Читать книгу Häuser des Jahres 2021 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 15

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Die Baukunst der Reduktion

Anerkennungen

von Bathke Geisel Architekten

in Münsing


Die Lage ist idyllisch, ein Bach grenzt an. Um den Grund möglichst wenig zu versiegeln und den Charme des „wilden Gartens“ zu erhalten, liegen Zufahrt und Carport ein Stück vom Haus entfernt.

Elegant fügt sich das mit vorvergrautem Holz beplankte Haus an den Bach und in das Grün. Auf einen Keller wurde verzichtet, Autos verbleiben an der Grundstücksgrenze.

„Wussten Sie schon, dass die Alpen einen ganz erbärmlichen Anblick bieten, wenn man sich die Berge mal wegdenkt?“ Loriot hatte gut reden: Münsings Ehrenbürger, dem die oberbayerische Gemeinde am Starnberger See seit 2017 auf dem Dorfplatz mit den „Herren im Bad“ – Dr. Klöbner und Herrn Müller-Lüdenscheid in einer Wanne aus grauem Granit – gedenkt, hatte die idyllische Landschaft zu Lebzeiten stets im Blick. Direkt am See liegt das Haus im Münsinger Ortsteil Wimpasing, das die Architekten Steffen Bathke und Lutz Geisel – die 2005 in München die Bathke Geisel Architekten PartGmbB gründeten – erbaut haben, zwar nicht, es liegt an einem Bach. Aber wenn man sich die Berge nicht wegdenkt, hat die junge Bauherrenfamilie immerhin die Alpen großartig im Blick.

Das zum Bachlauf leicht abfallende Grundstück liegt am Dorfrand, das Ufer ist dicht mit Bäumen bewachsen, nach Norden fällt der grüngerahmte Blick auf ein Feld. Der Bebauungsplan war streng, der Kampf um genehmigungsfähige Freiheiten, so die Architekten, war durchaus herausfordernd. Der Auftrag für das Familiendomizil kam auf Empfehlung aus dem Bekanntenkreis sowie von einer ausführenden Holzbaufirma aus dem Vorarlberg zustande, mit der das Büro schon mehrmals und gerne zusammengearbeitet hat: Sie empfahl den Bauherren, so Steffen Bathke, „sich an uns als ‚lokale‘ Architekten zu wenden“.

Die Zufahrt liegt an der Südwestseite, die Autos bleiben auf Abstand im vorgelagerten Carport. Der überdachten Sitzbank im Eingang nähern Bewohner und Besucher sich zu Fuß. Im Erdgeschoss öffnet sich der Essbereich gen Bach, gewohnt wird mit Blick auf das Feld. Ein weiterer, separater und intimerer Wohnraum liegt auf der Westseite. Zentral besetzt ein Kern aus Sichtbeton den kompakten Grundriss. Eine einläufige Treppe führt ins Obergeschoss, das die Schlafräume beherbergt. Das blaue Kinderbad trennt die beiden Kinderzimmer voneinander. Das knapp 200 Quadratmeter große Haus für Vier kommt ohne Keller aus.

Diszipliniert bildet die Fassade aus vorvergrauten Hölzern verschiedener Breiten die Nutzung und die Höhenentwicklung des Hauses ab: Das Erdgeschoss öffnet sich großformatig und raumhoch, das Obergeschoss wird von quadratischen Lochfenstern gegliedert. Die Geschossigkeit lässt sich zudem durch eine feine horizontale Staffelung von außen ablesen. Eine Holzständerkonstruktion bildet die Tragstruktur der Wände, die Massivholzdecken bleiben sichtbar, die Dachhaut besteht aus Ziegel. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe versorgt das Haus mit Wärme.

Urteil der Jury

von Sven Aretz und Jakob Dürr

Im Schwarzplan muss man das neue Gebäudeensemble aus Wohnhaus und Garage erst suchen, so selbstverständlich bildet es den Abschluss des Ortsrandes. Ebenso selbstverständlich und zurückhaltend erscheint dem Betrachter das Gebäudeensemble inmitten der natürlich gewachsenen Gartenkulisse aus Büschen und Bäumen von der Straße aus. Es fällt nicht auf. Als sei es immer schon da gewesen. Austauschbar oder gar beliebig wird es dadurch aber mitnichten.

Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Schönheit des Ensembles, insbesondere des Wohnhauses. Eine Schönheit, die nicht auffallen will, die jedoch in jedem Maßstab der Betrachtung von der städtebaulichen Setzung über die funktionale Organisation bis in den feinfühligen Umgang mit Material und Struktur spürbar wird.

So erzeugt das Ensemble, von der Straße über einen Kiesweg abgerückt, einen klaren Ankunftsort, zu dem sich das Wohnhaus traufständig ausrichtet. Die gleichmäßige, nach oben hin geschossweise, kaskadenartig wachsende Staffelung von Fassade und Dach gliedert das Bauvolumen in wohlproportioniertem, menschlichem Maßstab. Gleichzeitig leitet das Münchner Architekturbüro aus der horizontalen Staffelung die Möglichkeit her, die unterschiedlichen Öffnungen in der Fassade geschossweise und ihrer Funktion entsprechend zu sortieren, ohne dabei die unaufgeregte Schlichtheit und Ruhe der Fassade zu stören.

Vorvergraute Hölzer in der Fassade, sichtbar akkurat gefügt und Ziegel als Dacheindeckung, Betonsockel mit Brettschalung: Lebendige Materialien, die altern, Patina bilden und sich in den Lebenszyklus der umgebenden Vegetation einfügen.

Große Empathie für menschliche Gewohnheiten finden sich in aufmerksamen Details wie der überdachten Eingangssituation, den nach Funktionsabläufen, Ausblicken und Himmelsrichtungen geordneten Grundrissen und Fensteröffnungen, aber auch in planerisch kunstvollen Detailfügungen der verschiedenen Materialien wieder.

Ein stilles, aber kraftvolles Projekt, das es verdient, in der gegeneinander auftrumpfenden Wohnwelt des „Sehen und Gesehen werden“ in seiner schlichten Schönheit gezeigt und gewürdigt zu werden.




„Die junge Bauherrenfamilie hatte von Anfang an genaue Vorstellungen von ihrem Haus, gleichzeitig aber auch Vertrauen, was ein großartiges Miteinander-Planen und -Bauen ermöglichte“, erinnert sich Steffen Bathke.


Münsing bezeichnet sich selbst gern als Künstlerkolonie, die Gemeinde liegt landschaftlich reizvoll am Starnberger See und ist reich an Baudenkmälern. Das neue Haus am äußeren Ortsrands von Wimpasing passt.


Längsschnitt


Querschnitt


Grundriss Erdgeschoss


Grundriss Obergeschoss


Material: Außenwand & Fassade: Holzbau mit Holzschalung | Dach: Holzkonstruktion mit Ziegeldeckung | Fenster: Holz | Sonnenschutz & Sichtschutz: Textil | Türen, Tore & Beschläge: Holz | Treppen & Lifte: Holz | Bodenbeläge & Designböden: Massivholzdielen | Heizen & Lüften: Wärmepumpe | Gebäudetechnik: Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

Maßstab

M 1:400

1Eingang

2Wohnen

3Kochen, Essen

4Technik

5Schlafen

6Bad

7Carport

„Das Haus am Bach ist ein im besten Sinne einfaches Haus, bei dem nur das Nötigste gebaut wurde – aber das in einer hohen handwerklichen Detailqualität.“


Lutz Geisel, Steffen Bathke

Bathke Geisel Architekten, München

www.bathke-geisel.de

Anzahl der Bewohner:

4

Wohnfläche (m2):

173

Grundstücksgröße (m2):

1.136

Standort: Münsing

Zusätzliche Nutzfläche (m2): 23

Bauweise: Holzbau

Fertigstellung: 04/2020

Architekturfotografie:

Stefan Müller-Naumann, München

www.architektur-fotografmuenchen.de

Lageplan


Häuser des Jahres 2021

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