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1. September 1978 - San José, Costa Rica

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Am Flughafen Juan Santa Maria hatte sie ein Freund von John abgeholt. Er war Costa-Ricaner und auf den ersten Blick das genaue Gegenteil von John. Von schmächtiger Statur und unscheinbarem Äußeren. John begrüßte ihn sehr herzlich. Es war offensichtlich, dass zwischen den Männern eine freundschaftliche Atmosphäre von Vertrauen und Respekt herrschte. Ben hingegen fühlte sich als krasser Außenseiter. Er war der verweichlichte Stadtmensch. Der Sohn des reichen Vaters. Das unerwünschte Anhängsel an einen lukrativen Auftrag das man akzeptieren und beschützen musste.

Der Flug von Frankfurt über New York war ereignislos und wollte nicht enden. Müde und jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt waren sie angekommen.

Das Fahrzeug mit dem sie abgeholt wurden, ein grüner Landrover mit nicht einmal 20.000 Km auf dem Tacho, war schon wegen seiner hervorragend funktionierenden Klimaanlage eine freudige Überraschung. Sie fuhren gute 2 Stunden in nördlicher Richtung bis sie eine abgelegene Finca erreichten die sie über den Freund angemietet hatten.

Die Finka war sehr groß. Sie mochte gut 4 Quadratkilometer umfassen, aber nur der Bereich der Häuser war von einer massiven fast drei Meter hohen Mauer umgeben. Im Inneren gab es sogar ein gefülltes Swimming Pool direkt hinter dem Haupthaus. Dann waren da noch zwei Häuser für Personal und erstaunlich große Stallungen. Das schwere Holztor wurde von zwei bewaffneten privaten Sicherheitsleuten von außen bewacht. Sie würden gut essen und vielleicht auch dem Alkohol noch einmal zusprechen; wer weiß, es könnte das letzte Mal sein, und dann am Morgen mit dem Training beginnen.

Als Ben am Tag vorher zum Büro seines Vaters ging, war ihm alles andere als wohl in seiner Haut. Er hatte gestern dank seines Frustes und seiner großen Klappe mächtig auf den Putz gehauen und nun regelrecht Angst vor seiner eigenen Courage. John erwartete ihn vor dem Büro mit einem breiten Grinsen und den Worten „you really layed it on him, yesterday“; „gestern haben sie es ihm aber richtig gegeben“. Keine große Hilfe für Ben.

Als sie eintraten gab ihm sein Vater mit festem Händedruck die Hand, und lud beide an den Konferenztisch zu einem spartanischen Arbeitsfrühstück ein. Über den Vorfall von gestern verlor er kein Wort. Sie sprachen darüber wie viel Zeit er wohl brauchte um einigermaßen überlebensfähig zu werden, und kamen überein, dass zwei Tage Training mit verschiedenen Waffen und kurzen Ausflügen in den Dschungel ausreichen mussten. Sie würden direkt zur Finca fahren, sie würden die Ausrüstung vorbereiten, sie würden sein Training absolvieren und sie würden versuchen über die Botschaften von Deutschland und Nicaragua etwas über Andrea herauszufinden.

Falls dies nicht gelang wollten sie an der Karibikküste nördlich fahren bis sie auf Sandinisten stießen. Aufgrund von Gerüchten konnte angenommen werden, dass die Karibikküste bis weit in den Norden in sandinistischer Hand war, Sie hofften, sie würden nicht bis zum Land der Misquito Indios fahren müssen, da diese bekanntermaßen Fremden gegenüber sehr ungemütlich werden konnten.

Wenn sie auf Sandinisten stießen und diesen ersten Kontakt überlebten, dann würden eben die Verhandlungen beginnen, und man würde improvisieren müssen.

Und so saßen sie nun auf der Veranda der alten Finca. Auf dem Grill lagen Steaks und Hamburger und die Kiste mit den Flaschen Becks war gut gekühlt. Sie sprachen über alles Mögliche, nur nicht ihre Mission. Es schien fast als wäre diese ein Tabu. Ben entschied sich das Tabu zu brechen.

„Nun mal unter uns Beiden“, fragte er. „Welche Chancen haben wir wirklich?“ John, er hieß wirklich John, wenn sein Pass nicht gefälscht war, zuckte mit den Schultern.

„Alles ist möglich“, wich er aus. „Mit viel Glück können wir schon etwas über die Botschaft erreichen.“

„Okay, aber daran glauben sie selbst nicht so recht, oder“, zweifelte Ben.

„Naja“, gab John zu, „wenn wir die Entführer suchen müssen kann es haarig werden“.

„Und für eine gewaltsame Befreiung ohne die Hilfe der Nationalgarde sehe ich eigentlich keine großen Chancen. Das Lösegeld könnte helfen.“

Sie verfielen in ein stummes Brüten. John warf ihm eine Flasche Bier zu.

„Here, have another one“.

Eigentlich hatte Ben keine Lust hier so etwas wie eine Abschiedsfeier vom Leben abzuziehen. Er hatte vor aus dieser Sache lebend herauszukommen, und zwar mit seiner Schwester. So ging er dann auch ziemlich früh nach dem Essen auf sein Zimmer und fiel bald in einen unruhigen Schlaf.

Der 2. September war ein Samstag und nur Albert Karst wusste wie er es geschafft hatte ihnen einen Termin mit den beiden Botschaftern zu verschaffen. Der erste, mit dem Deutschen, war um 09:00 Uhr und sie waren pünktlich.

Sie wurden sehr förmlich empfangen. Den angebotenen Fruchtsaft lehnten sie ab.

„Nehmen Sie bitte auf der Terrasse Platz“, bat sie ein Bediensteter.

Ben setzte sich in einen Korbstuhl. John lehnte lässig an dem Kaminsims des Terrassenkamins.

Der Botschafter sah aus wie ein smarter Jungbanker von 35 Jahren und war sicherlich ein Könner auf diplomatischem Parkett. Er trug einen grauen Flanellanzug und ein weißes Hemd mit offenem Kragen. Es war offensichtlich, dass der Mann sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. Bei den beiden Männern in Safarioutfits schien er sich sichtlich unwohl zu fühlen.

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, eröffnete er das Gespräch.

„Ich bin der Bruder einer der entführten Frauen“, stellte Ben sich vor. „Können Sie uns Informationen über die Entführung geben?“.

„Ich bedaure, aber nein, das kann ich nicht. Nicht einmal die nicaraguanische Regierung hat Informationen über den Verbleib der Frauen, und somit hat auch die deutsche Regierung keine Informationen“.

„Was können Sie uns raten?“, fragte John. „An wen könnten wir uns wenden um einen Kontakt herzustellen?“

„Ich rate dringend davon ab etwas auf eigene Faust zu unternehmen. Die Lage ist zu angespannt und keiner weiß so recht wer Freund und Feind ist. Sie sollten das den Politikern überlassen. Die Entführer werden sich sicher bald melden und ihre Forderungen stellen. Mischen Sie sich nicht ein. Die Botschaft kann sonst Ihre Sicherheit nicht garantieren. Wir können nicht noch mehr Komplikationen gebrauchen“.

Verlorene Zeit!

Der Botschafter Nicaraguas war überaus freundlich, redete viel und sagte fast nichts. Er deutete an, dass die Sandinisten niemals eine solche Machtfülle erlangt hätten, wenn die europäischen Regierungen sich frühzeitig auf die Seite Somozas gestellt hätten. Schließlich war er ja der gewählte Volksvertreter und die Sandinisten waren die hochverräterischen, verbrecherischen Umstürzler. Nun habe man die Anarchie.

Geduldig hörten die beiden Männer den idealistischen Vortag zu Ende. Ob er denn wisse wo die Frauen sein könnten. Die Frage erntete nur ein Schulterzucken. Welche Splittergruppe wohl den Überfall begangen habe.

„Wahrscheinlich die Terceristas“ war die Antwort. Diesen Verbrechern graue es auch nicht vor Kindsmord. Ob er ein Empfehlungsschreiben ausstellen könne, damit die Nationalgarde hilfsbereiter sei. Natürlich gerne, aber unterzeichnen müsse das der Oberbefehlshaber. In 14 Tagen könne man es abholen.

Einen Ansatzpunkt? Nein, er sehe keinen. Besser nichts auf eigene Faust versuchen sondern die Verhandlungen den Politikern überlassen. Wenn es denn zu Verhandlungen käme. Irgendwann würden die Entführer ja wohl ihre Forderungen stellen.

Sie nutzten die Fahrt in die Hauptstadt um noch einige Dinge einzukaufen, die sie brauchten. Sie füllten den Tank des Landrover und verstauten zehn zwanzig Liter Kanister im Kofferraum. Der Rover hatte eine Zelle aus verstärktem Blech. Wenn aber ein Projektil von einem etwas größeren Kaliber den Kofferraum treffen würde…

Zurück auf der Finca warf ihm John eine seltsam aussehende Waffe zu. Ben drehte sie in den Händen wie jemand der eben noch nie eine Waffe in Händen hatte.

„Das ist eine Uzi“, knurrte John, „Kaliber 9 mm. Das große Stangenmagazin, das wir verwenden, hat 40 Schuss. Allerdings verschießt sie auch 600 Schuss pro Minute, und wenn sie den Abzug durchgedrückt halten ist das Magazin in vier Sekunden leer. Also besser auf Einzelfeuer lassen oder nur kurze Feuerstöße abgeben.“

So fing es an, und so ging es weiter. Er lernte, dass die belgische Pistole FN Highpower 13 Schuss im Magazin und einen im Lauf hat, dass ein Sturmgewehr in Hüfte gehalten beim Laufen nach rechts auswanderte wenn man den linken Fuß nach vorne setzte, und man deshalb den Feuerstoß abgeben muss wenn man den rechten Fuß nach vorne bringt. Er lernte die Funktionsweise des Kalaschnikow Sturmgewehres, der bevorzugten Waffe von Nationalgarde und Rebellen. Er lernte, dass die hochgiftige Korallenotter genauso ein auffälliges Muster hatte wie die ungiftige Scharlachnatter, dass die Korallenotter aber auch manchmal beißt ohne ihr Gift abzugeben, weil sie so lange braucht um Neues zu produzieren. Er lernte, dass die bunten, oft nur zwei Zentimeter großen, Pfeilgiftfrösche ein Kontaktnervengift ausscheiden das bei einer Konzentration von 0,002 Milligramm pro Kilogramm des Beutetieres schon tödlich sein konnte. Ein Mensch mit einem Gewicht von 80 Kg würde also bei einer Aufnahme von 0,16 Gramm nach 20 Minuten an einer Blockierung der Atmung sterben. Er lernte was im Dschungel essbar ist, wie man sich orientiert, wie man Wasser findet und wo man am ungefährlichsten nächtigte.

Schon nach einem halben Tag rauchte ihn der Kopf.

Am Sonntag, dem 3. September um 05:00 Uhr morgens verstauten sie die Ausrüstung. Ben staunte nicht schlecht, als John die versteckte Klappe unter der Rückbank öffnete. Hier war ausreichend Platz für die Waffen und für Hunderte Schuss Munition. Sogar einige Handgranaten waren da und Signalfackeln. Darüber lag ein gefaltetes Tarnnetz aus Militärbeständen. Auf der Rückbank lagen zwei Kameras und ein Aufnahmegerät. Ben war guter Hoffnung, dass ihre Legende als Reporter der „Global Print Media Group“ einer Prüfung standhalten würde.

La Liberación

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