Читать книгу Feuer und Blut - Tom Buk-Swienty - Страница 9
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ОглавлениеDer militärische Berater König Frederiks VI. während der Napoleonischen Kriege, der unverheiratete General und Gutsbesitzer Wolfgang von Haffner aus Egholm war einer der wohlhabendsten Männer des Reiches. Im Alter von einundvierzig Jahren schwängerte er die zwanzig Jahre jüngere Anne Margrethe Kaasbøl, Tochter des trunksüchtigen Sohnes eines Weinhändlers.
Als Fünfzehnjährige hatte die verarmte Anne Margrethe Kaasbøl durch die Hilfe guter Menschen Aufnahme in einem Pfarrhaus in Rønnebæk in der Nähe von Næstved gefunden. Die Frau des Pastors, sie hieß Wilhelmine Magdalena, war eine geborene »von Haffner« und die Schwester des Generals. Bei einem seiner Besuche bei seiner Schwester warf der mächtige General ein Auge auf die junge Anne Margrethe Kaasbøl.
Ihr erstes Kind, das nach dem Vater auf den Namen Wolfgang getauft wurde, wurde 1811 außerehelich geboren. Der Standesunterschied zwischen Anne Margrethe und dem General war so groß, dass eine Heirat der beiden undenkbar schien. Aber Anne Margrethe, eine charismatische Frau mit einem ansteckenden Lächeln, lebhaften Augen und einer auffallenden Willensstärke, bezauberte den General dermaßen, dass er sich zu dem Kind bekannte und sie als Geliebte behielt.
Was natürlich nicht ohne Folgen blieb. Im Jahr 1812 gebar Anne Margrethe einen Sohn, Wentzel, 1815 kam Vibeke Ragnhild zur Welt, im Jahr danach Waldemar und zwei Jahre später Dagmar Alvilde. 1821 gebar Anne Margrethe eine weitere Tochter, Thyra Valborg. Diese jüngste Tochter wurde nicht außerehelich geboren, denn zwei Jahre zuvor hatte der König allergnädigst dem alleruntertänigsten Ersuchen des Generals stattgegeben, dass er trotz seines standesmäßigen Fauxpas die Mutter seiner Kinder heiraten konnte.
Die beiden jüngsten Töchter des Paares, Alvilde und ihre kleinere Schwester Thyra, erregten aufgrund ihrer Schönheit in den Kopenhagener Palais auf den Bällen der Wintersaison großes Aufsehen. Später, als sie in ihren mittleren Jahren waren, faszinierten die beiden Schwestern ihre Umgebung mit ihrem schönen, schwarzen Haar; in ihrer Jugend allerdings hatten sie ein markant unterschiedliches Äußeres: Alvilde hatte Locken und war aschblond, Thyra hatte schon in ihren Jugendjahren glatte, dicke und rabenschwarze Haare.
Selbstverständlich bezauberten die beiden Schwestern auch jedermann, weil sie aufgrund des Reichtums ihres Vaters für jeden ehrgeizigen Freier als eine der besten Partien im Reich galten. Welchen sie letztlich wählen würden, war natürlich eines der großen Gesprächsthemen, wenn die Herrschaften der Stadt in den Ecken tuschelten und wisperten. Der Vater der Mädchen und Mann von Anne Margrethe, der große General Wolfgang von Haffner, starb bereits 1829, allerdings hatte sein ältester Sohn bereits sachkundig die Bewirtschaftung der Güter und Besitzungen des Vaters übernommen, zu denen neben dem Landgut Egholm Gods in Mittelseeland auch das Gut Holmegaard und ein kleineres Palais in Kopenhagen zählten.
Die Schwestern Alvilde und Thyra wählten außergewöhnliche Ehemänner. Thyra heiratete ganz standesgemäß den mit Abstand höchstrangigen Adligen, den etwas korpulenten, gutmütigen Lehnsgrafen Christian Emil Krag-Juel-Vind-Frijs til Frijsenborg, Dänemarks größten Grundbesitzer, allgemein bekannt als Graf C.E. Frijs. Damit wurde sie Lehnsgräfin. Über den Grafen und die Gräfin werden wir in diesem Buch später noch einiges mehr hören.
Alvilde dagegen hielt sich an Romantik und Abenteuer. Sie ließ sich von einem jungen, selbstsicheren, männlichen und etwas arroganten Artillerieoffizier und Charmeur betören, der mit exotischen Berichten von seinen arabischen Feldzügen in Nordafrika aufwarten konnte. Außerdem war er soeben Gutsbesitzer geworden und überzeugt, dass er eines Tages ein vermögender Mann sein würde.
A.W. Dinesen kaufte sich sozusagen gleichzeitig sein kleines Schloss und verliebte sich in die zweiundzwanzigährige Dagmar Alvilde von Haffner. Bis zu diesem Zeitpunkt war er ein rastloser Junggeselle auf ewiger Suche gewesen, und das nicht nur nach militärischen Erfahrungen, Abenteuern und Krieg. Genauso intensiv hatte er Jagd auf schöne Frauen gemacht, allerdings nie mit ernsthaften Absichten. Die Rolle des Verführers betrachtete er als natürliches Element seiner Männlichkeit.
Aber er spürte, dass der Kauf von Katholm eine Verpflichtung bedeutete und sein Leben belasten würde, daher beschloss A.W. Dinesen, sein hektisches Leben als Schürzenjäger aufzugeben. Zu einem Landgut gehörte eine Familie, und er war entschlossen, so schnell wie möglich eine Familie zu gründen.
Das Glück war ihm hold, als er Dagmar Alvilde begegnete. Sie war anmutig, hatte große, ausdrucksvolle Augen und war der berühmten Balletttänzerin Marie Taglioni zum Verwechseln ähnlich, die Dinesen wenige Jahre zuvor während eines Paris-Aufenthalts auf der Bühne der Oper bewundert hatte. In einem Brief nach Hause hatte er die Ballerina damals als Idealbild einer Frau bezeichnet. Jetzt hatte er seine eigene Idealfrau bekommen.
Eine passendere Frau als Dagmar Alvilde von Haffner, die aus einer der bedeutendsten Offiziersfamilien und einem der größten Gutsbesitzer-Geschlechter Dänemarks stammte, hätte sich A.W. Dinesen nicht wünschen können. Durch sein Aufwachsen auf dem Landgut Kragerup Gods kam er selbst, wie bereits erwähnt, von einem der reichsten Herrensitze in Dänemark, aber die Ehe mit der Tochter aus einer Großgrundbesitzer-Familie, die dem Königshaus so nahe stand, bedeutete eine weitere Stufe auf der Rangleiter nach oben. Der Romantiker und Connaisseur entschied sich für sie aus Vernunftgründen, aber auch weil sie einen so liebreizenden Anblick bot.
Dennoch ist Dagmar Alvilde von Haffner, die Mutter Wilhelm Dinesens, in vielerlei Hinsicht eines der Rätsel dieser Geschichte, weil wir so erstaunlich wenig über ihre Gedanken, Träume, Hoffnungen, Sehnsüchte und Lebensanschauungen wissen. Eine der wenigen schriftlichen Quellen, die aus ihrer Feder erhalten sind, ist ein kurzer Brief, den sie im Frühjahr 1840 schrieb. Der Brief zeigt, dass sie eine junge Dame war, die genau wusste, was sie wollte. In Kopenhagen war sie dem jungen, selbstsicheren Gutsbesitzer A.W. Dinesen begegnet, der alles verkörperte, was sich eine junge Frau mit Ambitionen in der damaligen Zeit erträumen konnte.
Er war eindeutig gewohnt, das, was er wollte, auch zu bekommen. Wie ein Soldat ging er vor, um Alvilde zu erobern, er belagerte sie mit seinem Charme und seiner Gesellschaft. Nach kurzer Zeit hielt er um ihre Hand an. Hier Alvildes Antwort auf den schriftlichen Heiratsantrag des jungen Gutsbesitzers A.W. Dinesen:
»Ich habe nicht lange gebraucht, um mich für etwas zu entscheiden, das längst schon klar vor meiner Seele stand, und das ich nun, nachdem ich Ihren Brief erhalten habe, Dinesen! ohne Vorbehalt einzugestehen wage, dass ich in grenzenlosem Vertrauen in Sie! meine Zukunft in Ihre Hände lege, davon überzeugt, dass nur dies mich zu meinem einzig wahren Glück führen kann. Gott gebe, dass ich stets das für Sie bleiben darf, Dinesen, was ich mir wünsche, und dass Sie niemals bereuen mögen, mich näher kennengelernt zu haben ... Sie werden sehnsüchtig erwartet von Ihrer, Ja!, Ihrer A.H.«
Alles schien sich also im Frühjahr 1840 für A.W. Dinesen zu einem positiven Ganzen zu fügen. Er war Gutsbesitzer geworden, würde heiraten, und ehe er sich versah, war das erste Kind unterwegs. Damit schuf sich A.W. Dinesen in kürzester Zeit seinen eigenen Zweig am Stammbaum des Dinesen-Geschlechts, die Katholmer Linie mit eigenem Wappen. Mit Fug und Recht konnte er sich bald als den großen Patriarchen dieses Geschlechts betrachten.
Von den Kindern, die Alvilde dem Paar schenken sollte, schien A. W. Dinesen seine größten Hoffnungen auf seinen Zweitältesten Sohn zu setzen. Dieser Sohn, der am 19. Dezember 1845 geboren wurde, würde nicht das Gut erben, denn dieses Recht stand bekanntlich dem ältesten Sohn zu. Aber dadurch eröffnete sich gerade für den zweiten Sohn die Möglichkeit, sich wie sein Vater mit eigener Hand etwas Großes zu schaffen. A.W. Dinesen erwartete, dass dieser Sohn ein furchtloser und risikofreudiger Eroberer werden würde.
Diesen Sohn benannte der Patriarch nach sich selbst. In seinem späteren Leben wurde er bekannt als Wilhelm Dinesen oder »Hauptmann Dinesen«.