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V.„Altes“ Recht und neue Bedrohungslagen?

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Die Bundeswehr sieht sich 65 Jahre nach ihrer Gründung einer sicherheits- und verteidigungspolitischen Situation mit einer Vielzahl neuartiger Szenarien gegenüber: transnationaler Terrorismus, Cyber-Attacken, Desinformationskampagnen, ökonomische Repressalien, Mobilisierung ethnischer Minderheiten, gelenkte Migrationsströme, verdeckte Operationen, Einsatz irregulärer Kräfte sowie – als hochkomplexes, diffuses Phänomen, das all diese Bestandteile in sich aufnimmt und je nach Bedarf mit militärischen Komponenten anreichert – hybride Kriegführung. Eine Einordnung in das herkömmliche Schema Verteidigung – Gefahrenabwehr, Kombattant – Störer, äußere Sicherheit – innere Sicherheit wird immer schwieriger. Die Grenzen sind ins Fließen geraten und ein dritter Aggregatzustand zwischen Krieg und Frieden hat sich etabliert.324 Demgegenüber sind die hier dargestellten Regelungen für den Einsatz im Innern zugeschnitten auf den Kalten Krieg und seit über 50 Jahren im Wesentlichen unverändert.

Wird Deutschland von symmetrischer militärischer Gewalt getroffen, ist die Feststellung des Verteidigungsfalls gem. Art. 115a GG und der Einsatz der Streitkräfte im Innern gem. Art. 87a Abs. 3 GG selbstverständlich das Mittel der Wahl. Sollte Deutschland in eine bürgerkriegsähnliche Lage fallen, ist die politische Führung gut beraten, den innenpolitischen Notstand gem. Art. 91 GG zu aktivieren und sich erforderlichenfalls der Befugnisse aus Art. 87a Abs. 4 GG zu bedienen.

Schwieriger zu beantworten ist die Frage, wie die vorhandenen Regelungen mit hybriden und asymmetrischen Szenarien korrespondieren, deren Eintritt heute ungleich wahrscheinlicher ist als der klassische Staaten- oder Bürgerkrieg.325 Wie jede andere Norm des Grundgesetzes sind auch die hier behandelten Einsatztatbestände der Auslegung zugänglich. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz hat dies belegt. Dennoch findet jede Auslegung ihre Grenze am Wortlaut des Art. 87a Abs. 2 GG. „Hybride“ Einsatztatbestände können im Wege der Verfassungsinterpretation nicht geschaffen werden. Hier besteht Handlungsbedarf. Dies ist jedoch keine Aufgabe des Rechts, sondern der Politik, und sie ist bis auf Weiteres ungelöst.

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