsuche war nicht, den Mittelpunkt der Erde oder irgendwelche weltbewegenden Weisheiten zu finden, sondern den Kern des Menschen. Meinen Kern. Es war die Suche nach dem Abenteuer, die mich mein gewohntes Umfeld, meine Glaubenssätze und meine sozialen Netzwerke verlassen ließ, um mich auf die Suche nach mir selbst zu begeben.

Es ist nicht so, dass mir Meditation leicht fiele. Ich wurde auch nicht auf einer Yogamatte geboren und mit Weisheit gefüttert. Ich wuchs in einer ganz normalen Familie auf, die nichts mit Karma, Erleuchtung oder sonstigem Hokuspokus zu tun hatte. Bis heute finde ich einen großen Teil der spirituellen Welt affig. Ich gehöre auch nicht zu den Menschen, die fünfmal am Tag meditieren oder spirituelle Lebensweisheiten und kitschige Naturbilder auf Facebook posten.

Trotzdem gibt es ein paar Übungen und Erkenntnisse aus dieser transzendenten Welt, die für mich von immenser Bedeutung waren. Genau diese fruchtbringenden Formen der Meditation und Spiritualität will ich in diesem Buch beschreiben und das Sinnlose nach Möglichkeit weglassen.

Meine spirituellen Erfahrungen brachten mir manchmal berauschende Glücksmomente, Wunschlosigkeit, unbestechliche Klarheit und wunderbare Einsichten. Und mittendrin fand ich genau das, wonach ich – ohne es wirklich zu wissen – gesucht hatte: Ausgeglichenheit, Harmonie, Ruhe und Gelassenheit.

Leider hielt die Klarheit nie an, das Glück wurde von Langeweile gefressen und die Einsichten verpufften wie Räucherstäbchen im Sturm. Ein Grund dafür wird wohl gewesen sein, dass mir eine vernünftige Einweisung fehlte; eine strukturierte psychologisch-spirituelle Anleitung, die mir sagte, welche Meditation für mich Sinn macht, welche Schrittfolge die richtige ist. Erst durch jahrelange Trial-and-Error-Versuche lernte ich, das Wirrwarr des spirituellen Dschungels zu navigieren.

Diese Irrwege möchte ich Ihnen gern ersparen. Deswegen versuche ich, Ihnen mit diesem Buch den Leitfaden durch die abenteuerliche Welt der Meditation zu geben, der mir selbst fehlte.

Dieses Buch ist in fünf Hauptabschnitte gegliedert – fünf verschiedene Wege zur Spiritualität, die Sie in Ihrer eigenen Reihenfolge beschreiten können:

1 Der mentale Weg – spirituelle Entwicklung über den Kopf; zum Beispiel Schweigemeditation.

2 Der körperliche Weg – spirituelles Reifen über den Körper; zum Beispiel Yoga.

3 Der schnelle Weg – schnelle, aber oberflächliche Veränderungen, die nicht lange anhalten; zum Beispiel Hypnose.

4 Der transformative Weg – spirituelle Erfahrungen, die wir durch unsere Anpassungsfähigkeit machen; zum Beispiel in einer alternativen Gemeinschaft.

5 Der natürliche Weg – spirituelle Weisheit, die wir im Laufe des Lebens ansammeln; zum Beispiel durch Reisen.

Sie können die Kapitel chronologisch lesen oder frei nach Wahl springen. Das macht keinen Unterschied. Allerdings ist es für Ihren persönlichen Prozess später wichtig, dass Sie nicht zu einem »Seminar-Hopper« werden. Wenn Sie verschiedene Wege ausprobiert und die passende Meditation für sich gefunden haben, bleiben Sie dabei.

Die Struktur der fünf Wege dient der besseren Orientierung und Übersicht. Natürlich überschneiden sich die einzelnen Methoden. Es gibt keinen Königsweg und keine perfekte Reihenfolge. Idealerweise erkunden Sie im Laufe der Zeit alle fünf Wege. Und so werden Sie am Ende ganz natürlich Ihren ganz persönlichen Weg finden.

Das Eintauchen in die Welt der Meditation war für mich ein bisschen so, als würde ich zum ersten Mal Gitarre spielen. Ich stürzte mich darauf voller Begeisterung. Aber um die Gitarre richtig zu erlernen, brauche ich nicht nur Anfangseuphorie, sondern auch eine gewisse Disziplin und Beständigkeit. Ich muss Noten, Rhythmus und Griffe lernen. Ich muss verstehen wollen, wie die Gitarre funktioniert und was sie in mir auslöst.

Und wenn mich das Gitarren-Fieber einmal richtig gepackt hat, will ich nur noch Gitarre spielen – weil mich nichts anderes so glücklich macht. Ich würde eine Band gründen, meinen alten Job aufgeben, mit der Gitarre um die Welt reisen und irgendwann ein ziemlich guter Musiker werden. Und glücklich obendrein.

Legte ich die Gitarre allerdings für längere Zeit beiseite, müsste ich fast wieder von vorn anfangen. Das ist die Krux bei jedem Musikinstrument – und bei der Meditation erst recht. Erst ein wirklich geübter Gitarrenspieler kann sich eine längere Pause leisten und trotzdem sofort wieder losrocken.

Wer sich vollkommen der Meditation verschreibt, wird irgendwann – genau wie der Gitarrenspieler – sein Leben verändern, durch die Welt ziehen, sich mit anderen Meditierenden und Spirituellen zusammentun und plötzlich gar nicht mehr so leben, wie es seine Familie und Freunde von ihm erwarten. Dieser Prozess kann ziemlich schmerzhaft sein. Aber für viele ist das Glücksgefühl, ein eigenes, individuelles Leben jenseits gesellschaftlicher Erwartungen zu leben, ein erträglicher Preis für den Verlust der alten Welt.

Dieses Buch ist kein Selbsthilfebuch. Sie finden hier auch keine Rezepte, wie Sie zur Erleuchtung gelangen oder ins Nirvana kommen. Sie werden hier andere Dinge lesen als bei den berühmten Meistern. Das liegt daran, dass ich kein Meister bin.

Stattdessen werde ich in den nächsten Kapiteln die wichtigsten Meditationen aus meiner persönlichen Erfahrung beschreiben und genau erklären, wie sie funktionieren, was sie bringen und was Sie dafür tun müssen. Sie können dann entschieden, ob das etwas für Sie wäre oder nicht.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch Umwege, spirituelle Fallen, Geldverschwendung, die Scheinheiligkeit und das Gequatsche von Pseudo-Spirituellen ersparen – das sind nämlich die größten Fallen bei der persönlichen Entwicklung. Um das Instrument Spiritualität zu erlernen, müssen Sie sich weder in einen typischen Meditationsjünger verwandeln, noch zu allem »Namaste« sagen oder sich in bunte Togen schmeißen. Sie können einfach genau so sein, wie Sie sind.

Möglicherweise haben Sie schon Erfahrung in diesem Bereich gesammelt. Dann hilft Ihnen dieses Buch vielleicht, Ihre Spiritualität auszuweiten und sich selbst und anderen besser und sachlicher zu erklären, warum Sie sich dafür interessieren.

Außerdem könnten Sie dieses Buch jemandem schenken, der mit »so was« bisher nichts zu tun haben wollte – dem ein bisschen Meditation aber unendlich guttun würde. Vielleicht haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht wie ich – sobald Sie anfangen, von Ihren spirituellen Interessen und Lehrern zu sprechen, hört keiner aus Ihrem direkten Umfeld zu. Wenn die Information jedoch von einer fremden, zuverlässigen und bodenständigen Quelle kommt, hören sogar Eltern und Geschwister aufmerksam zu. Dieses Buch könnte eine solche Quelle sein und Ihnen die ewigen Rechtfertigungen dafür ersparen, warum Sie schon wieder meditieren, fasten, keinen Alkohol trinken, kein Fleisch essen oder nach Indien fahren.

Spiritualität ist für viele mit einem Stigma behaftet. Aber sind es nicht Fragen, die uns alle zutiefst betreffen? Wie sollen wir in unseren Leben mit überwältigender Freude und unerträglichem Leid klarkommen? Dürfen wir uns in extremen Situationen nicht nach Halt sehnen, einem heiligen Ort oder einem Ritual?

Nach Halt habe ich mein Leben lang gesucht. Und genau das habe ich gefunden. Diese Suche ist nichts, wofür wir uns schämen müssten, sondern etwas, das uns menschlich macht. Es ist die Suche nach etwas, das die Geschichte der Menschheit begleitet. Klingt hochtrabend – ist aber so.

Vielleicht kann dieses Buch dazu beitragen, dass wir uns irgendwann nicht mehr ständig für unsere spirituelle Ader entschuldigen müssen.

Im Idealfall sind Sie nach der Lektüre auf dem Weg, ein bisschen geschmeidiger durchs Leben zu gehen. Sie werden nach diesem Buch kein Virtuose sein, aber sie werden einen guten Überblick und einen ersten Eindruck von der spirituellen Welt haben. Sie können sozusagen bei der Gitarrenmusik mitsingen.

Und keine Angst: Sie müssen hier keine blöden Übungen machen, Urin trinken, Kontaktlinsen für Ihr drittes Auge kaufen, ein Schamanen-Süppchen kochen oder sonstigen Hokuspokus vollführen.

Sie können einfach dieses simple Buch lesen und schauen, was für Sie passt. Der Rest geschieht ganz automatisch. Willkommen auf Ihrer Reise!

Meditiere ich noch oder schwebe ich schon?

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