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Kapitel 9

Als sie aus dem zweiten Fahrstuhl traten, der zum Restaurant führte, schlug ihnen die Sonne entgegen, das Ganze gepaart mit Kaffee und Brötchenduft. Linda liebte diese Kombination. Sie gaben am Eingang ihre Namen an, die von einer Kellnerin wieder durchgestrichen wurden, und konnten sich morgens selber einen Tisch aussuchen. Es gab einen freien direkt am Fenster. Der Blick war ein Traum. Ein kleineres Fenster direkt über der Panoramascheibe war geöffnet und ließ leichten sommerlichen Wind herein.

Megan setzte sich neben Linda und Jason ihnen gegenüber. Kaum dass die drei saßen, fragte ein nett aussehender Mann, ob er sich zu ihnen setzen konnte. Keiner lehnte ab. So nahm er gegenüber von Linda Platz und lächelte freundlich. Er war zwar nicht ganz ihr Typ mit den schulterlangen, blonden Haaren, aber er wäre ein lohnenswerter Kandidat, um sich auszutoben und vor allem, um gedanklich von Jason loszukommen. Dieser blickte schon wieder in ihre Richtung. Gerade wollte sie ihn zurechtweisen, als Megan sie sanft in die Seite stieß.

»Was denn?«, fragte Linda.

»Mum, träumst du? Der Kellner fragt, ob er dir einen besonderen Kaffee bringen darf: Milchkaffee, Latte Macchiato, Espresso ...«

»Ach so, äh, ich nehme einen Latte Macchiato, bitte.« Leichte Röte zog sich über ihr Gesicht, das spürte Linda. Es musste aufhören. Sie machte sich wegen Jason noch ganz verrückt.

»Sind Sie schon lange hier?«, fragte der Mann Linda gegenüber.

»Nein, wir sind gestern erst angekommen«, antwortete sie.

»Hey, du kannst ruhig Du sagen. Ich bin Jason, das ist meine Freundin Megan mit ihrer Mom Linda. Und du bist ...?«

Kurz stutzte der Mann, dann entspannte sich sein Gesicht und er sagte: »Neil.«

»Cool. Ich hol mir mal was zu futtern. Kommst du mit, Babe?« Jason erhob sich.

Schnell blickte Linda hoch. Sie war sich eine Sekunde lang nicht sicher, ob er eventuell sie gemeint haben konnte. Dem war zum Glück nicht so und ihre Tochter erhob sich. Aufatmend blieb sie sitzen und lächelte Neil zu.

»Puh, ganz schön aufgeblasener Typ, dein Schwiegersohn in Spe«, sagte Neil und lehnte sich zurück.

»Ach, er ist noch jung.«

Neil zog die Augenbrauen hoch und schwieg.

Linda merkte erst jetzt, dass sie ihn verteidigt hatte, obwohl sie genauso empfand wie Neil.

»Entschuldigung, ist hier noch frei?«

Linda blickte hoch und erkannte Bruce Parker, der Mann mit der Narbe. Augenblicklich spürte sie seine kühle Hand im Nacken, als würde er es in diesem Moment tun. Das Timbre seiner Stimme lag ihr noch im Ohr und es fühlte sich an, als würde ein leichter Flügelschlag durch ihren Körper gehen.

»Ja, sicher. Am Kopf ist noch Platz«, sagte Linda freimütig.

»Vielen Dank.« Er setzte sich. Sofort war der Kellner bei ihm und er bestellte einen Kaffee, schwarz.

Alle drei schwiegen und blickten auf das Meer.

»Ein wunderschöner Morgen«, sagte Bruce am Kopfende.

»Ja«, bestätigte Linda, ließ die Worte noch einen Moment wirken und erhob sich. »Ich hole mir etwas zu frühstücken.«

»Ich komme mit«, beeilte sich Neil zu sagen und sprang auf.

»Und Sie, Mr Parker?«, fragte Linda.

Er lächelte. »Sie haben meinen Namen behalten ... Ich warte noch auf meinen Kaffee. Ich habe Zeit und Geduld, Mrs Briscoe.«

Auch er besaß anscheinend ein gutes Gedächtnis ...

Sie lächelte darüber und folgte Neil zum Buffet. Die Auswahl war groß und reichlich. »Wie im Paradies«, murmelte sie und wusste gar nicht, was sie sich zuerst nehmen sollte. Das Croissant mit Butter war allerdings ein Muss!

»Na, soll ich dir ein bisschen Honig geben?«, raunte neben ihr eine sehr bekannte Stimme.

Linda blickte in Jasons Augen. »Nein danke.«

»Den würde ich gern mal auf deinem Körper verteilen und ablecken.«

Linda hielt die Luft an.

»Am liebsten würde ich ihn zwischen deinen Schenkeln verteilen ...«

»Jason!«, zischte Linda leise.

Er lachte und ging mit seinem vollgefüllten Teller zum Tisch. Schnell sah Linda hoch, ob auch niemand ihre Reaktion gesehen hatte. Ihre Tochter streute sich gerade Sonnenblumenkerne über ihre in Joghurt getauchten Ananasstücke. Dann bemerkte Linda, dass Neil sie beobachtete. Sie lächelte spontan und nahm sich zwei Melonenscheiben. Es dauerte nicht lange, und Neil war an ihrer Seite.

»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen, der Junge hat nicht nur ein Auge auf deine Tochter geworfen ...«

»Was? Ach, nein. Wir kennen uns schon seit Ewigkeiten. War nur ein kleiner Flachs am Rande ...«

»Stimmt. Aber anscheinend hast du dich darüber nicht so sehr amüsiert.«

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