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Ruth sitzt im Büro ihres Einsatzleiters in der Ettstraße in München.

‚Frau Ruth Eskape, sie sind unsere beste Kommissaranwärterin seit 1977.’ Ruth nickt. Das ist für Sie nichts Neues. Sie liebt ihre Arbeit.

‚Sie sind außerdem Jahrgangsbeste im Lehrgang zur Terrorbekämpfung, haben den dritten Dan im Taekwondo . . ’ ‚Vierten’, unterbricht ihn Ruth.

‚. . haben den vierten Dan in Taekwondo und sind ehrenamtlich Schatzmeisterin im Bürgerbüro für Integration.’

Ruth nickt wieder. Draußen scheint die Sonne. Sie fragt sich, warum dann das Büro des Abteilungsleiters keine Sonne abbekommt, selbst jetzt im Frühsommer nicht, ob das an der Position des Zimmers oder an der Person des Abteilungsleiters liegt.

‚Ihre Verhaftungen liegen 300 Prozent über dem Durchschnitt, außerdem waren Sie in den letzten 2 Jahren genau elf Mal in der Presse erwähnt, drei Mal positiv und acht Mal negativ, und es läuft ein Verfahren gegen Sie wegen Körperverletzung.’

‚War Widerstand gegen die Festnahme’, präzisiert Ruth.

‚Und deswegen sind Sie für unser Team nicht mehr tragbar.’ Ruth hört geduldig zu und wartet, was kommt. Sie weiß selber, dass ihre 300 Prozent demoralisierend auf die Truppe gewirkt haben, dass das der Grund ist, und nicht die Pressemeldungen, weil Presseverlautbarungen immer erwünscht sind, egal ob positiv oder negativ, im Gegenteil, negativ = Polizei tut was, greift hart durch, und wer nichts verbrochen hat, hat schließlich auch nichts zu befürchten, zumindest nicht von der Polizei, meistens jedenfalls.

‚Wir möchten Sie daher zur Kommissarin befördern, als Dienststellenleiterin in Lindenberg im Allgäu.’

‚Ich möchte gerne in der Stadt bleiben’ antwortet sie trotzig. ‚Ich liebe meine Arbeit hier.’

Das ist es ja, denkt der Vorgesetzte, du liebst deine Arbeit so sehr dass wir dich schleunigst los werden wollen. Das sagt er aber nicht.

‚Lindenberg ist eine Stadt’, sagt der Vorgesetzte stattdessen.

‚Waren Sie denn schon mal da?’

‚Noch nicht’, gibt der Vorgesetzte zu, ‚aber ich verspreche Ihnen, Sie einmal zu besuchen.’

‚Ich möchte den Chef sprechen.’

‚Möchten Sie das wirklich?’ Der Vorgesetzte versteht nicht, wie jemand freiwillig den Chef sprechen will, er selbst geht ihm aus dem Weg so gut es geht.

‚Ja.’

Der Chef kommt und gratuliert Ruth zur Beförderung.

‚Ich möchte in der Stadt bleiben’ teilt sie ihm kategorisch mit.

‚Lindenau ist eine Stadt’ antwortet der Chef.

‚Lindenberg’ korrigiert der Vorgesetzte.

‚Lindenberg auch.’

‚Kann ich dann nicht dann wenigstens woanders hin?’ fragt Ruth, nun schon etwas verzweifelt. ‚Nach Augsburg oder Nürnberg zum Beispiel?’

‚An der Größe der Stadt liegt es nicht’, meint der Vorgesetzte, ‚das Problem ist: Sie sind nicht vermittelbar. Mit 300 Prozent nimmt einen niemand. Wir haben alles versucht. Nur Lindenberg blieb übrig.’

,Was haben Sie gegen das Allgäu, wo es so schön ist, dass Sie nie wieder weggehen möchten. Dort wohnen Sie dann mit vielen wilden Tieren und mit Kühen, und der Himmel wird nachts dunkel sein und der Mond scheint hell, und die laute Natur wird die böse Welt draußen übertönen’ ergänzt der Chef.

‚Jetzt spinnt er völlig’, denkt Ruth,

‚Wir haben natürlich bei dem Bestreben, Sie los zu werden, uns überall nach einer Stelle für Sie erkundigt, aber es sieht nicht gut aus’, wiederholt der Chef. ‚Vielleicht gibt es ja eine Stelle in der Polizeiausbildung in Afghanistan. Dort ist es allerdings im Winter sehr kalt und windig und im Sommer brüllend heiß, was zu Rothaarigen wie Sie nicht passt.’

‚Ja’, sagte der Dienststellenleiter, ‚das wäre durchaus möglich.’ Er ließ dabei offen, ob er damit sagen wollte, dass es möglicherweise eine Stelle dort gäbe oder dass es dort ungemütlich sei. Ruth schweigt.

Der Vorgesetzte und der Chef interpretieren das Schweigen als Zustimmung und strecken ihr ihre Hand entgegen.

‚Viel Glück’, sagen sie beinahe fröhlich. Ruth verlässt das Büro. Der Chef klopft dem Vorgesetzten auf die Schulter und sie gehen in die Kantine ein Bier trinken. ‚Dieser Rotschopf’, sagt der Chef noch. ‚Warte nur, wir werden sie vermissen.’

Ruth geht auf die Straße. ‚Sie werden mich vermissen’, denkt sie, ‚aber nicht lange, dann bin ich wieder da.’

Kuhland

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