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Arche made in China

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Schon lange gab es nicht mehr so viele und auch kaum so spektakuläre Meldungen über die Suche nach der Arche Noah wie im Jahr 2010. Ein chinesisches Team mit der Bezeichnung »Noah's Ark Ministries International« (NAMI) veröffentlichte Fotos und Videos von einem sensationellen Fund auf dem Berg Ararat: War nun endlich der unwiderlegbare Beweis für die wörtliche Auslegung der biblischen Sintflutgeschichte gefunden?


Eine Rekonstruktionsgrafik der »Arche«, mit der NAMI die Fundsituation belegen wollte.

»Arche Noah am Ararat gefunden«, schrieb die Bild-Zeitung am 27. April

2010, und auch die Welt, National Geographic und einige weitere Medien berichteten über den angeblichen Fund einer chinesisch-türkischen Forschergruppe in etwa 4000 Metern Höhe. Die Nachricht schien für alle bibelfesten Christen sensationell: Es gab ein Video, verschiedene Fotos aus dem »Inneren der Arche« sowie ein auf ein Alter von 4800 Jahren datiertes Stück Zypressenholz.29

Bemerkenswert war die geringe Resonanz ausgerechnet in den christlichen Medien. Und dort, wo es sie gab, herrschte eher Skepsis – allerdings nicht nur dem Fund gegenüber, sondern der biblischen Überlieferung insgesamt: Das Schweizerische Katholische Bibelwerk lehnte die Sensationsmeldung als »ausgemachten Blödsinn« mit der Begründung ab, ein mythisches Schiff könne nicht gefunden werden.30

In den Kreisen der Schöpfungsforschung rund um den Globus wurden schon bald Fragen gestellt und auch ich selbst beschäftigte mich eingehend mit den Zweifeln, die aufkamen:

• Warum wurde die C-14-Datierung ausgerechnet im Iran vorgenommen?

• Warum waren Filmemacher anstatt Wissenschaftler im Entdeckerteam?

• Lassen die geologischen Bedingungen am Fundort – der übrigens vorerst geheim gehalten wurde – die jahrtausendelange Konservierung der Arche Noah zu?

• Sind Stroh, Spinnweben und Spuren von Holzwürmern, die auf den Fotos zu erkennen sind, am Fundort denkbar?

• Wurden die Fotos tatsächlich an der angegebenen Stelle aufgenommen?

• Welche Motivation hatten die Teammitglieder?

Wegen dieser und weiterer Ungereimtheiten blieben die Stellungnahmen von Organisationen wie »Wort und Wissen«, »Answers in Genesis« oder »Associates for Biblical Research« skeptisch. Auch Noahsarksearch.com listete neben der Webseite der christlichen Organisation »Noah’s Ark Ministries International Limited« (NAMI) aus Hong Kong entsprechende Fragen auf. Nicht zuletzt berichtete die Zeitschrift Factum – in Rücksprache mit mir – am 28. April differenziert über den Fall.

Schon bald kristallisierte sich heraus, dass vor allem ein Mann sehr starke Vorbehalte gegenüber dem Fund der chinesischen Gruppe hatte: Dr. Randall Price, Archäologe und Präsident der »World of the Bible Ministries«.31 Price selbst war (und ist auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt) in mehrere Arche-Expeditionen involviert und gehörte nach eigenen Angaben zeitweise auch zum NAMI-Team. Nun lag natürlich einerseits der Verdacht nahe, er könnte seinen Konkurrenten den Erfolg auf dem Ararat missgönnen. Andererseits geht er in seinem am 22. November 2010 veröffentlichten 33-seitigen »Special Report«32 ausführlich auf seine Beweggründe ein, bevor er zahlreiche Beweise gegen die »Made-in-China-Arche« vorlegt: »Die Wahrheit kann nicht von einer Lüge unterstützt werden«33 – wenn der Anspruch formuliert werde, man habe die Arche gefunden, müsse diese Behauptung wissenschaftlich überprüft werden können. Er wolle verhindern, dass die Öffentlichkeit durch immer wiederkehrende Falschmeldungen und Betrügereien künftige Funde zur Bestätigung der Bibel nicht mehr ernst nimmt. Nach dieser Klarstellung seiner Motivation präsentiert er dem Leser seines Reports die Geschichte der Arche-Entdeckung durch NAMI aus seiner Sicht.

Dreh- und Angelpunkt der Arche-Entdeckung sei demnach ein kurdischer Bergführer und Unternehmer mit dem Namen Ahmet Ertugrul, der unter dem Spitznamen »Parasut« bekannt ist. Dieser hatte wohl schon im Juli 2008 verkündet, die Arche Noah auf dem Berg Ararat gefunden zu haben. Damals war ein chinesisch-amerikanisches Team unter Beteiligung von Dr. Price bereits auf der Suche nach der Arche und stützte sich dabei auf Satellitenbilder und Augenzeugenberichte. Gegen ein Entgelt von 120.000 € versprach Parasut, den Forschern Fotos zu zeigen und sie anschließend zu seinem Fund zu führen. Bereits zum Betrachten dieser Bilder sollten die Forscher aber in die Türkei reisen und einen Vorschuss überweisen. Ein Verschicken der Bilder über das Internet sei Parasut zu unsicher, ließ er über eine Mitarbeiterin ausrichten.

Da Randall Price und sein amerikanischer Kollege, der Geologe Dr. Don Patton, die Bilder für wenig überzeugend hielten, brach Parasut den Kontakt zu ihnen ab und arbeitete fortan nur noch mit den chinesischen Team-Mitgliedern zusammen. Nach einigen vorgeblichen Schwierigkeiten gelangte das NAMI-Team unter Leitung von Parasut im Oktober 2009 zur Fundstelle und ging mit den Ergebnissen im April 2010 an die Öffentlichkeit.

Schon kurz nach Bekanntwerden des Fundes gelangten interne Äußerungen von Dr. Price an die Öffentlichkeit, in denen er Parasut unterstellte, die angebliche Arche in betrügerischer Absicht selbst im Gletschereis des Ararat installiert zu haben. Kurz darauf bestätigte er diesen Verdacht öffentlich und untermauerte ihn mit Belegen. Im November 2010 schließlich, nachdem er im Sommer selbst eine weitere Expedition auf den Ararat unternommen hatte, legte er den ausführlichen »Special Report« vor.

Gemäß eigenen Aussagen gelang es Price, im Ararat-Gebiet einige kurdische Arbeiter ausfindig zu machen, die Parasut bei der Durchführung seines Arche-Projekts geholfen haben wollen. Mit Lastwagen, Maultieren und schließlich zu Fuß hätten sie etliche Holzteile auf den Berg geschafft, um daraus zwischen Felsen und Gletschereis eine »Arche« zu erbauen. Im Glauben, dass es sich um die Kulisse für Filmaufnahmen handelte, waren die Arbeiter froh über diesen Auftrag. Erst nach der Bekanntgabe des Fundes seien einige der Arbeiter verblüfft gewesen, dass man die Stelle als Fundort der »richtigen Arche« ausgab.

Im Auftrag von Parasut und mehrerer Komplizen hätten 30 Arbeiter schon eineinhalb Jahre zuvor mit dem Bau der Arche begonnen. Für die Errichtung der Konstruktion seien Schnee und Gletschereis weggeschmolzen worden, damit es nach einigen Monaten den Anschein erwecken würde, das künstlich gealterte Holz befinde sich schon seit langer Zeit im Eis. Kurz vor der NAMI-Expedition wären demnach die letzten Feinheiten erledigt worden, zum Beispiel wurden Stroh und Getreidesamen am Fundort platziert. Allerdings sind wohl nicht alle Fotos, die später präsentiert wurden, auf der Expedition entstanden. Einige habe Randall Price schon 2008 gesehen und augenscheinlich wurden sie an anderer Stelle aufgenommen. Auch das analysierte Stück Holz stamme von anderswo.

Mithilfe eines kurdischen Arbeiters gelang es zwei Mitarbeitern von Randall Price, zur NAMI-Fundstelle zu gelangen. Die installierten Räume waren durch die Bewegung des Gletschers und durch Felsstürze inzwischen unzugänglich geworden. Don Patton fand jedoch ein Stück Holz, eindeutig ein auf alt getrimmtes modernes Brett – im Report sind Fotos davon zu sehen. Der »Fundort« soll sich an den Koordinaten 39.6876N, 44.2874E sowie 39.6877N, 44.2877E befinden.34

NAMI hatte auf ihrer Internetseite schon im Frühjahr 2010 auf die Anschuldigungen von Randall Price reagiert. Sie behaupteten, es sei nicht möglich, so viel Baumaterial in große Höhen zu transportieren. Auch auf dieses Argument geht Price in seiner Schrift ein, indem er Bilder von einem Generator zeigt, den sein eigenes Team zum Gipfel transportiert hat und der »mehrere hundert Pfund wiegt«35.

Im Dezember 2010 war allerdings auf der NAMI-Internetseite eine Stellungnahme zu den massiven Vorwürfen zu finden: Die von Price und Patton identifizierte Fundstelle sei falsch, der kurdische Arbeiter aufgrund seiner Anonymität unglaubwürdig. Die Motivation der Gegner wurde infrage gestellt und die Reputation von Patton angezweifelt. Darüber hinaus wurde auf die einzelnen Kritikpunkte und Fragestellungen nicht eingegangen. NAMI versprach, »in naher Zukunft weitere Informationen über die Entdeckung zu veröffentlichen«.36 Seither wurde jedoch nichts weiter unternommen, als DVDs zu produzieren, die im asiatischen Raum verkauft werden. Inzwischen kann der Film mit deutschen Untertiteln auf Youtube angeschaut werden.37 Ein neues Buch des dänischen Autors Henri Nisson beruft sich ebenfalls auf den zweifelhaften Fund.38 Auch in Deutschland wurde von einzelnen Personen die neue Sensation als Bestätigung der biblischen Glaubwürdigkeit eine Zeit lang in die Gemeinden getragen.

Es ist traurig und für das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Bibel äußerst schädlich, wenn sich wieder einmal eine vermeintliche Sensation als Falschmeldung herausstellt. Meine anfängliche Skepsis hat sich bestätigt und wohl kein Bibelwissenschaftler wird dem NAMI-Fund Glauben schenken können. Ich bedaure sehr, dass solche Fälschungen nicht nur viele Christen verwirren, sondern auch zu Todesopfern führen können, wie die Meldung des vermissten Briten Donald Mackenzie zeigte39. Dieser 47-jährige Abenteurer hatte sich im Herbst 2010 im Alleingang zum Ararat aufgemacht, um die Arche zu finden – seither ist er verschollen. Der Aufwand an Zeit, Geld und persönlichem Einsatz ist also nach wie vor sehr hoch – zu hoch!

Eine berühmte Arche-Sucherin ist Donna D’Errico, Darstellerin in der Fernseh-Serie »Baywatch« und – zum christlichen Glauben bekehrtes – Playmate des Monats September 1995. Im Jahre 2012 erlebte sie auf dem Ararat einen Absturz, nachdem sie eine Fundposition des angeblichen Augenzeugen Ed Davis untersuchen wollte. Sie konnte ihre Aktion gut vermarkten, doch dies war weniger ein wissenschaftliches Unternehmen als ein – gefährliches – Abenteuer. Im August 2013 war sie noch einmal auf dem Berg, doch außer einer Erkältung und Verletzungen bei ihren Begleitern blieb die Suche ohne Ergebnis. In einem Facebook-Kommentar schrieb sie: »Der Widersacher möchte nicht, dass die Arche gefunden wird«40.

In seinem Report über die China-Arche berichtete Randall Price auch über die Expedition seines eigenen Teams »Ark Search LCC« unter der Leitung von Dr. Richard Bright: Mittels Bodenradar-Untersuchungen habe man eine große, offensichtlich von Menschen gemachte Struktur identifiziert, bei der es sich um Holz handeln könnte. Der Fundort liege auf 5100 Metern Höhe. Inzwischen hatte das Team einen tiefen Schacht ins Eis gegraben und soll sich nur noch wenig über der vermeintlichen Struktur befunden haben. Price war Anfang 2013 optimistisch: »Im fünften Jahr wird die Expedition mit einer Erkundungsbohrung beginnen, um die genaue Tiefe zu bestimmen, in der die Konstruktion liegt, und um Bohrproben zu erhalten, die dann untersucht werden können, um das Alter der Konstruktion zu ermitteln. Darauf folgt eine neue 3-D-geophysikalische Untersuchung, um den genauen Ausgrabungsplatz festzulegen und ausgehend von den bisher gesammelten Daten die Konstruktion auf Bildern so genau wie möglich darzustellen.«41


Randall Price bei einer Israel-Konferenz 2009 in Deutschland

Wie Randall Price während eines Vortrages in Deutschland erzählte, konnten 2012 anhand von Daten, die über einen Spionagesatelliten gewonnen wurden, die genauen Stellen ermittelt werden, an denen die Forscher dann ins Eis gruben. Price zeigte Bilder von Holzsplittern, die einem Bohrkern entnommen wurden. Die Datierung eines der Splitter habe das 16. Jahrhundert n.Chr. ergeben. 2013 gab es wohl keine weiteren Ergebnisse. Der ausgehobene Schacht wurde nach dem langen Winter aufgefüllt vorgefunden. Ich halte Randall Price für einen ernsthaften Bibelwissenschaftler und schätze besonders seine biblisch fundierten Ausführungen über Israel. Doch per Handzeichnung weitergegebene Satelliteninformationen, in letzter Minute von Helfern aufgefundene Holzsplitter sowie sehr interpretationsbedürftige Radardaten lassen zumindest Raum für gewisse Zweifel an der Integrität aller Mitglieder des Forschungsteams und der Zuverlässigkeit der zugrunde liegenden Daten.

Randall Price jedenfalls hofft, dass das Auffinden der Arche ein wichtiger Hinweis sein könnte: »Heute ist diese ›Arche‹ Jesus Christus. Er ist der einzige Weg zur Erlösung und die einzige Möglichkeit, vor dem kommenden Gericht Gottes in Sicherheit gebracht zu werden.«42 Allerdings ist für mich fraglich, ob ein solcher Beweis für Skeptiker wirklich überzeugend wäre – heißt es doch in 2. Petrus 3,3 unter Hinweis auf das Ereignis der Sintflut (Vers 6), »dass in den letzten Tagen Spötter mit Spötterei kommen werden, die nach ihren eigenen Begierden wandeln«. Könnten die Menschen im Angesicht einer wahrhaften Arche aus dem Eis noch spotten? Vielleicht.

Das Rätsel der Arche Noah

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