Читать книгу Häuser des Jahres 2021 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 18

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Vorne hui. Und hinten? Besonders hui!

Anerkennungen

von ARSP ZT GmbH

in Dornbirn (A)


Mit einem leichten Stahlgerüst erweiterte die Architektenfamilie den Altbau von 1929. Zur Straße hat er sein Gesicht bewahrt, im Garten zeigt sich die zeitgemäße Adaption an heutige Wohnwünsche.

Dass Dornbirn im Vorarlberg seit Jahren als “Mekka der Baukultur” gilt, hat der 1960 verstorbene Wilhelm Fleisch nicht mehr erlebt. Dabei muss sich die Siedlung “Rüttenersch”, die der Architekt 1929 im Auftrag der Stadt zur Milderung der Wohnungsnot anlegte und in der 19 typengleiche Wohnhäuser im Stil der Zwischenkriegszeit entstanden, nicht verstecken. Städtebaulich sind die Gebäude versetzt angeordnet, es entstand ein rhythmisierter, durchgrünter Straßenraum, trotz relativer Dichte haben die Häuser geschützte Gärten. Die sogenannte „Villa Fleisch“ unterschied sich bereits vor dem Umbau 2018 von den Nachbarn, sie war 1935 zur Gartenseite um vier Meter erweitert worden. Für die Architektenfamilie auf der Suche nach Wohnraum war sie die perfekte Lösung: Ein eigener Neubau war nie interessant und kam auch nicht wirklich in Frage, die Nutzung alter Bausubstanz erscheint Rike Kress, Assoziierte im Dornbirner Büro ARSP – Architekten Rüf Stasi Partner, reizvoll und richtig. Zum Zeitpunkt des Umbaus präsentierte sich das Haus zur Straße hin in weitestgehend ursprünglichem Zustand. Die nordseitige Gartenseite des Anbaus von 1935 jedoch wirkte mit den beliebig platzierten Fenstern, so Rike Kress, eher unbelebt und abweisend.

Das architektonische Konzept für die Umgestaltung folgt dieser Janusköpfigkeit: Die Straßenfront blieb erhalten, zum nordseitigen Garten erweitert sich das Haus jedoch jetzt um zwei weitere Meter durch einen vorgesetzten Stahlanbau. Dabei folgt die in ihrem Material dem Gebäude eigentlich so fremde neue Raumschicht der Silhouette des Altbaus. Die Brüstungen der bestehenden Fenster wurden abgebrochen, sodass der Metallgitteranbau den Ausgang ins Freie auf allen Ebenen ermöglicht.

Innenräumlich wurde die bestehende Aufteilung – eine kleine Einliegerwohnung und ein Gästezimmer im Erdgeschoss sowie eine Familienwohnung in den oberen beiden Geschossen – beibehalten. Wände wurden entsprechend der Lebensvorstellung der Familie versetzt, abgebrochen, neu errichtet, heute lebt es sich hier mit präzisen Durchblicken und sinnhaften Raumfolgen. Lehmputz und Holztäfer sorgen für Wohnlichkeit. Entstanden ist das neue alte Haus mit viel Eigenleistung, „und das neben der sehr zeitintensiven Berufstätigkeit und einem laufenden Familienleben mit zwei Kindern“, eingschränktem Budget und dem selbst gesetzten Ziel, „dass wir uns nach dem Kauf des Grundstücks im Frühjahr vorgenommen hatten, noch im Herbst des gleichen Jahres in unser neues Zuhause einzuziehen.“

Urteil der Jury

von Sven Aretz und Jakob Dürr

Bestehende Gebäude nach Möglichkeit weiterhin zu nutzen, wo nötig zu ändern und zu ergänzen, kann unter Berücksichtigung der baulichen Angemessenheit ein guter Beitrag zum nachhaltigen Bauen sein. Dieser Vorgang hat gute Tradition und findet sich auch im Bestandsgebäude selbst wieder, das 1929 erbaut und 1935 baulich erweitert wurde.

Es ist eine Qualität, in einem Bestandsgebäude nicht das zu sehen, was es ist, sondern was es sein kann. Konzeptionell schlüssig legt das österreichische Architekturbüro aus Dornbirn das funktionale und räumliche Potenzial des Bestandsgebäudes in der Wohnung vom ersten Obergeschoss bis in den Dachraum frei und ergänzt die neu organisierte Wohnung durch eine Art begehbares „Gartenregal“. Dadurch gewinnen die jeweiligen Wohnräume einen witterungsgeschützten Außenraum mit direktem Gartenzugang.

Die Verwendung des zeitgenössischen Baumaterials Stahl macht den baulichen Eingriff ablesbar und trägt gleichwohl der gesellschaftlichen Entwicklung mit dem Bedürfnis nach erlebbarem Außenwohnraum Rechnung. Holzdielen als Außenbelag spannen den materiellen und zugleich zeitlichen Bogen zum Dielenboden des Bestandsgebäudes. Ein hauchdünnes Metallgewebe als Absturzschutz verleiht dem „Gartenregal“ ein Gefühl von Leichtigkeit ohne Barriere zum Naturraum. Es ist immer wieder erfrischend zu sehen, wie wenig Eingriff notwendig ist, um Gutes zu schaffen.




„Dass wir Planer und Bauherr in Personalunion waren“, so Rike Kress, „hatte den Vorteil, dass viele Entscheidungen sehr spontan getroffen werden konnten und wir auf Kostenentwicklung und vorgefundene Überraschungen im Bestand sehr schnell reagieren konnten.“


Die Architekten sehen den Wunsch nach dem Bau eines Einfamilienhauses kritisch: Es sorgt für Zersiedelung, hat einen hohen Flächenverbrauch und ist oftmals unflexibel. „Daher kann der ständige Neubau von Einfamilienhäusern unseres Erachtens nicht die Antwort auf die Wohnungsfrage sein. Zumal es gleichzeitig so viel Leerstand bei bestehenden (Wohn-) Gebäuden gibt. Bei unserer Suche nach einem geeigneten Wohnraum waren wir deshalb immer auf der Suche nach gemeinschaftlichen Wohnformen einerseits oder einem interessanten Bestandsgebäude. Mit der „Villa Fleisch“ hatten wir dann schließlich Glück. Die Bausubstanz ist sehr robust und in der Struktur äußerst flexibel nutzbar. Auch, dass mehrere Wohneinheiten prinzipiell schon angelegt waren (Familienwohnung oben, Einliegerwohnung unten, Jokerzimmer für Gäste und als Zwischenlösung für Freunde und Bekannte), hat uns sehr gereizt.“


Ansicht


Querschnitt


Grundriss Dachgeschoss


Grundriss Obergeschoss


Grundriss Erdgeschoss


Hersteller: Absturzsicherung beim Stahlanbau: Webnet, Firma Wüstner

Maßstab

M 1:400

1Eingang

2Wohnen

3Kochen, Essen

4Bad

5Schlafen

6Gast

7Terrassenanbau

8WC

9Arbeiten

10Wohnküche

„Ein wichtiges Anliegen bei diesem Projekt war es für uns, das Gebäude neu zu beleben, ohne ihm den Perfektionismus eines Neubaus überzustülpen. Keine Totsanierung, sondern eine Revitalisierung.“


Frank Stasi, Rike Kress

ARSP ZT GmbH, Dornbirn (A)

www.arsp.cc

Anzahl der Bewohner:

3 + 1

Wohnfläche (m2):

165 + 58

Grundstücksgröße (m2):

615

Standort: Dornbirn (A)

Bauweise:

Bestand: Mauerwerkswände, Dachstuhl aus Holz, Anbau: Stahlbau

Fertigstellung: 10/2018

Architekturfotografie:

Zooey Braun, Stuttgart

www.zooeybraun.de

Lageplan


Häuser des Jahres 2021

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