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31. August 1978 - Südufer des Nicaragua See
ОглавлениеSeit zwei Stunden lagen sie praktisch bewegungslos im hüfthohen Gras. Es war unglaublich heiß geworden. Es musste so um die 14:00 Uhr sein und die Sonne schien erbarmungslos. Keine Wolke stand am Himmel und versprach etwas Schatten. Die Körper waren schweißgebadet und mittlerweile waren auch die letzten Tropfen Wasser verbraucht. Der Staub und die Gräser juckten am ganzen Körper. Das Atmen fiel schwer.
Der Leutnant war sich klar, dass etwas geschehen musste. Sie würden diese körperliche und nervliche Belastung nicht noch weitere vier Stunden bis zum Anbruch der Dunkelheit durchhalten. Vor einigen Minuten warf er seine Feldflasche etwa fünf Meter von sich in das Gras. Prompt schlug mit zischendem Geräusch eine Kugel in unmittelbarer Nähe ein. Von dem schallgedämpften Schuss war nichts zu hören gewesen. Diese Aktion machte auf eindrucksvolle Weise klar, dass der Scharfschütze nicht nur noch da war, sondern sie genau im Auge hatte.
Ein Ausfall war mehr als risikoreich, denn zum einen war ein gutes Scharfschützengewehr auf 2000 m präzise und noch auf 3000 m unter Umständen tödlich, wobei ihre Sturmgewehre gerade mal bis 1500 m wirkungsvoll waren. Und zum anderen hatten sie keinen Schimmer wo der Schütze war und wohin sie schießen sollten um ihn beim Zielen zu stören.
Einer der Männer kam zu ihm.
„Teniente“, sagte er, „ich melde mich freiwillig um Hilfe zu holen“. „Geben Sie mir Feuerschutz, und ich renne im Zickzack zur Senke. Ich bin ein guter Läufer. Ich kann es schaffen“.
Der Leutnant dachte darüber nach. Ein sich schnell bewegendes Ziel auf große Distanz zu treffen während man selbst unter Feuer lag bedurfte schon eines Könners in seinem tödlichen Fach. Er war versucht den Mann gehen zu lassen.
Er hatte auch darüber nachgedacht die Frauen als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Aber er war sich nicht über die tatsächliche humane Einstellung des Schützen im Klaren. Vielleicht würde er trotzdem schießen. Auch Aufgeben war keine Option. In diesem Bürgerkrieg machte keine der beiden Seiten Gefangene.
Er gab die Order aus, dass der Freiwillige versuchen würde die knapp 400 m bis zum Abbruch der Senke zu schaffen. Sie alle würden auf die Bäume auf der rechten Seite der Senke feuern was das Zeug hielt und der mutige Soldat würde um sein Leben rennen; und letztendlich auch um das ihre.
„Hier, Soldat, trinken Sie. Das ist mein letztes Wasser. Wenn Sie es schaffen gehen Sie zur Garnison und melden Sie dem Coronel, dass wir Hilfe benötigen. Seien Sie vorsichtig vor dem Pöbel und schleichen Sie sich von hinten an die Garnison an. Sie sind ein mutiger Mann. Ich wünsche Ihnen viel Glück!“
Die Männer machten sich bereit. Waffen wurden durchgeladen. Auf einen Pfiff gingen die Männer in die Hocke oder auf die Knie und deckten die Bäume auf der rechten Seite der Senke mit einem tödlichen Kugelhagel ein. Beim ersten Schuss war der Mann aufgesprungen und in wilden Zick-Zack Sprüngen losgelaufen. Alle hielten den Atem an und hofften, dass sie seine Flucht mit ihren Feuerstößen decken konnte.
Er hatte die Hälfte des Weges hinter sich. Er konnte es schaffen. Die Spannung wurde unerträglich als eine Kugel den Mann in vollem Lauf traf. Sie musste ihn in ein Bein getroffen haben, denn sie gab dem gesamten Körper ein Drehmoment das ihn einmal um seine eigene Achse wirbelte. Durch den Schwung des Laufes auf abwärts führendem Terrain stürze er schwer rückwärts in Laufrichtung. Mit einem dumpfen Aufschlag den sie über 200 m hörten und einem Schrei aus Schmerz und Wut kam er rückwärts auf dem Trampelpfad zum Liegen. Eine halbe Minute später traf ihn die zweite Kugel und beendete sein Leben und ihre Hoffnungen.
Die Ärztin hatte leise mit den anderen Frauen gesprochen. Sie kramte in dem Paket mit den Medikamenten. Der Leutnant war einerseits traurig über den Verlust eines mutigen Kameraden und andererseits zornig über die Aussichtslosigkeit der Lage. Was wollte nun diese Deutsche mit Verbandmaterial? Dem Mann war nicht mehr zu helfen.
Inzwischen hatte Andrea Karst aus drei Mullbinden und einer Armschiene eine Fackel gebastelt die sie mit alkoholhaltiger Lösung zum Desinfizieren getränkt hatten. Sie holte tief Atem, entzündete die Fackel mit einem Streichholz und sprang auf. Sie lief geduckt an der rechten Seite der Gruppe entlang und hielt die Fackel neben sich auf Kniehöhe.
„Was tun Sie da?“, brüllte der Leutnant. „Sind Sie verrückt geworden?“.
Sie hörte es nicht. Sofort entzündete sich das ausgedörrte Gras. Wo es anfing zu brennen erhob sich ein dichter Schleier aus fast schwarzem Rauch. Sie war etwa zehn Meter in Richtung des Abbruchs der Senke gekommen als eine Kugel kurz vor ihr in den Boden einschlug. Sie machte entsetzt einen Schritt rückwärts. Sofort war sie hinter dem Schleier aus Rauch vor den Blicken von rechts geschützt. Beißend stieg der Qualm in ihre Lungen. Sie biss sich auf die Lippen, atmete aus und lief weiter. Nach etwa zwanzig Metern verfehlte ein Schuss sie nur knapp. Wieder trat sie einen Schritt zurück. Sie hatte verstanden. Der Schütze hatte ein Scharfschützengewehr, keine vollautomatische Waffe. Er musste nach jedem Schuss nachladen.
Sie lief weiter und hatte bald dreißig Meter geschafft als sie plötzlich einen großen Schritt zurück machte. Sirrend schlug genau dort wo sie gestanden hatte eine Kugel ein. Es reichte aus. Das Feuer hatte sich durch den Hangwind fast auf die Hälfte der Senke ausgedehnt, und dichte Rauchschwaden machten eine Sicht unmöglich. Auch die Gruppe hatte inzwischen verstanden und alle hatten sich aufgerafft und rannten im Schutz des Rauches auf den Abbruch zu.
Mit lauten Befehlen trieb der Leutnant sie an und dirigierte sie in eine Richtung. Nur zusammen bleiben jetzt, und niemanden im Rauch und Feuer verlieren. Diese verrückte Deutsche würde noch den ganzen Regenwald anzünden. Einer nach dem Anderen erreichten sie das Ende der Senke und somit eine sichere Deckung. Schwer atmend lagen sie im Graben neben einer Schotterstraße. Die Straße führte in Serpentinen nach unten in eine kleine Stadt am Ufer des Sees. Zwischen den Serpentinen führte ein Trampelpfad senkrecht nach unten. Keuchend vor Anstrengung machten sie sich an den Abstieg. Diese verrückte Deutsche hatte sie gerettet.