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2.Art. 87a Abs. 2 GG als Ausnahme von der Regel

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Der gesamte Aufbau des Art. 87a GG mit seinen vier Absätzen lässt erkennen, dass jeder Einsatz der Bundeswehr, der anderen Zwecken als der Verteidigung dient, Ausnahmecharakter hat. Gem. Art. 87a Abs. 2 GG bedarf es zu einer solchen Ausnahme von der Regel einer ausdrücklichen Ermächtigung durch die Verfassung selbst. Art. 87a Abs. 2 GG stellt demgemäß einen Numerus clausus verteidigungsfremder Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte auf. Diese sind verortet im Verteidigungsfall, im Spannungsfall, im innenpolitischen Notstand und im Katastrophennotstand. Außerhalb dieser Tatbestände ist jeder Streitkräfteeinsatz im Innern zu anderen als zu Verteidigungszwecken verfassungswidrig. Generalklauseln, wie sie etwa im Polizei- und Ordnungsrecht zum gesetzlichen Standardrepertoire gehören, gibt es hier ebenso wenig wie eine Kompetenz kraft Natur der Sache.269

Diese gesetzliche Strenge ist eine Konsequenz aus der deutschen Geschichte: Das Grundgesetz im Allgemeinen und seine Wehr- wie auch seine Notstandsverfassung im Besonderen sind immer auch als Reaktion auf die Exzesse des Nationalsozialismus zu sehen. Nachdem die Entscheidung der West-Alliierten zugunsten einer Wiederbewaffnung Westdeutschlands gefallen war, wurden verfassungsrechtliche Vorkehrungen getroffen, die verhindern sollen, dass die Bundeswehr mit der ihr eigenen Schlagkraft jemals zum innenpolitischen Machtinstrument werden könnte.270

a) Trennungsgebot. Im Verhältnis von Polizei und Streitkräften (ebenso zwischen Polizei und Nachrichtendiensten sowie zwischen polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr) gilt das sog. Trennungsgebot. Staatliche Akteure, die zu weitreichenden Eingriffen in die Freiheitssphäre des Einzelnen befugt sind, sollen sich nur in klar abgegrenzten Bereichen bewegen können, die so wenige Überschneidungen wie möglich vorsehen.271 Salopp gesagt: Die Staatsgewalt soll an die rechtsstaatliche Kette gelegt werden. Bezogen auf das Verhältnis von Polizei und Streitkräften geht es darum, sowohl eine militärisch aufgerüstete Vollzugspolizei als auch umgekehrt eine mit polizeilichen Vollzugsbefugnissen ausgestattete Armee zu verhindern. Innere Sicherheit ist Sache der Polizei. Die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben durch deutsche Soldaten auf deutschem Boden kann daher immer nur Ausnahmecharakter haben.

b) Begriff der Verteidigung. Nur solche Einsätze, die nicht in die Kategorie der Verteidigung als der Primärfunktion der Streitkräfte fallen, lösen den Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG aus. Daher muss Gewissheit darüber herrschen, was unter Verteidigung zu verstehen ist. Diesbezüglich wird verwiesen auf Kapitel 5 (Einsatz im Ausland), I. 1. c.

c) Begriff des Einsatzes. Des Weiteren muss Klarheit über den Begriff des Einsatzes bestehen, denn nicht jede Verwendung der Streitkräfte hat Einsatzqualität und löst daher den Verfassungsvorbehalt aus. Umgekehrt ausgedrückt: Es gibt Konstellationen, in denen die Streitkräfte verwendet werden, ohne dass es hierzu einer Spezialermächtigung im Grundgesetz bedürfte. Solche Verwendungen liegen unterhalb der Einsatzschwelle. Zu den Einzelheiten siehe Kapitel 2 (Amtshilfe), II., III.; Kapitel 5 (Einsatz im Ausland), I.1.b.

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