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8. Tequila

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»Also, wenn es nach mir geht«, grinste Tuh, »hätte die ganze Bude bei euch komplett abfackeln können!« Sie warf einen Plastikteller wie den Royal-Flash in einem Pokerspiel über den Stehtisch. Elegant segelte die Suppentüte hinterher.

»Ach was«, brummte May und fing die Tüte auf. »Das war doch ein Fehlalarm. Wie alles bei uns. Mindestens die Hälfte von allem, was bei uns passiert, sind Fehlalarme.« Sie riss die Tüte auf, roch an dem Pulver und streute es naserümpfend in den Teller. »Wenn es nach der obersten Heeresleitung ginge, könnte es den ganzen Tag lang nur Fehlalarme geben. Die sind besser, als sich mit echten Alarmen rumzuärgern.«

»Tja, Augen auf bei der Berufswahl«, schniefte Tuh. Heute trug sie einen kleinen Knochen in den Nasenlöchern. Er verlieh ihrem Gesicht das Aussehen einer Kannibalin, die Urlaub von ihrem Beruf als Fotomodell machte.

Der Boiler blubberte. May hob ihn aus der Halterung und goss still drauflos. Sie liebte das beruhigende Gefühl, das von blubbernden Boilern ausging. In kunstvollen, kalligrafischen Formen schenkte sie das wilde Wasser ins Pulver.

»Im Prinzip«, sagte sie resignierend, »könnte bei uns jeden Tag das komplette Heeresmusikkorps durch die Gänge marschieren. Mit Pauken und Trompeten. Und alles, was sie spielen müssten, wären Fehlalarme.«

»Cool. Ihr Bullen steht auf Drum and Bass? Stark!« Tuh kaute auf ihrem Kaugummi, von dem May wusste, dass es irgendwelche Substanzen enthielt, mit denen schon die Orinoco-Indianer ihre Füße schmerzunempfindlich gemacht hatten. Vielleicht gab es das Zeug irgendwo gratis dazu, dort, wo Tuh den Nasenknochen herhatte. Servicepack Voodoo-Freak.

Die Schamanin mit dem Scheitel in Pink sagte: »Das wäre mal ne Idee: Ich komme mit meiner Band vorbei. Und wir spielen für Euch: Best of Fehlalarm. Wie viele Beats per Minute wären eurem Beamtenstadel denn recht?«

»Möglichst wenige. Bleib da bloß weg. Die einzige Musik, die die mögen, wäre Slow-Core.«

Tuh tat so, als müsste sie sich übergeben. May sah sie an, nahm eine Schippe Suppe, und erschrak beim zweiten Hinsehen, als Tuh unter dem Tresen verschwand und dort zu röcheln begann.

»Hey Tuh, all clear?«

Röcheln.

»Madame de Cuisine, mach keinen Mist, ist dir echt schlecht?«

Tuh tauchte wieder auf. Sie hatte sich unten eine Fliegermütze aufgesetzt und kam nun mit blubbernden Lippen, die Propeller-Geräusche darstellen sollten, wieder an die Oberfläche.

May grinste. Der rote Baron auf Ecstasy. Tuh hatte immer komische Sachen auf Lager. »Bevor du mit dem Bombardement anfängst«, schmatzte May, »spielst du noch einen Fehlalarm ja?«

»Logo!« Tuh schwankte jetzt ein wenig, und May war sich immer noch nicht sicher, ob Tuh den Trip nur vorspielte, oder ob ihr das Kraut tatsächlich auf die Birne geschlagen hatte.

»Und, wie war das nun?« fragte der gelbe Baron, »du dackelst nächste Woche mit einem Haufen hysterischer Bullen ins Grüne?«

May schippte still in sich hinein. Sie versuchte, einen strengen Blick auf Tuh zu werfen, der etwas mit dienstlicher Schweigepflicht und so weiter und so fort zu tun haben sollte. Aber eigentlich war das auch Quatsch. Nachdem May sowieso schon die Hälfte vom Schloss, dem Konsul und dem Trottelbären erzählt hatte, war die Bekanntgabe des genauen Einsatzplanes nun eigentlich auch egal. Man könnte jetzt ruhig Klartext reden. Also sagte sie: »Mmm.«

»Klingt ja lustig«, entgegnete Tuh. »So wie ihr arbeitet, möchte ich mal Urlaub machen. Wollt ihr das Gelände umgraben und nachgucken, ob Fettsack Freddi da irgendwo verbuddelt ist?«

»Erst mal muss ich eine Truppe zusammentrommeln.«

»Wie? Zusammentrommeln? Ich dachte, du bist die Kommandantin und sagst: Hopp Männer, alle antraben zur Gangsterjagd.«

»Mmm, genau so funktioniert das auch. Theoretisch. Nur muss man eben vorher alle fragen, wer denn, nun ja, überhaupt Lust hat.«

»Lust hat?« Tuh lachte jetzt so meckernd, dass die Scheiben in der Brille beschlugen. »Also, wenn ich an die Bullen denke, die bei mir ab und an rumschnüffeln ... Die haben immer Lust auf alles. Und mit solch einer Truppe ziehst du dann los, und am Ende schnappt ihr euch den Killer vom Konsul?«

»So ist der Plan.«

»Und wenn deine Herde komplett ist, dann zieht ihr nächste Woche in einen kleinen Bandenkrieg gen Norden ja?«

»Schön wäre es. Ich bräuchte nur noch zwei Personenschützer, zwei Techniker, zwei Fahrer, einen Dolmetscher und noch einen, habe ich vergessen wofür. Steht alles in der Ausschreibung. C3.«

»Na hör mal«, sagte Tuh, »das kann doch nicht so schwer sein, da ein paar Typen heißzumachen. Setz doch ne Anzeige auf: Heiße Biene sucht Bullen mit Bock auf Ballern.«

»Klingt gut«, bestätigte May, »einen Assistenten habe ich schon. Er brennt für die Polizeiarbeit. Hoch motiviert. Und ein schleimiger Indianer ist auch im Ensemble. Wenn ich mit ihm in die Kiste gehe, kommt er vielleicht auch zur Arbeit.«

»Na siehste. Normale Weiber wären froh, über so einen Kessel Buntes zur Auswahl.«

May spürte, wie die Müdigkeit nach ihr griff. Am liebsten wäre sie jetzt wie ein Stein in den Teich des Schlafes gefallen. Und der ganze Mist wäre vorbei. »Weißt du Tuh, ich glaube, mit diesem Fall wird das nichts. Ich habe wirklich ...«

»Keine Lust?«

»Exakt. Woher weißt du das?«

»Ich besitze telefonische Eigenschaften.«

»Telefonische Eigenschaften?« May lachte. »Ist ja super! Dann kannst du in den Kopf von anderen Leuten reinlabern?«

»Natürlich. Ich bin überstimmlich begabt.«

»Herzlichen Glückwunsch.« May spürte, wie ihr Magen schmerzte. Nicht einmal auf das Wochenende konnte man sich freuen, wenn nächste Woche der Wahnsinn richtig losgehen würde. »Tuh«, sagte sie und blinzelte in Richtung der schaukelnden Spielsachen, »weißt du was?«

Tuh zog zur Antwort eine stumme Schnute. Da sie telefonische Fähigkeiten besaß, wusste sie natürlich bereits alles, was über Mays Leitung vom Herzen gefunkt wurde.

»Du hast die Schnauze voll?« murmelte Tuh. Die Leitung stand.

»Oh ja. Ich habe die Schnauze voll.« May bekam auch Lust, durch einen Himmel voller Spielsachen zu fliegen, blubbernde Geräusche zu machen und mit der Bordkanone auf Teddybären und stinkende Gummikrokodile zu feuern. Tuh tat das jetzt nämlich.

»Wir alle haben die Schnauze voll«, sagte Tuh, während sie einen Sturzflug auf ein Quietsche-Entchen flog. Dann warf sie May eine kleine Flasche hinüber. May war selbst überrascht, dass sie es schaffte, den Glasklumpen aufzufangen. Sie sah einen mexikanischen Hut auf dem Etikett. Tequila, brrr! Schon kam Tuh mit einem Salzstreuer näher. »Komm, kleine Kommissarin, du brauchst mal ein bisschen Mental Training!«

May ließ sich deprimiert eine Handvoll Salz auf den Handrücken schütten und sagte beinahe weinerlich: »Du, ich glaube, ich lasse den Mist sausen.« Sie sah in Tuhs orange geschminkte Augenhöhlen und begann, das Salz abzulecken. May spürte eine Mischung aus Verzweiflung und Glück, dass dieser Kiosk-Freak offenbar ihre einzige Freundin war. Na gut, lieber eine einzige vernünftige Freundin, als zehn bekloppte, dachte sie und hob ihr Glas.

»Hau weg das Zeug! Auf strukturierte Polizeiarbeit!«

»Auf das C3-Team!«

May warf den Kopf in den Nacken und besiegte das Zitronenwasser mit zwei tapferen Zügen. »Hah!« rief sie. Sie hätte Funken spucken können. Jetzt einen Flammenwerfer zu haben, das wäre gut ... Und das ganze Kommissariat einäschern! Und dann zum Arzt gehen und krankfeiern. Das wäre was.

Auch Tuh gurgelte und zischte unter dem Eindruck des Getränks wie eine Kobra. Sie warf ihr Glas in die Mülltonne und kniff May in den Hintern. »Nicht schlappmachen, Frau Wachtmeisterin. Sie haben einen Konsul zu finden!«

May rülpste. Konsul, ja ja. Es war Freitag und der Konsul ein Arsch. Der Stehtisch wackelte empört unter ihrer kleinen Faust, die wuchtig das Glas niederschmetterte.

»Guck mal«, rief Tuh und zeigte zum Fernseher. »Neues von der Idiotenfront!«

»Welcher?«

Tuh stellte den Ton des Fernsehers lauter: »... Eindringling in den Inneren Sektor des Zentrums immer noch flüchtig. Josemin Hawel, Mitglied des Terrorkommandos Graue Schatten, gelang es, die Absperrung zu überwinden und in den Tempel der Lichter einzudringen.« Das Foto eines Mannes wurde eingeblendet.

May schob ihr Glas zur Seite. Da war er wieder.

»Ist das der Idiot, der dir damals vor den Bus gehopst ist?«

»Ja ...«, murmelte May. Das war er. Terrorist, aha.

»Ist seit Monaten flüchtig«, schepperte der Fernseher. »Ermittlungen zufolge tauchte er im grauen Sektor unter.«

»Grauer Sektor, was'n das?«, murmelte Tuh. »Liegt da nicht dein blödes Schloss?«

May blickte zum Schirm. Jetzt schlug der Tequila auf dem Vulkanboden ihres Magens auf und federte in goldenen Funken wieder aufwärts. »Ja, genau da liegt unser Schloss«, sagte sie nach einer hitzigen Phase voller Zitronenblüten im Kopf. »Wir werden es finden. Wir werden das Schloss und den trotteligen Bären finden.«

MAY BEE

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