Читать книгу Häuser des Jahres 2021 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 8

Vorwort

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von Katharina Matzig

Das Jahr 2021 begann still. Alkohol war ebenso verboten wie große Feiern, Feuerwerk wurde nicht verkauft. Die Hoffnung, dass Böller und sonstige Höllenspektakel böse Geister inklusive Viren aller Art vertreiben könnten, wie die Germanen es noch glaubten, auf die der Kult der lauten Silvesternacht zurückgeht, hatte sich ebenso zerschlagen wie die Zuversicht, unsere Jurysitzung im Februar in Präsenz stattfinden lassen zu können. Der Begeisterung über die besonders hohe Zahl an Einreichungen – 180 Einfamilienhäuser aus Deutschland, Österreich, Südtirol und der Schweiz bewarben sich darum, zu den 50 besten Einfamilienhäusern des Jahres 2021 zu gehören –, tat die „Schalte am Rechner“ jedoch keinen Abbruch: So ausgiebig und ausführlich wie nie wurde debattiert und diskutiert, von Frankfurt und von Köln aus, aus Zürich, Ostfildern und aus München, über die städtebauliche Setzung, die Präzision der Grundrisse, die Komplexität der Räume, die Angemessenheit in der Umsetzung, über Material, Energieverbrauch, die soziale Nachhaltigkeit, also die flexible Anpassung an sich wandelnde Lebens- und Wohnansprüche, und an den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Boden sowie dem Bestand. Und tatsächlich wurde es vor allem beim letztgenannten Punkt bisweilen auch laut.

Zum elften Mal wurde der Wettbewerb Häuser des Jahres ausgelobt und ein Haus mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Große und kleine Bauten waren in allen Jahren dabei. Das kleinste kommt heuer mit 50 Quadratmetern aus, die von Armando Ruinelli für eine Person zum Studieren und Wohnen maßgeschneidert wurden. Das größte misst knapp 531 Quadratmeter Wohnfläche für vier, von Dietrich | Untertrifaller wohnlich gestaltet. Häuser auf dem Land wurden ausgewählt und auf dem Dorf, in der Vorstadt und der Stadt. Sie sind aus Beton, Ziegel oder aus Stein, flächig aufgeglast oder von einzelnen Setzungen perforiert. Lehm sorgt für ein gesundes und dabei atmosphärisches Innenraumklima und bisweilen, wie bei dem Projekt, das Christian Feldkircher für seine Familie realisiert hat, kommt das Holz sogar aus dem eigenen Wald, aufgeforstet von den Urgroßeltern nach dem Bau des Bauernhauses und von der Urenkelin genutzt, die jetzt nicht nur komfortabel wohnt, sondern natürlich wieder 750 Jungbäume angepflanzt hat. Die Häuser des Jahres liegen am Hang oder am Wasser, sie ducken sich aufs Gelände oder strecken sich in die Höhe. Und liest man die Antworten auf meine Frage, was den Reiz und das Problem beim Bau eines Einfamilienhauses ausmacht, dann sind heute die kritischen Töne sehr viel lauter als vor Jahren, und die Architektinnen und Architekten gehen mit gutem Beispiel voran: „Der ständige Neubau von Einfamilienhäusern kann unseres Erachtens nicht die Antwort auf die Wohnungsfrage sein. Zumal es gleichzeitig so viel Leerstand bei bestehenden (Wohn-)Gebäuden gibt. Bei unserer Suche nach einem geeigneten Wohnraum waren wir deshalb immer auf der Suche nach gemeinschaftlichen Wohnformen oder einem interessanten Bestandsgebäude“, so Rike Kress von ARSP.

In der Realität sind die Kolleginnen und Kollegen also längst angekommen, da hätte es den Knall, mit dem im Februar 2021 nach einem Interview des Grünen-Fraktionschefs Anton Hofreiter über das Verbot von Einfamilienhäusern gestritten wurde, gar nicht gebraucht. Zumal es richtig ist, dass das Einfamilienhaus nicht die einzig denkbare Wohnform ist und nicht für jeden Ort die beste Lösung. Gezeigt hat die Debatte jedoch, wie emotional aufgeladen das Thema Einfamilienhaus ist: Das eigene Haus ist und bleibt ein Traum Vieler, ein sicherer Rückzugsort und individueller Ausdruck eines persönlichen Wohn- und Lebensgefühls. Dass es dafür differenzierte und höchst unterschiedliche Lösungen gibt, zeigt dieses Buch, das auch jedem Politiker ans Herz gelegt sei: In Nürnberg entstand Lebensraum für eine Familie durch die Aufstockung eines kriegsgeschädigten Hauses, samt Dachgarten für alle Wohnparteien. In Esslingen wurde ein Parkplatz zum Wohnhäuschen, in Buchs reckt sich auf unbebaubarem Grund ein Turm. Historische Höfe in Sternenberg und in Dietach sind heute zeitgemäßer Wohnraum, in einem Gewerbegebiet im Norden von Luzern lebt es sich höchst angenehm in einem Neubau und in Berlin in einem umgebauten Gewerbebetrieb, den Xaver Egger und Sandra Scheffl für ihre Familie umgenutzt haben: „Das verleiht unserem Tun Authentizität. Für uns sind sich verändernde Lebenswelten keine abstrakten Begriffe von Zukunftsforschern, sondern wir erforschen gestalterisch und gestaltend immer wieder unsere eigene Zukunft und projizieren das auf unsere Arbeit im Büro. Unser Haus ist heute groß, da die Familie groß ist. Sind die Kinder aus dem Haus, kann es skaliert werden auf drei separate Wohnungen. Barrierefreiheit im Alter? Nicht ganz. Wir können ja später immer noch was Anderes bauen.“


Das schauen wir uns dann vielleicht in einigen Jahren an. In diesem Jahr haben wir einen ersten Preis und sieben Anerkennungen vergeben an die Bauten, die bei uns die stärksten Emotionen ausgelöst haben. Erstmals wurde zudem der Fotografiepreis verliehen und damit gewürdigt, dass es Bilder sind, die Emotionen vermitteln. 53 Einfamilienhäuser zeigen wir Ihnen auf der Longlist, sie wurden intensiv diskutiert und sind nur knapp ausgeschieden. Und da ohne qualitätvolle Produkte keine qualitätvolle Architektur entsteht, zeigen wir Ihnen auch dieses Jahr wieder ausgezeichnete Produkte aus sechs Kategorien, für die jeweils und erstmals ein erster Preis in einem Online-Voting gekürt wurde. Lagepläne – in der Regel im Maßstab 1:2000 –, Grundrisse und Schnitte – meist im Maßstab 1:400 –, Informationen und Fotos wurden uns von den Architektinnen und Architekten zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank dafür, ebenso wie für die netten Gespräche und den interessanten digitalen Austausch. Unser Dank gilt zudem der Münchner Agentur Rose Pistola, die auch in diesem Jahr die buchkünstlerische Gestaltung übernommen hat.

„Preisverfahren und ihre Dokumentationen sind deshalb so wichtig, weil das gute Beispiel das Salz in der Suppe der Bauerei ist. Nur dann wird daraus Baukultur, wenn wir diese guten Beispiele nachahmen“, weiß der Vorstandsvorsitzende der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel. Ohne Salz schmeckt es nicht. Ohne Emotionen lebt es sich fad. Dafür darf es gerne laut werden, solange es um Qualität und um Differenziertheit geht.

Häuser des Jahres 2021

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