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30. August 1978 - Hamburg, Deutschland

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Sein Büro im elften Stock des Verlagshauses hatte die Größe der Wohnung einer mittelgroßen Familie. Es war ein Eckbüro und zwei Wände waren von Fenstern dominiert. Auf der linken Seite des Raumes stand ein langer Konferenztisch mit einem guten Dutzend lederbezogener Sitzgelegenheiten. Der Boden bestand aus Eichenparkett. Die verbleibenden beiden Wände bestanden in ihrer gesamten Fläche aus Bücherregalen mit wohl mehr als dreitausend Büchern. Albert Karst hatte einst den Ehrgeiz jedes Buch das er verlegt hatte, in dieser Sammlung zu besitzen. Dieses Vorhaben musste er aus Platzmangel schon vor vielen Jahren aufgeben.

An den freien Flächen der Wände hingen sechs Uhren, welche verschiedene Weltzeiten anzeigten. Außerdem waren da noch zwei Fernsehmonitore in die Verkleidung eingelassen, auf denen permanent, aber ohne Ton, die wichtigsten Nachrichtensender liefen. Ansonsten war da nichts mehr. Es gab keine „ich mag mich Wand“. Keine Regale mit Preisen, keine Urkunden, keine Erinnerungsfotos. Weder von der Familie, noch von ihm selbst mit den Großen der Weltgeschichte. Und er hatte weiß Gott einige dieser Fotos vorzuweisen.

Ben hatte immer gedacht, dass sein Schreibtisch eine Verkörperung der Weltanschauung seines Vaters war. Schwere Gründerzeiteiche. Massiv, wuchtig, imposant, ohne zu viele Schnörkel, und aus dem letzten Jahrhundert.

In diesem Büro gab es nichts Persönliches. Nicht einmal auf dem Schreibtisch stand ein Foto seiner Frau oder seiner Kinder. Er war voll von modernen Kommunikationsmitteln. Dies war der Arbeitsplatz eines Mannes, der sich durch nichts ablenken ließ. Das Heim ist Zuhause. Arbeit ist Arbeit.

Die beiden Assistentinnen im Vorzimmer passten zum Buero seines Vaters. Sie waren etwas älter, völlig humorlos, ungeschminkt und unscheinbar und hocheffizient. Sie hatten Albert Karst sofort nach der Ankunft der beiden Männer informiert. Entgegen der üblichen Verfahrensweise wurden sie sofort vorgelassen.

Als sich Albert Karst erhob konnte Ben nicht anders als die körperliche Fitness seines Vaters zu bewundern. Mit seinen 63 Jahren hatte er immer noch breite Schultern, eine schlanke Gestalt und bewegte sich auf eine kraftvolle, elastische Art und Weise die vielen jüngeren Männern abhandengekommen war. Er hatte einen sonnengebräunten Teint, kurzgeschnittene silbergraue Haare, und einen kurzen, grauen, perfekt getrimmten Vollbart. Sein maßgeschneiderter Anzug saß perfekt und ohne Falten.

„Hallo, mein Junge“, sagte er und ging mit beiden Armen ausgestreckt auf Ben zu.

Unangenehm berührt ließ Ben die kurze Umarmung über sich ergehen. Er fühlte, dass sie nicht von Herzen kam.

„Vater“, sagte er knapp und nickte grüßend.

„Wie geht es Dir?“, fragte der Ältere. „Erzähl` schon, was macht dein Spanisch?“

„Danke, es geht mir gut. Aber du hast mich bestimmt nicht entführen lassen, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen“, wagte Ben einen trotzigen Vorstoß. Die Worte kamen unwillig heraus. Er hatte aus den Augenwinkeln gesehen wie sich John ungeniert an der Bar seines Vaters bediente. Irgendwie störte ihn das. War das Eifersucht?

„In Ordnung, kommen wir zur Sache“, sagte der Ältere und reichte Ben die Ausgabe einer großen Tageszeitung. Ben nahm sie, und lass:

„Massaker in Hilfscamp – Ärztin und Krankenschwestern entführt“

Er überflog den Artikel. Nicaragua, Afrika, Kolumbien. Irgendwo wurde immer jemand entführt. In diesem Fall waren es zwei Deutsche und eine Spanierin. Was ging ihn das an?

„Und was soll ich nun damit anfangen?“ „Willst du dass ich dahin fliege und eine Reportage schreibe?“, fragte er unwirsch.

„Eine gute Reportage würde nicht schaden“, erwiderte der Vater. „Aber was ich wirklich von dir erwarte ist, dass du dahin fliegst, und deine Schwester da rausholst.

La Liberación

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