Читать книгу Praxishandbuch DSGVO - Tobias Rothkegel - Страница 20

bb) Europarechtskonforme Auslegung

Оглавление

42

Im Datenschutzrecht ist außerdem die europarechtskonforme Auslegung von besonderer Bedeutung. Nach ihr sind nationale Gesetze der Mitgliedstaaten derart auszulegen, dass sie dem Unionsrecht nicht widersprechen.55 Diese Auslegungsmethode ist eine Ausprägung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts.

43

Im datenschutzrechtlichen Kontext sind die nationalen Datenschutzgesetze stets kritisch darauf zu prüfen, inwiefern sie unionsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Das gilt sowohl für das BDSG als auch für Spezialgesetze wie z.B. TKG und TMG.

44

Wie allein der Umfang des BDSG veranschaulicht, sieht der deutsche Gesetzgeber neben der DSGVO noch viel Raum für nationale Regelungen. Abgesehen von der Tatsache, dass diese Vorgehensweise das Ziel einer Rechtsharmonisierung in einem derart internationalen Feld wie dem Datenschutz konterkariert und damit volkswirtschaftlich bedenklich ist, bestehen bei diversen Normen auch Zweifel, ob sie europarechtskonform ausgelegt werden können. Schon unter der Datenschutzrichtlinie hat der Gerichtshof deutsche Sonderwege für europarechtswidrig erklärt.56 Es ist zu erwarten, dass der Gerichtshof den neuen Sonderwegen nach Geltung der DSGVO genauso kritisch gegenübersteht.

Beispiel

Ein erstes sehr praxisrelevantes Beispiel ergibt sich hierfür schon aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts: Mit Urteil vom 27.3.2019 hat das BVerwG die Videoüberwachung öffentlicher Flächen in einer Zahnarztpraxis für unzulässig befunden.57 Hierbei wenden die Richter i.E. § 4 BDSG nicht an, weil er europarechtskonform teleologisch zu reduzieren sei.58 Dem Wortlaut nach gilt § 4 BDSG für die Videoüberwachung durch öffentliche und private Stellen gleichermaßen. Da die Mitgliedstaaten in Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 DSGVO jedoch nur über Öffnungsklauseln verfügen, die sich auf Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO (rechtliche Verpflichtung) oder Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO (Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde) beziehen, verneinte das BVerwG das Vorliegen einer einschlägigen Öffnungsklausel für den Privatbereich. Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen durch Private bestimmt sich deshalb nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO.

Praxishandbuch DSGVO

Подняться наверх