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8. Sensationen über Sensationen

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Zu all den bisherigen Berichten fehlten Fotos und handfeste Belege. Sie waren entweder von zweifelhafter Qualität oder aus irgendeinem Grund nicht mehr aufzufinden, wie im Falle der russischen Expedition, nach der sie in den Wirren der Revolution 1917 verschwunden sein sollen. Den scheinbar hieb- und stichfesten Beweis lieferte im Jahr 1955 ein Franzose, dessen Name in Bezug auf die Arche-Noah-Suche der berühmteste werden sollte: Fernand Navarra. Sein Buch19 erschien in den 1970er-Jahren auf Deutsch und ich erhielt es auf einer Tagung von einer älteren Dame. Sie hatte erfahren, dass ich mich mit der Arche-Forschung beschäftigte. Eigentlich wollte sie es wegwerfen, um ihre Nachkommen einmal vor »Lügengeschichten« – wie sie dick auf die erste Seite geschrieben hatte – zu schützen. Sie dachte dann aber, es könnte mir vielleicht nützen. In der Tat, denn ich kann nun daraus zitieren, wie Navarra die Entdeckung der Arche beschreibt. Der Durchbruch gelang angeblich auf einer Expedition, die er allein mit seinem elfjährigen Sohn Rafael vornahm:

»Nach einer halben Stunde hatte ich erst ein Loch von 50 qcm geschlagen, das ungefähr 20 cm tief war. Dann erschien unter der Eiskruste das Wasser. Und im Wasser das Ende eines schwarzen Balkens ... Ich traute meinen Augen nicht und betastete ihn, ich grub meine Nägel hinein; hätte ich mit meinem Mund darankommen können, ich glaube, ich hätte hineingebissen, so sehr fürchtete ich, abermals das Opfer eines Trugs zu werden. Aber ich träumte nicht; was ich mit meinen klammen Fingern in dem eisigen Wasser berührte, das war wirklich ein Stück Holz, und zwar nicht von einem Baumstamm, sondern ein behauener Balken … Mir war die Kehle zugeschnürt, ich hätte weinen, ich hätte auf die Knie niederfallen mögen, um Gott zu danken, dass er mir den Erfolg geschenkt hatte. – Nach der grausamsten Enttäuschung verspürte ich nun die Freude meines Lebens. Ich hielt meine Freudentränen gewaltsam zurück, um zu Rafael hinaufzuschreien: ›Ich habe Holz gefunden!‹ In keiner Weise verwundert rief er zurück: ›Beeil dich und komm zurück, ich friere ...‹ Ich versuchte den Balken loszubekommen, brachte es aber nicht fertig, auch nicht, als ich die Öffnung im Eis vergrößert hatte. Der Balken musste sehr lang sein, vielleicht stand er noch in Verbindung mit anderen Teilen des Gerippes. Um das Ganze freizulegen, wären ganz andere Geräte nötig gewesen als jene, die ich zur Hand hatte. Außerdem hätte man dazu mehr Leute und viel mehr Zeit gebraucht. Ich begnügte mich also damit, ein Stück von anderthalb Meter Länge von der freiliegenden Partie abzutrennen. Als ich es aus dem Wasser herausnahm, wunderte ich mich über sein Gewicht. Es war bearbeitet worden, das sprang in die Augen. Seine Kompaktheit war bemerkenswert; das Liegen im Wasser hatte seine Fasern nicht so sehr aufquellen lassen, wie man hätte annehmen müssen. War das die Wirkung des Teers? Ich machte eine erste Serie von Foto- und Filmaufnahmen, dann ging ich zum unteren Ende der Leiter zurück. Dort befestigte ich das Balkenstück am Seil und ließ es liegen, denn Rafael sollte die Freude haben, es heraufzuziehen. Das andere Ende des Seils in der Hand erklomm ich die Leiter. Wieder am Rand der Spalte, filmte ich meinen Sohn, wie er das älteste Wrackstück der Welt bis vor unsere Füße heraufzog ... Es war 7 Uhr morgens, am 6. Juli 1955.«20

Im Jahr 1969 gab es noch eine letzte Expedition mit Navarra:

»Mithilfe eines am Bohrgestänge befestigten Jagdmessers gelang es Navarra, etwa ein Dutzend kleiner Holzfragmente zutage zu fördern. So fand die SEARCH-Expedition 1969 ihren erfolgreichen Abschluss.«21

Arche-Experte Bill Crouse, der jahrelang regelmäßig einen »Ararat-Report« herausgegeben hat, befasste sich eingehend mit dem Fall Navarra und befragte in der Türkei beteiligte Personen persönlich. Er schrieb mir: »Als ich 1984 am Berg Ararat war, sprach ich mit einem Kurden, der ihm geholfen hat, alte Eisenbahn-Schwellen auf den Parrot-Gletscher zu tragen. Angeblich stammten sie von einer durch die Russen während des Ersten Weltkrieges gebauten Eisenbahnlinie.«22 Die Datierung anhand veralteter Techniken hält Crouse für fragwürdig. Eine C-14-Bestimmung sei zunächst nicht vorgenommen worden. Dies bestätigt auch das Buch von Balsiger und Sellier23, wogegen Rafael Navarra in einer Fernsehsendung behauptet: »Untersuchungen nach der C-14-Methode haben ein Alter von 4900 Jahren ergeben«24. Ist die Erinnerung verblasst oder durchschaut man selbst nicht mehr seine »Lügengeschichten«? Crouse jedenfalls unterstellt Navarra vorsätzlichen Betrug, den er zusammen mit seiner Frau inszeniert habe. Diese soll ihm dann auch geholfen haben, seine Geschichte in Büchern zu vermarkten. Die Navarras hätten Schulden gehabt und hier eine Chance gewittert. Rafael Navarra hält er für ein Opfer des Betrugs, da er damals von seinen Eltern nicht eingeweiht worden sei und die Funde immer noch für echt halte. Im Fernsehinterview sagt Rafael:

»Glauben Sie mir: Ich wünschte, dass dies das Holz der Arche wäre. Dann hätte man einen Beweis für die Wahrheit der Bibel. Darum geht es.«25

Vater Navarra habe – so Bill Crouse – den amerikanischen Arche-Forschern unterschiedliche Versionen seiner Geschichte erzählt und gezielt versucht, die genaue Stelle seines Fundes zu verheimlichen.


Auffällige Positionsveränderungen beim Bergen des »Arche«-Holzes.

Eine detaillierte Chronologie des Auffindens des Balkens durch Navarra und seinen Sohn im Jahr 1955 lässt zusätzliche Zweifel aufkommen, dass die erzählte Situation plausibel ist.

Eine Analyse seines Buches ergibt folgenden Ablauf26:

1. Abstieg in die Gletscherspalte durch Fernand Navarra mit Entdeckung des Holzes, er fotografiert den Fund.

2. Schnee fällt, Vater und Sohn suchen Schutz in einer nahegelegenen Eisgrotte für 13 Stunden, danach liegen dreißig Zentimeter Neuschnee.

3. Fernand geht wieder hinunter und ist enttäuscht, statt der Arche findet er nur Schutt. Dieser Abstieg wird vom gegenüberliegenden Rand der Gletscherspalte gefilmt und fotografiert.

4. Navarra schlägt ein zwanzig Zentimeter tiefes Loch ins Eis und kann ein 1,5 Meter langes Stück Balken von einer Holzstruktur abtrennen.

5. Am Fundort im Innern der Gletscherspalte macht Navarra Film- und Fotoaufnahmen.

6. Er befestigt den Balken am Seil und nimmt das andere Ende mit hoch, damit Rafael den Balken heraufziehen kann.

7. Fernand filmt vom gegenüberliegenden Spaltenrand (im Gegensatz dazu gibt Rafael im Film an, er habe das gefilmt). Rafael zieht Balken hoch.

8. Fernand kommt mit dem Balken am Rand der Gletscherspalte entlang. Hier muss wieder Rafael gefilmt haben.

Auch wenn die Navarras mehrere Filmkameras und Fotoapparate dabei hatten27, scheint es sehr unglaubwürdig, dass die beiden angesichts des spektakulären Fundes unter schwierigen Bedingungen auf etwa 4200 Metern nichts Besseres zu tun hatten, als jeweils die beste Einstellung auszusuchen, um die Bergung festzuhalten. Ging man bewusst das Risiko ein, lieber ausgiebig zu filmen, anstatt sich gegenseitig an der Gletscherspalte zu sichern? Im Interview erzählt Rafael Navarra, er habe sich gefragt: »Was, wenn er nun in die Gletscherspalte fällt und da unten bleibt, trotz seines Sohnes, der oben auf ihn wartet?«

Alles in allem wäre die Aktion geradezu irrsinnig fahrlässig gewesen – außer sie wurde in deutlich geringerer Höhe inszeniert. »Die Expedition, die vier Tage dauert, wird rasch zur Qual«, heißt es in der ZDF-Dokumentation28, in der Navarras Interview gezeigt wird – trotzdem gelangen den Navarras eindrückliche Filmaufnahmen, die diese Strapazen festhielten. Das ist doch sehr merkwürdig.

Das Rätsel der Arche Noah

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