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Kapitel 11 (Steve Delaney)

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Gedankenverloren stand ich vor dem kleinen Reihenhaus, das nur wenige Meilen vom Eingang der Hollywood Sunrise Studios entfernt lag, und blickte die Straße zurück, auf der ich zusammen mit Peter Warren gekommen war. ‘1236 Venice Blvd.’ las ich auf einem Metallschild an der Hauswand. Ich drückte auf die Klingel und wartete. Ein junges Mädchen öffnete die Tür einen Spalt weit und sah mich mit großen Augen an.

»Lieutenant Delaney, LAPD. Darf ich eintreten?«

Das Mädchen nickte und öffnete die Tür weiter.

»Ihr Kollege ist schon nebenan.« Ihre Stimme klang leise und traurig, die Augen waren von Tränen gerötet. Sie führte mich ins Wohnzimmer, wo mein Partner Marc Turner sich eifrig Notizen machte.

»Hallo Steve.« Er erhob sich und kam auf mich zu. »Das hier ist Alexandra Tate und die junge Lady, die dir geöffnet hat, heißt Rhonda Lewis. Die beiden wohnen hier zusammen mit Heather Simms.«

Ich nickte beiden kurz zu und wand mich anschließend an Marc.

»Hast du schon irgendetwas Brauchbares?«

Mein Partner zuckte mit den Schultern. »Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass Heather irgendwelche größeren Probleme hat. Die beiden hier sind ihre besten Freundinnen und sie hätte es ihnen erzählt, wenn sie in Schwierigkeiten wäre.«

Rhonda setzte sich auf das Sofa. »Heather hat mit uns über alles gesprochen. Es gab absolut nichts, was ihr Sorgen gemacht hat. Sie hat großen Erfolg mit ihrer Serie, kommt hervorragend mit allen Leuten im Studio klar und hat eine gut funktionierende Beziehung mit Peter; ... ich weiß nicht, warum ihr jemand so etwas antut.«

Marc Turner steckte seinen Notizblock ein. »Peter Warren ist auch Schauspieler und arbeitet regelmäßig für verschiedene Studioproduktionen. Die zwei sind seit acht Monaten zusammen und verstehen sich sehr gut.«

Ich nickte. »Ich weiß; ich habe ihn bereits in den Studios kennengelernt. Hat es während dieser acht Monate irgendwelche Affären gegeben? Ist einer von den beiden vielleicht mal fremdgegangen?«

Rhonda und Alexandra schüttelten zeitgleich energisch den Kopf.

»Nein«, sagte Alexandra mit Nachdruck. »Sie sind total verliebt ineinander. Heather war glücklich mit Peter und andere Männer haben sie überhaupt nicht interessiert.«

Marc Turner setzte sich in einen Sessel. »Wie sieht es mit der Fanpost aus?«

»Sie meinen, ob sie öfters Briefe von irgendwelchen Psychopathen bekommt? Nein. Sie erhält jeden Tag ein paar Autogrammwünsche und ab und zu auch Liebesbriefe von pubertierenden Teenagern, die sich mit ihr verabreden wollen.«

»Gibt es bei den Liebesbriefen jemanden, der ihr regelmäßig schreibt?«

Rhonda schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, so was kommt nicht vor. Heather beantwortet diese Post nicht. Es gibt keinen Briefwechsel zwischen Soapstar und verliebten Jungs, falls Sie das meinen.«

»Hebt Heather diese Briefe auf?«

»Ja, sie sammelt sie in einem großen Ordner. Sie sagt, falls sie irgendwann mal keinen Erfolg mehr hat, kann sie die Briefe rausholen und sich an die großen Tage ihrer Soapkarriere erinnern. Sie ist manchmal ein bisschen sentimental.«

»Wissen Sie, wo sie den Ordner aufbewahrt? Ich würde die Briefe gerne unserer Psychologin zeigen.«

Rhonda erhob sich und ging zur Tür hinaus, ich folgte ihr. »Heathers Zimmer ist oben. Ich zeige es Ihnen.«

Wir stiegen die schmale Holztreppe hoch und Rhonda öffnete die zweite Tür auf der rechten Seite. Ich trat ein und sah mich aufmerksam um. Das Zimmer war ca. vier Meter mal vier Meter groß. Ich stand auf einem apricotfarbenen, fransigen Teppich, der farblich zu den Übergardinen des Fensters passte. Vor dem Fenster auf der linken Seite befand sich ein Schreibtisch, auf dem eine riesige Micky Mouse aus Plüsch saß. Die gegenüberliegende Wand wurde komplett von einem großen Schrank aus Eichenholz eingenommen. In der hinteren Ecke des Raumes stand Heathers Bett, bezogen mit Bettwäsche voll bunter Frühlingsblumen. Neben dem stand ein kleines Schränkchen mit einem Wecker und einer Tischlampe in Form eines Teddybären, über dem Bett hang ein großes gerahmtes Bild von ihrem Idol Johnny Depp. An der rechten Seite der Schrankwand klebte ein Poster von Vin Diesel. Drei Strahler an der Decke waren in alle Richtungen des Raumes ausgerichtet. Das Zimmer war sauber und aufgeräumt, als würde es nie benutzt. Rhonda öffnete den Schrank und holte einen dunkelblauen Ordner heraus. ‘Fanpost’ stand auf dem Ordnerrücken. Ich blätterte ihn einmal kurz durch und nickte.

»Führt Heather vielleicht Tagebuch?«

Rhonda schüttelte den Kopf. »Nein, dafür hat sie überhaupt keine Zeit.«

Wir verließen das Zimmer und kehrten zurück ins Wohnzimmer.

»Wir möchten Sie bitten, mit niemandem über die Entführung zu sprechen. Wir haben bisher noch keine konkrete Spur und das Letzte, was wir im Moment gebrauchen können, ist eine Belagerung des Hauses ihrer Eltern durch sensationsgeile Medienvertreter. Die offizielle Stellungnahme des Studios besagt, dass Heather krank ist und bei den Dreharbeiten für mehrere Tage ausfällt.«

Rhonda nickte artig. »In Ordnung, Lieutenant. Von uns wird niemand etwas erfahren. Aber es wird ein komisches Gefühl sein, Heather heute Nachmittag in ‘Westside Blvd.’ im Fernsehen zu sehen. Ich hoffe, Sie finden sie schnell.«

»Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Übrigens: Heute und an den nächsten Tagen werden keine Folgen der Serie ausgestrahlt. Das Studio meint, es wäre pietätlos ‘Westside Blvd.’ während der Zeit ihrer Entführung weiterlaufen zu lassen. Wegen angeblicher rechtlicher Streitigkeiten wird in den folgenden Tagen eine fünfteilige Familienserie eingeschoben.«

Wir verabschiedeten uns von den beiden Mädchen und kehrten zu Marcs Wagen zurück, der auf der anderen Straßenseite parkte.

»Glaubst du wirklich, dass wir diese Geschichte geheim halten können?«, fragte Marc und sah mich skeptisch an.

Ich hätte in diesem Moment gerne Optimismus verbreitet, aber das fiel mir merklich schwer. »In einer Zeit, in der Twitter und Facebook die wichtigsten Dinge der Welt darstellen? Es wird wahnsinnig schwierig sein, alle Personen, die eingeweiht sind, von der Wichtigkeit ihrer Verschwiegenheit zu überzeugen. Ich denke, keiner von Ihnen wird dem Mädchen schaden wollen; aber wenn Menschen Informationen besitzen, die geheim sind und die sonst niemand kennt, dann kommt bei vielen doch dieses extreme Mitteilungsbedürfnis durch.«

Marc stimmte mir nickend zu. »Oh ja, das kenne ich. Diese ‘Herr Lehrer, ich weiß was’ Mentalität, bei der man ja zu einem coolen Mitglied der Gesellschaft werden kann. Und über Facebook oder Twitter kann man das eh viel schneller verbreiten, als die besten Klatschtanten im Friseursalon das jemals hinbekommen könnten.«

Ich blickte nachdenklich zum Haus zurück.

»Wir können nur hoffen, dass wir diese Informationen lange genug zurückhalten können, um überhaupt erst mal eine Spur zu finden, die uns zu Heather führt. Setz mich bitte bei den Hollywood Sunrise Studios ab! Ich habe mein Auto dort stehen lassen und bin den Weg hierher zu Fuß gegangen.«

»Den Weg, den Heather gestern nach Drehschluss gegangen ist?«

»Ja, genau. Ich weiß, unsere Jungs von der Spurensicherung haben schon jeden Quadratmeter genau unter die Lupe genommen, aber ich wollte trotzdem ein Gefühl für die Strecke bekommen.«

»Und? Was hat sie dir verraten?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn man die Studios verlässt, folgt man erst einer recht verkehrsreichen Hauptstraße. Es waren vorhin viele Leute unterwegs, wobei man bedenken muss, dass heute Samstag ist. Kann Werktags natürlich ganz anders aussehen; da müssen wir uns noch mal umhören. Nach gut einer Meile biegt man auf eine ruhigere Straße ab, auf der schon nach gut zwei weiteren Meilen Heathers Haus auftaucht. Ich denke, dass sie irgendwo auf diesem Teilstück entführt worden ist. Ungefähr auf halber Strecke befinden sich auf beiden Seiten der Straße unbebaute Grundstücke. Wenn man nicht riskieren will, von einem Nachbarn gesehen zu werden, der am Fenster steht oder sich im Vorgarten aufhält, ist dort die sicherste Stelle für einen Übergriff.«

»Die Spurensicherung hat aber nichts gefunden, oder?«

Ich schüttelte den Kopf. »Keinerlei Hinweise. Dort ist alles asphaltiert, sowohl Straße als auch Gehweg. Keine Reifenspuren, keine Hinweise auf einen Kampf, keine liegengelassenen Gegenstände.«

»Hatte Heather keine Angst, dass ihr pubertierende Jungs auflauern könnten, wenn sie stets alleine nach Hause ging?«

Ich winkte spontan ab. »Nein, diese Gedanken hatte ich auch schon. Aber in den Studios erklären alle übereinstimmend, dass der Starkult bei Daily Soaps wohl nicht sonderlich stark ausgeprägt ist. Wir befinden uns hier in Hollywood, wo sich die kleinen und die großen Stars die Klinke in die Hand geben. Wahrscheinlich muss hier schon ein mehrfacher Oscar-Preisträger in Strapsen über die Straßen laufen, damit unsere lieben Mitbürger von ihrer Zeitung aufsehen oder das Schreiben einer SMS für ein paar Sekunden unterbrechen. Heather zumindest hat in der ganzen Zeit, in der sie für das Studio arbeitet, noch nie irgendwelche Probleme gehabt, wenn sie das Filmgelände verlassen hat.«

Wir stiegen schweigend in Marcs Wagen ein. Unsere bisher einzige Hoffnung auf Hinweise war der dunkelblaue Ordner, den ich nachdenklich betrachtete.

Westside Blvd. - Entführung in L.A.

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