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Kapitel 10

Beim eigentlichen Frühstück war Linda nicht so entspannt, wie sie es sich erhofft hatte. Jason war der Gesprächsführer, er redete viel, mal mit Megan, mal mit Neil, warf Linda den einen oder anderen herausfordernden Blick zu und ignorierte Bruce Parker. Dieser schwieg. Neil sah Linda immer und immer wieder an, wenn er etwas sagte, woraufhin sie aus dem Fenster aufs Meer blickte. Wenn sie einen Schluck von ihrem Kaffee nahm, trafen ihre Augen auf die von Bruce, der es irgendwie schaffte, alle im Blick zu behalten, während Jason sprach und gestikulierte. Er wirkte ruhig und besonnen. Megan war, wie üblich, eher unbeteiligt. Sie sagte nichts, pflichtete allerdings ihrem Freund bei, wenn er um ihre Meinung bat. Neil versuchte, sich rege am Gespräch mit Jason zu beteiligen, doch es wirkte, als ob Jason ihn als Gesprächspartner nicht akzeptierte, obwohl sich Neil große Mühe gab.

Linda bemerkte das Ungleichgewicht und fragte Neil deshalb: »Und, was hast du heute vor?«

Sofort erhellte sich sein Gesicht und er richtete seinen auf dem Tisch aufgestützen Oberkörper in ihre Richtung. Erfreut sagte er: »Oh, ich äh ... würde gern die Gegend erkunden, vielleicht mal die Hotelführung mitmachen und später an den Strand gehen. Auf jeden Fall surfen. Und du?«

»Auch.«

»Auch was?«

»Das habe ich auch vor. Da wir gestern erst angekommen sind, würde ich mich auch gern ein bisschen umsehen.«

Neil nickte. »Wunderbar.« Er sah sie so flehentlich an, dass Linda gar nicht anders konnte, als ihn zu fragen, ob sie zusammen alles erkunden wollten. Augenblicklich unterbrach Jason seinen Redeschwall und sah Linda intensiv an. Wie konnte er das gehört haben? Auch Bruce’ Augen hafteten auf ihr. Ihr Gesicht ruckte von einem zum anderen. »Was ist?«

Alle sahen sie schweigend an.

Jason erhob sich als Erster. »Ich werde dann mal meine Tauchsachen holen. Wir kommen dich nachher am Strand besuchen, Linda. Schönen Tag noch allerseits.« Er machte sich nicht die Mühe, auf Megan zu warten, sondern ging einfach los. Sie murrte, lief aber hinterher. »Jay, was ist los mit dir ...«, hörte Linda sie noch sagen. Die Antwort von ihm bekam sie nicht mehr mit. Sie besann sich, da sie mit halb geöffnetem Mund den beiden hinterhergeguckt hatte. Dann verabschiedete sie sich von Bruce, wünschte ihm einen schönen Tag und er erwiderte es ruhig. Sie fragte sich, ob er seine Narbe auch eincremen würde ... und in ihr keimte der Wunsch auf, sie mal zu berühren, einfach mal darüberstreichen. Wie fühlte sie sich an. Hart? Weich? Oder ...

»Linda?«

Sie zuckte zusammen, als sie Neils Stimme hörte. Aber weniger, weil er sie erschreckt hatte, sondern weil sie Bruce unverwandt angeblickt hatte.

»Wir können ja einen Termin machen, wo Sie mich dann länger anstarren dürfen. Das kostet dann aber etwas«, sagte Bruce mit einem leichten Schmunzeln.

»Es tut mir leid ... Ich wollte Sie nicht ... also, ich habe gar nicht ...« ... Ihre Narbe angestarrt! Wollte sie das etwa zu ihm sagen? Und wenn nicht die Narbe, was dann? Sie schwieg, presste die Lippen stark zusammen und zog die Augenbrauen hoch. Sie suchte nach Worten, fand keine und ging zum Fahrstuhl. Hinter sich hörte sie Bruce leise lachen. Röte fuhr ihr ins Gesicht. Das konnte doch nicht wahr sein! Sie kam sich vor wie eine junge, unreife Göre! Das lag alles nur an Jason!

»Hey, nun renn doch nicht so!« Neil war bald neben ihr.

Im Fahrstuhl strich er sich sein langes blondes Haar zurück und lächelte. Linda war genervt. Er war so gar nicht ihr Typ.

Doch dann stellte er sich mutig vor sie und küsste sie. Erschrocken riss sie die Augen auf und drückte ihn weg. »NEIL!«

»Was denn? Sind wir nicht alt genug?«, verteidigte er sich.

»Ich schon. Aber du?«

»Moment mal, ich bin neununddreißig.«

»Wirklich? Du siehst viel jünger aus. Neil ... ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist. Das geht alles sehr schnell und ...«

»Kommt eben drauf an, wohin der Weg führen soll. Ich finde dich attraktiv und sexy. Lass uns doch einfach einen schönen Tag verbringen, okay?«

Spontan und völlig unverständlich schoss Linda durch den Kopf, was Jason wohl dazu sagen würde. Sicher würde er Neil wegschubsen und lachen. Er war einfach cooler, mit weniger Worten und sein Ziel war ... Ja, was eigentlich? Was war Jasons Ziel?

»Linda?«

»Ich weiß nicht Neil ...«

»Ich wollte dir nur sagen, dass wir jetzt aussteigen müssen, wenn du nicht wieder hochfahren willst.«

»Ach so, danke.«

»Ich würde vorschlagen, wir machen die Führung durch das Hotel und danach gehen wir an den Strand. Magst du surfen?«

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