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Lesen und Lernen aus Sicht des Gehirns

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In Wirklichkeit ist unser Gehirn nicht nur darauf vorbereitet, permanent zu lernen, und zwar rasend schnell, sondern will das auch – ist also eigentlich alles andere als „lernunwillig“. Darum habe ich jetzt eine Idee:

Wie wäre es, das Thema „Lernen“ mal aus der Perspektive des Gehirns zu betrachten?

Denn je besser wir verstehen, wie das Organ eigentlich arbeitet, desto produktiver und effektiver können wir in Zukunft Lesen und Lernen.

Stell dir jetzt also vor, „du“ bist dein Gehirn und du betrachtest die Welt von dort aus, also aus der Sicht deines Gehirns. Du hast 86 Milliarden Gehirnzellen zur Verfügung, unvorstellbar viele Kombinationsmöglichkeiten und damit praktisch eine unendliche Kapazität, dir neue Eindrücke, neue Informationen und neues Wissen aufzubauen. Und dazu hast du auch Lust, dafür bist du gemacht. Du bist vielleicht das Perfekteste, was die Evolution auf diesem Planeten jemals hervorgebracht hat: ein Wunderwerk an Kreativität, Erinnerungsvermögen, Lernfähigkeit und Flexibilität. Und diese Fähigkeiten auszuleben, macht Spaß! Du verfügst über diesen Mechanismus, der dich alles sofort mit Emotionen verknüpfen lässt, automatisch, im Guten wie im Schlechten. Das lässt sich nicht abstellen. Außerdem bist du darauf geeicht, kontinuierlich bei allem, was reinkommt, zu prüfen, ob es deinem Menschen hilft oder schadet. Wie ein angeborener Sinnsucher, auch der arbeitet unaufhörlich. Und wenn dieser Sinnsucher sagt „Nein, das hat für meinen Menschen keinen Sinn“, dann reagierst du automatisch mit Emotionen, die sich für deinen Menschen unangenehm anfühlen, damit er aufhört und sich mit einer sinnvolleren Angelegenheit beschäftigt. Du besitzt zwar auch einen Vorrat an Willensenergie, die du dagegenhalten kannst, aber dieser Vorrat ist begrenzt und meist ziemlich schnell erschöpft.

Jetzt setzt sich dein Mensch hin und liest. Wörter strömen auf dich ein und du filterst unablässig die Informationen: Können sie deinem Menschen in irgendeiner Form helfen oder nicht? Wenn diese Informationen sinnlos und zusammenhanglos erscheinen, also keinerlei Bezug zu deinem Leben und Alltag feststellbar ist, schaltest du um auf unangenehme Gefühle: Widerstand. Langeweile. Müdigkeit. Allerdings bekommst du jetzt von deinem Menschen das Kommando zurück, weiterzumachen! Und so bleibt dir nichts anderes übrig, als an den Vorrat der Willenskraft zu gehen. Der ist bekanntlich begrenzt, aber das spielt eh keine Rolle, denn nach ungefähr fünf Minuten läuft dein Arbeitsspeicher über. Dein Mensch liest da ununterbrochen und ohne Pause schon seit über fünf Minuten. Um im Arbeitsgedächtnis wieder Platz zu schaffen, löschst du die Infos raus, die zuerst reingekommen ist. Dein Mensch liest jetzt durchgehend seit einer halben Stunde, unmöglich für dich, irgendetwas davon ins Langzeitgedächtnis zu schaufeln. Du verarbeitest nur den Arbeitsspeicher, also immer das, was dein Mensch in den letzten fünf Minuten gelesen hat. Dir reicht es langsam. In dem Strom von Wörtern konntest du bisher nichts finden, was deinen Sinnsucher befriedigt hätte. Also – wie wär’s damit, die Konzentration mal ein bisschen zu boykottieren?

Prima, funktioniert super, dein Mensch hat schon den vierten Satz zweimal gelesen … Jetzt könntest du noch ein paar schöne Urlaubserinnerungen dazwischen schießen, das lenkt meistens auch gut ab. Jetzt noch die volle Blase stärker ins Bewusstsein rücken, das Hungergefühl aktivieren … und siehe da, tatsächlich, dein Mensch steht auf, marschiert Richtung Bad und dann in die Küche. Na also, geht doch. Voller Erfolg!

So viel also zum Thema „Lesen und Lernen“ aus deiner Sicht … sorry, aus der deines Gehirns. „Du“ bist nun wieder du, lieber Leser.

Kommt dir davon etwas bekannt vor? Viel lesen, kaum was erinnern, bald müde und abgelenkt sein, keine Lust mehr, aber Hunger …?

Und alles ist auf einen Fakt zurückzuführen: Dein Gehirn ist derart auf „Sinnsuche“ beim Lernen fokussiert, dass es alle Lern-Bemühungen torpediert, die es in keinen Sinnzusammenhang stellen kann. Wenn ich mir zum Beispiel vornehme, etwas zu lernen, dann geht dieser Entschluss nicht direkt in die Teile des Gehirns, die ihn praktisch umsetzen und ausführen sollen, sondern durchläuft erst einmal eine unbewusste Kontrollinstanz (das limbische System). Und die entscheidet dann, was als Nächstes passiert oder nicht. Der Weg zum erfolgreichen Lernen geht über Sinn und positive Emotionen. Das sind die Erkenntnisse der Neurowissenschaften und die bestätigen sich immer wieder in unseren Lern-Workshops.

Die Schlussfolgerung für erfolgreiches Lernen lautet daher: Du musst deine Emotionen vor dem Lernen verändern, sonst speichert dein Gehirn wichtige Informationen nicht ab.

Ein schneller Beweis dafür: Wo warst du am 11. September 2001? Und wo am 11. September 1995? Weil die Information „9/11“ mit einer extrem starken Emotion verbunden ist, wissen wir eigentlich alle, wo wir an diesem Tag waren und erinnern meist auch viele Details des Tages.

Warum? Weil starke Emotionen neues Wissen verankern. Das Abspeichern in Verbindung mit negativen Emotionen funktioniert zwar (wie in diesem Fall) zwar auch, hat aber beim späteren Abrufen des Wissens einen Nachteil. Die negativen Emotionen werden mit aktiviert und darum ist es kaum möglich, mit den Inhalten später kreativ weiterzuarbeiten. Deshalb ist es besser, starke positive Emotionen mit Inhalten zu verknüpfen.

Und ich lehne mich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage: Du würdest zehnmal besser lernen, wenn du vor dem Lernen deine Emotionen positiv veränderst, das bedeutet, dich entspannst, in eine positive Grundstimmung kommst und einen Sinn herstellst. Wie das geht, zeige ich dir im C7-System, wenn es mal schnell gehen soll oder dem C9-System, wenn du es fundierter angehen möchtest. Beide Systeme setzen Lernen in wenigen Lern-Schritten als einen Prozess um, der Spaß macht und über den du die Kontrolle hast. Du lernst, deine Emotionen bewusst zu steuern, so machst du zum Beispiel aus Widerstand Begeisterung.

Das ist das Geheimnis von erfolgreichem Lernen, in einem Tempo, das du dir bislang wahrscheinlich nicht vorstellen konntest.

Mit beiden Lernsystemen lernst du, Informationen aktiv zu verarbeiten, damit aus ihnen eigenes Wissen wird. Klingt nach Arbeit? Keine Sorge, das macht so viel mehr Spaß als die gängigen Lernmethoden! Sobald du mit dem C9-Prozess anfängst, wird die Zeit wie im Flug vergehen, weil du, wenn du es richtig angehst, mit meinen Lernsystemen in den sogenannten Flow kommst.

Bei der Entwicklung der Lernmethoden und -systeme lag mein Fokus immer darauf, welche Lernmethoden für die meisten Menschen mit dem geringsten Einsatz den größten Lernerfolg bringen. Was nicht diesem Kriterium entsprach, habe ich aussortiert und durch neue Ansätze ersetzt.

So sind mit der Hilfe von über 2.500 Workshopteilnehmer:innen die optimalen Lernsysteme entstanden, die ich heute C7 und C9 nenne.

Los geht’s!

Digitales Lernen?

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