Читать книгу Häuser des Jahres 2021 - Katharina Matzig, Wolfgang Bachmann, Udo Wachtveitl - Страница 17

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Einraum für zwei

Anerkennungen

von Hohengasser Wirnsberger Architekten ZT GmbH

in Winkl – Spittal an der Drau (A)


Der Fußabdruck minimal, der Grundriss reduziert, die Technik so simpel wie möglich: „Less is more“ sorgt für maximale Wohnlichkeit und größtmögliche Lebensqualität.

„Auf die Architekten wurde ich aufmerksam, nachdem ich viele Holzbau- Seiten im Internet durchforstet hatte und auf ein von ihnen gebautes Haus am Wörther See gestoßen war. So fühlte ich mich mit meinen Ideen und Vorstellungen gleich sehr gut verstanden. Mein großes Anliegen war es, ein Haus zu bauen, das sich einfügt und zurückgenommen und schlicht erscheint. Das nicht repräsentativ ist, sondern erst auf den zweiten Blick wahrgenommen wird. Der Scheunencharakter ist mir sympathisch. So war es mir auch wichtig, so wenig wie möglich vom Ursprungsgelände zu verändern.“

Die Architekten, von denen die Bauherrin spricht, sind Sonja Hohengasser und Jürgen Wirnsberger. Die beiden arbeiteten seit 2009 in einer Bürogemeinschaft zusammen, ehe sie 2017 Hohengasser Wirnsberger Architekten ZT GmbH gründeten, in Spittal an der Drau, nicht weit von dem Grundstück am Rande einer Wohnsiedlung entfernt, das das Psychologenpaar mit ihnen bebauen wollte. Beziehungsweise: Das sie so wenig wie möglich verändern wollten. Unverbaubar ist der Blick von dem 750 Meter hohen Bergrücken zwischen Drautal und Millstädter See, im Süden und Westen liegen die Wiesen des angrenzenden Bauernhofs, im Norden die Zufahrt. Mit minimalem Fußabdruck, in und mit der Landschaft sollte hier der Rückzugsraum der Bauherren entstehen, ein „stationärer Wohnwagen“ für die weitgereisten Camper. Die Architekten entwickelten ein Einraum-Haus auf 65 Quadratmetern. Nach Osten, Süden und Westen öffnet es sich komplett zur Landschaft, im Norden finden in einer 140 Zentimeter breiten Raum-Schicht der Schlaf- Alkoven, Bad, WC und Garderobe ausreichend Platz. Auf den Längsseiten geht der Raum in die überdachten Terrassen über, die Ostterrasse dient zudem als geschützter Eingangsbereich. Unerwünschte Einblicke verhindern die Nebenraumzone ebenso wie die geschlossen gestalteten Eingangstüren.

Bis auf die Fundamente und einige statisch notwendige Verbindungsmittel besteht die gesamte tragende Struktur aus Fichten-Brettschichtholz. Die horizontale Stulpschalung, die Dachuntersicht und die Fenster sind in massivem Fichtenholz ausgeführt, auch im Innenbereich sind sämtliche Oberflächen wie Böden, Wandvertäfelung, Innenwände und Möbel aus massiven Fichte-Dreischichtplatten gefertigt. Alle Holzoberflächen sind unbehandelt, sie werden über die Jahre Verwitterungs- und Benutzungsspuren aufweisen und mit der Umgebung verwachsen. Die Technik ist auf das Notwendigste reduziert und in einer Wand zwischen Bad und WC mit Bodenkanal zur Küche gebündelt und „aufholz“ verlegt. Beheizt wird das Haus mit einem Holzscheitofen im Zentrum des offenen Hauptraumes und über die großzügige Verglasung. Dabei verhindert das ausladende Vordach eine sommerliche Überwärmung, Quer- und Längslüftung sorgen auch an extrem heißen Sommertagen für ein angenehmes Raumklima.

Urteil der Jury

von Katharina Matzig

Ein stationärer Wohnwagen, das ist – rein rhetorisch betrachtet – ein Oxymoron, vielleicht sogar ein Paradoxon, also ein Widerspruch in sich. Das Immobile steckt der Immobilie nun einmal schon im Namen. Den Auftrag eines passionierten Camper-Ehepaares, ihnen einen stationären Wohnwagen zu bauen, müssten seriöse Architekten daher eigentlich ablehnen. Dass Sonja Hohengasser und Josef Wirnsberger seriöse Architekten sind, steht jedoch außer Frage. Dass die beiden auch ausgezeichnete Architekten sind, die Unmögliches möglich machen und dem Widerspruch eine Form geben, haben sie nun mit dem Haus in der Wiese bewiesen: Schlicht und selbstverständlich stellten sie den schmalen, in rhythmisch aufgeglaste Joche gegliederten Holzbau längs zum Hang. Auf aufwendige Erdbewegungen konnte verzichtet werden, es wirkt, als könne man die leichte und dabei doch so robuste, unprätentiöse Struktur bei Bedarf noch ein wenig nach rechts oder links verschieben. Sparsam und effektiv wie in einem Wohnwagen wurde auch der Grundriss organisiert, ein Möbel sorgt für die gewünschte Zonierung. An allem wurde bei diesem kleinen Haus gespart, nur nicht an der Gestaltung: Mehr als 65 Quadratmeter hat es nicht, der ökologische Fußabdruck ist gering ebenso wie die Baukosten. Die Technik ist eher low denn high, Leitungen wurden gebündelt und sichtbar verlegt, die Sonne wärmt, das Dach verschattet, die Wiese ist der Garten. Wer so wohnt, braucht nicht mehr zu verreisen.


Die besonderen Herausforderungen bei diesem Projekt? Die gewohnten Raumgrößen und Ausstattungsstandards zu hinterfragen. Es gibt im ganzen Haus nur eine Wand, die sämtliche Installationen beherbergt, die restlichen Leitungen und Kabel wurden „aufholz“ verlegt. Der Garten? Eine Blumenwiese.



„Die Reaktionen der Menschen vor Ort auf das Haus sind sehr gemischt“, wissen die Bauherren. „Von manchen wird es belächelt, nicht solide genug, fast armselig, zu schlicht. Einheimische Großbauern sehen darin einen Schuppen. Auch müsste man es innen doch noch verkleiden. Rohe Holzwände und offen verlegte Leitungen gehen wohl nur im Stall! Und wo ist da Platz für den Fernseher?“


Ähnlich der traditionellen „Heu-Harpfen“ im südlichen Alpenraum steht die klare Holzstruktur mit minimalem Fußabdruck in der Landschaft. Auch die Grundrissgestaltung ist auf ein Minimum reduziert: Durch die Reduktion der Nebenraumzone ist ein vergleichsweise großer Einraum entstanden, der durch ein Raum-Möbel in Wohn-, Koch- und Essbereich gegliedert ist.

Querschnitt


Grundriss Erdgeschoss


Material/Hersteller: Außenwand & Fassade: Holzrahmenbau Konstruktionsholz Fichte, Fassade aus unbehandelten Fichtenbrettern | Dach: Villas-Contur Dachbahnen | Fenster: Fichte unbehandelt | Bodenbeläge & Designböden: Fichte Dreischichtplatten, geseift | Innenwandgestaltung: Wände und Möbel aus Fichte Dreischichtplatten, unbehandelt

Beteiligte Unternehmen: Holzbau Tschabitscher GmbH, Steinfeld (A), www.drautalhaus.at

Maßstab

M 1:200

1Eingang

2Terrasse

3Kochen, Essen, Wohnen

4Schlafen

5Bad

„Wir wollen Häuser bauen, die sich aus dem Dialog mit der Landschaft entwickeln.“


Sonja Hohengasser,

Jürgen Wirnsberger

Hohengasser Wirnsberger Architekten

ZT GmbH, Spittal an der Drau (A)

www.hwarchitekten.at

Anzahl der Bewohner:

2

Wohnfläche (m2):

65

Grundstücksgröße (m2):

994

Standort: Winkl – Spittal an der Drau (A)

Zusätzliche Nutzfläche (m2): 23

Bauweise: Holzbau, Skelett- und Rahmenbau

Fertigstellung: 12/2018

Architekturfotografie:

Christian Brandstätter, Klagenfurt (A)

www.christianbrandstaetter.com

Lageplan


Häuser des Jahres 2021

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