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Kapitel 7

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Keuchendes, schnelles Atmen beendete die Sekunden, in denen ich ungewollt die Luft angehalten hatte. Mein unsicherer Blick löste sich von dem kleinen, schwarzen Telefon und wanderte am Körper des Mannes hoch. Die verwaschene Bluejeans war viel zu lang und legte sich über den verdreckten, grauen Turnschuhen in zahlreiche Falten. Das khakifarbene, kurzärmlige Hemd spannte über seinem Bauch und verlieh ihm einen seltsamen, unbeholfenen Ausdruck. Zahlreiche kleinere Flecken hinterließen auf seinem Hemd ein Muster der verschiedensten Farben, die sich unter den Achseln zu einem einzigen großen Fleck vereinten. Noch immer streckte mir der stark beharrte Arm mit der fleischigen Hand das Telefon entgegen.

Meine Augen wanderten weiter aufwärts, trafen auf das stoppelige Kinn des untersetzten Mannes, der nur unwesentlich größer war, als ich selbst. Meine Angst war in diesem Moment fast völlig verschwunden. Zu seltsam und harmlos wirkte dieser Mann mit dem runden Mondgesicht. Doch dann fiel mein Blick auf die Augen des Fremden und ich erschrak. Ich sah in die dunklen Pupillen und spürte, wie ein kalter Schauer meinen Rücken herunterlief. Die gesamte Erscheinung des Mannes wirkte unbeholfen und in einem gewissen Maße sogar mitleiderregend. Doch diese Augen ...; ich wollte den Blick abwenden, aber ich schaffte es nicht. Gleichermaßen fasziniert und verängstigt konnte ich mich dem Anblick nicht entziehen.

Nie zuvor hatte ich bei einem Menschen einen derart durchdringenden, wahnsinnigen Ausdruck erlebt. Der starre Blick der düster funkelnden Augen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Nein, in diesem Augenblick hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass er auch nur annähernd so harmlos war, wie er im ersten Moment gewirkt hatte. Die Angst war rasend schnell zu mir zurückgekehrt, hatte mich wie einen alten Freund in den Arm genommen und machte in diesem Moment keinerlei Anstalten, mich jemals wieder loszulassen. Ein Mann mit solchen Augen konnte zu allem imstande sein. Das Zittern meines Körpers wurde wieder stärker und ich zwang mich, den Blick abzuwenden.

»Was wollen Sie von mir?«

Meine Worte klangen so gebrechlich, als hätte ein alter Seebär meine Stimmbänder missbraucht, um die verschiedensten Seemannsknoten auszuprobieren. Ich starrte den Boden vor meinen Füßen an. Noch immer hielt er das Telefon vor meinem Körper fest.

»Ich will Gerechtigkeit«, flüsterte er mit einem heiseren Tonfall. »Ich will, dass alle Menschen für ihre Fehler bezahlen. Auge um Auge, Zahn um Zahn.«

Ich schluckte. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und sah ihn an.

»Aber ich habe Ihnen doch überhaupt nichts getan. Ich kenne Sie doch gar nicht.«

Ein diabolisches Grinsen huschte über das runde Gesicht des Mannes. »Das brauchst du auch nicht. Die Wege des Herrn sind manchmal sehr verschlungen, aber sie führen zu einem bestimmten Ziel. Auch meine Wege werden den Erfolg bringen, der mir und allen anderen Menschen zusteht.«

Seine Augen funkelten und ich drehte den Kopf zur Seite, um seinem durchdringenden Blick auszuweichen.

»Justitia mag manchmal blind sein, aber ich leihe ihr gerne meine Augen, um den Dreck auf den Straßen der Welt zusammenzukehren und dorthin zu bringen, wo er hingehört.« Er stieß ein leises Lachen aus, das den wahnsinnigen Eindruck, den seine Augen vermittelten, noch verstärkte.

Ich starrte seitlich an der Wand entlang, Tränen kullerten über mein Gesicht.

»Was ..., was wollen Sie von mir?« Mein Körper zitterte so stark, dass ich in diesem Moment mit einem Cocktail-Shaker in der Hand unfreiwillig die herrlichsten Getränke hätte zaubern können. Gott, Heather, noch blödere Gedanken konnten dir wohl gerade nicht durch den Kopf schießen, oder?

Als ich die Hand des Mannes an meinem Kinn spürte, zuckte ich völlig verängstigt zusammen. Er griff zu und drehte meinen Kopf ruckartig nach vorne.

»Nimm das Telefon!« Seine Gesichtszüge schienen erstarrt zu sein, einzig ein leichtes Zucken in den Mundwinkeln verriet seine innere Anspannung.

Ich ballte die Hand zur Faust, öffnete sie wieder und bewegte sie in Richtung des schnurlosen Telefons. Als ich nach dem Mobiltelefon griff, berührte ich auch die Finger des Mannes und spürte eine extreme Kälte durch meine Glieder fahren. Ich riss meine Hand mitsamt des Telefons zurück und stieß dabei einen leisen Schrei aus. Mein Mund zitterte, Tränen rannen ungebremst aus meinen verweinten Augen.

»Und jetzt ruf deinen Daddy an!« Er sprach leise und ohne jegliche Betonung. »Dein Vater wird für seine Verbrechen bezahlen müssen. Er ist schon viel zu lange verschont worden.«

Ich sah ihn verunsichert an. Was redete der Kerl denn da? Mein Vater…? Nach einem kurzen Zögern hielt ich das Telefon vor mir hoch und tippte mehrere Ziffern ein. Ich wischte mir mit dem Handrücken die Tränen ab und hielt es mir anschließend ans Ohr. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis am anderen Ende der Leitung jemand abnahm.

»Daddy?... Ich bin’s ... nein, mir geht es ... nicht gut.« Ich wischte mir erneut die Tränen ab und versuchte krampfhaft, mich zusammenzureißen.

»Daddy, ich bin von einem Mann gekidnappt worden. ... Nein, er hat mir nichts getan, ... ich weiß nicht, was er will ...«

Der Mann streckte mir seine rechte Hand mit der Handfläche nach oben entgegen.

»Er will mit dir sprechen, Daddy. Bitte, ...hol mich hier raus, ...ich habe solche Angst, Dad. Bitte, ... hilf mir ...«

Der Mann nahm mir das Telefon aus der Hand. Ich schlug die Hände vor das Gesicht und rutschte an der Wand hinunter zu Boden. Mein eigenes Schluchzen war jedoch das einzige Geräusch, das ich in diesem Moment hörte. Hatte der Fremde das Gespräch unterbrochen? Ich zwang mich, zu ihm aufzusehen. Er stand einen halben Meter von mir entfernt und hatte das Telefon gegen sein rechtes Ohr gepresst. Sein Mund war geöffnet, als versuchte er zu sprechen, aber er brachte kein Wort heraus. Er schloss den Mund und schluckte. Erneut öffnete er den Mund, um zu sprechen, doch das Zittern seiner Mundwinkel verriet sofort, dass auch dieser Versuch erfolglos enden würde. Er nahm das Telefon von seinem Ohr weg und drückte ohne hinzusehen eine Taste. Sein Mund stand noch immer offen.

Ruckartig drehte er sich um und lief mit schnellen Schritten zur Tür. Als er sie hinter sich ins Schloss warf und den Schlüssel umdrehte, hatte die Dunkelheit wieder Besitz von mir ergriffen. Was war das denn jetzt gewesen? Völlig verunsichert kauerte ich an der hinteren Mauer und blickte irritiert zur Tür hinüber. Krampfhaft versuchte ich zu verstehen, was gerade geschehen war, doch mit dieser Situation war mein Bewusstsein völlig überfordert.

Westside Blvd. - Entführung in L.A.

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