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Donnerstag, 11. April 21. Oxana

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Sie starrte den Bus an und wagte es nicht, auch nur einen weiteren Schritt zu gehen. Was sollte sie nur tun? Würde der Doktor es merken? Könnte sie nicht sagen, dass sie gefallen sei und sich an einem Ast verletzt habe? Ihre Gedanken wirbelten wie in einem Mixer durcheinander.

Oxana bekam einen Stoß von hinten und stolperte beinahe in die offenen Gepäckfächer des Busses.

„Nun stell schon deinen Koffer da rein!“ Das andere Mädchen kicherte. Alle außer ihr waren seit gestern Abend ganz aus dem Häuschen. Sie hatten viel erzählt bekommen über das Land, wo sie leben würden, und was sie lernen sollten. Einige Mädchen sollten noch auf eine Schule, so wie sie auch, andere würden direkt eine Ausbildung anfangen, und zwei der älteren Mädchen sollten sogar schon in einem Restaurant arbeiten. Seitdem kicherten und schwatzten alle vor Aufregung. An die kleineren Mädchen, die im Internat blieben, wurde Spielzeug verschenkt, und sie sollten alles einpacken, was sie lieb hatten und was sie mit auf die Reise nehmen wollten.

Mühsam hob Oxana ihren Koffer hoch und wuchtete ihn in die Gepäckluke. Ein scharfer Schmerz zuckte durch ihren Unterleib. Oh nein! Nicht wieder anfangen zu bluten, bitte. Sie blickte sich um, niemand nahm Notiz von ihr. Schnell lief sie durch das Gewusel der Mädchen wieder ins Haus und schloss sich auf einer Toilette ein. Oxana hob ihren Rock und zog den weißen Schlüpfer runter, in den sie morgens seit der Sache immer Papierhandtücher stopfte. Tropfen hellen Blutes sickerten auf die Einlage. Sie riss Toilettenpapier von der Rolle und tauschte es gegen die Papierhandtücher aus. Als das blutgetränkte Papier gurgelnd in der Toilette verschwand, klopfte es.

„Oxana? Bist du da drin? Ist alles gut? Wir wollen los. Komm schon!“

Hektisch riss Oxana die Klopapierrolle ab, stopfte sie sich in die Tasche und rief: „Komme schon. Musste nur mal!“

Sie stieg zu den anderen Mädchen in den Bus, die Lieder anstimmten und sich wie Kleinkinder an den Zöpfen zogen. Helena stand draußen und winkte. Wieso winkte sie? Warum stieg sie nicht endlich in den Bus ein? Oxana rannte zur Tür. „Helena, warum kommst du nicht rein? Fährst du nicht mit?“

Helena hob bedauernd die Schultern und hatte Tränen in den Augen. „Nein, meine kleine Blume. Wir müssen uns hier um die anderen Kinder kümmern. Ihr werdet gut zurechtkommen und schnell neue große Schwestern finden. Keine Sorge, alles wird gut.“

„Nein, nein. Du hast es versprochen!“ Oxana stieg auf die erste Stufe zur Tür, als diese sich mit einem Zischen schloss und der Bus anfuhr. Der Fahrer bellte ihr einen scharfen Befehl zu. Oxana wich zurück und senkte den Kopf. Wer sollte sie jetzt vor der Untersuchung beschützen? Sie schlich nach hinten auf ihren Platz. Als der Bus vor dem Tor verlangsamte, sprang sie wieder auf und rannte weinend nach vorne.

„Baby! Baby!“, riefen ein paar Mädchen lachend im Chor. Der Bus fuhr wieder an und machte einen harten Schlenker nach rechts. Oxana schlug der Länge nach im Gang hin und knallte mit dem Kopf an eine Kante.

„Verfluchte dämliche Weiber“, schimpfte der Fahrer und zeigte zwei erschrocken dreinblickenden Frauen in einem roten Auto die Faust. Die anderen Mädchen kicherten und winkten dem Auto fröhlich zu.

Weggeworfen / Vergangen: Zwei Romane in einem Band

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