Читать книгу Beyl und MacGarney - Torben Stamm - Страница 7
Der Tatort
ОглавлениеAls Beyl den Tatort betrat, erinnerte ihn der Anblick an eine Aussage seines Ausbilders: „Ein Tatort ist wie ein Bienenstock. Alle sind fleißig, alle arbeiten - und der Oberboss tut nichts.“ In diesem Fall war der Oberboss der König der Spurensicherung: Lobs war ungefähr zweihundert Jahre alt und brauchte ebenso lange, um einen Satz zu formulieren. Allerdings gab es keinen bei der Truppe, der mehr Ahnung von seinem Job hatte als er. Das Problem war nur, dass Lobs und MacGarney sich absolut gar nicht leiden konnten und ein Zusammentreffen zwischen ihnen meistens mit wüsten Beschimpfungen endete.
„Guten Morgen“, sagte Beyl und gab dem alten Mann die Hand. Er schaute sich im Raum um: „Das nenne ich mal eine Unterkunft: Groß, riesiges Bett... Nicht schlecht.“
Lobs lächelte: Er mochte Beyl, weil der wenigstens etwas kultiviert war. Allerdings wirkte auch ein Scheißhaus neben MacGarney wie die Bewahrungsstätte für Kultur und gutes Benehmen.
„Ja, da haben Sie Recht. Aber das übersteigt meine Gehaltsklasse.“
MacGarney stellte sich neben Beyl. Er schaute Lobs an, grüßte ihn aber nicht.
„OK, was haben wir denn genau?“, fragte Beyl.
Der alte Mann ging zum Bett und stellte sich daneben: „Das Opfer wurde neben dem Bett gefunden. Es ist vollständig angekleidet. Es gibt Anzeichen für einen Kampf - Schnittwunden und Kratzer an seinen Knöcheln. Er hat es seinem Mörder nicht leicht gemacht.“
MacGarney musterte den toten Mann, der auf dem Bauch vor dem Bett lag: „Das ist echt mal retro.“
„Bitte?“, fragte Lobs.
MacGarney atmete übertrieben aus: „Der Mord. Der Typ hat ein Telefonkabel um den Hals.“
„Ja, und?“
„Sowas gibt es heute nicht mehr. Kein scheiß Telefon hat noch eine Telefonschnur.“
Lobs zog die Augenbrauen hoch: „Meins schon.“
„Ja, aber Sie sind auch so alt, dass bei Ihnen der Prototyp steht. Ich frage mich, wann das Museum auftaucht und seine Herausgabe fordert.“
Beyl bemühte sich, die Streitigkeiten solange aufzuschieben, wie es möglich war: „Wie lange ist er denn tot?“, erkundigte er sich.
Lobs schien unsicher zu sein, ob er auf die sachliche Frage eingehen sollte oder lieber den üblichen Schlagabtausch einleiten sollte. Er kam aber zu der Erkenntnis, dass Beyl eine freundliche Frage gestellt hatte und es daher sehr unhöflich wäre, diese nicht zu beantworten, nur weil sein Partner ein mieser Sack war.
„Der Todeszeitpunkt ist ungefähr dreiundzwanzig Uhr gewesen.“
MacGarney fragte prompt: „Könnte es eine Frau gewesen sein?“
Lobs musterte die Leiche: „Das Opfer ist 24 Jahre alt, weist eine normale körperliche Konstitution auf... Ich halte es für unwahrscheinlich, dass eine Frau ihn überwältigen und mit einer Schnur erwürgen konnte.“
Beyl stimmte zu: „Außerdem hat er sich ja gewehrt. Der andere muss ihm total überlegen gewesen sein.“
„OK, gibt es schon was von den anderen Gästen?“ Beyl war froh, wenn er mit Lobs fertig war.
„Ich weiß es nicht“, sagte der alte Mann. „Ich habe mich bisher nur mit dem Opfer beschäftigt.“
MacGarney brummte: „War ja klar.“
„Bitte?“
„Ich sagte: WAR JA KLAR!“
Lobs verstand nicht: „Und das soll was bedeuten?“
„Dass es klar war, dass Sie die grundlegenden Regeln der Polizeiarbeit nicht auf die Reihe bekommen.“
„Ich bin kein Polizist. Ich arbeite bei der Spurensicherung.“
„Oh, jetzt sind Sie was Besseres als wir?“
„Das habe ich nicht gesagt!“
„Ach hören Sie mir doch auf.“ MacGarney machte eine wegwerfende Handbewegung.
Beyl schaltete sich hastig ein: „Gut, dann werden wir mal zu den anderen Gästen gehen.“
Er zog MacGarney mit sich in Richtung Tür. Dabei flüsterte er: „Komm mit.“
Auf dem Flur machte MacGarney seiner Wut Luft: „Dieser arrogante Arsch meint, er wäre was Besseres. Es kotzt mich so an!“
Beyl schüttelte den Kopf: „Du hast ihn provoziert. Wie jedes Mal. Ich habe keine Lust, mir das anzuhören. Wir müssen jetzt losmarschieren und Leute befragen.“
Er wandte sich an einen jungen Beamten, der sinnvoll in der Gegend rumstand: „Sie!“, rief er und winkte den Mann zu sich. „Sind die Gäste in ihren Zimmern?“ Der junge Mann nickte erschrocken.
„Gut“, brummte Beyl. „Dann werden wir mal arbeiten.“