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Die Schlacht im Teutoburger Wald
ОглавлениеDiese Entscheidung, Germanien nicht herauszufordern, bewies einmal mehr, welch kluger Kopf Cäsar war. Er schätzte die Widerstandskraft der germanischen Barbaren richtig ein. Die Gallier waren ein sesshaftes Volk mit einer entwikkelten Landwirtschaft und gesellschaftlichen Siedlungsstrukturen, den Annehmlichkeiten der römischen Welt nicht abgeneigt und daher im römischen Sinn zu zivilisieren. Mit seinen exzellent ausgebildeten Legionen hatte er sie schließ-lich besiegen können.
Die Germanen aber waren ganz anders, hatten eine weit grö-ßere kriegerische Energie, waren ständig in Bewegung und an Entbehrungen gewöhnt. Wer sie angriff und unterjochen wollte, musste ihnen in die undurchdringlichen Wälder folgen, ohne zu wissen, wo sie aufhörten und welche Gefahren dort lauerten.
So macht Cäsar in seinem „Gallischen Krieg“ auch kein Hehl aus der Nutzlosigkeit einer Eroberung Germaniens und der Unbekehrbarkeit seiner Bewohner. Allerdings schlug Cäsars Großneffe Gajus Octavianus, der später den Namen Augustus erhielt, die Warnungen seines Großonkels in den Wind. Kaiser Augustus wollte das freie Germanien erobern, um das Römische Reich im Norden endgültig zu stabilisieren. Dieses Unterfangen sollte in einer Katastrophe enden, die noch heute als einer der größten militärischen Fehlschläge aller Zeiten gilt: Die „Varus-Schlacht“ im Teutoburger Wald, im Jahr 9 n. Chr..
Als Nachfolger von Tiberius war Quintilius Varus an den Rhein gekommen. Er übernahm das Kommando des hier stationierten Heeres, obwohl er keine besonderen militärischen Verdienste vorzuweisen hatte. Varus war Statthalter in Syrien gewesen und kam von dort als reicher Mann zurück. Er hatte sich mit der Großnichte des Kaisers vermählt, was ihm hervorragende Beziehungen und per kaiserlichem Beschluss den Oberbefehl am Rhein einbrachte. Zeitgenossen beschrieben ihn als einen „Mann von mildem Wesen und ruhiger Art, etwas langsam in Geist und Körper und eher mit dem Müßiggang im Lager vertraut als mit dem eigentlichen Kriegsdienst.“
Varus ahnte nichts von der Gefahr, die ihm aus dem Osten drohte. Rom schien das wilde Germanien im Griff zu haben, seit einiger Zeit war es zu keinen gravierenden Aufständen aufsässiger Barbaren mehr gekommen. Ideale Verhältnisse für einen, der sich der Aufrechterhaltung römischer Kultur auch in den römischen Provinzen verschrieben hatte und dessen Beziehung zu den Einheimischen sich in der selbstherrlichen Anwendung römischer Gesetze, in der Erhebung von Steuern und der Aushebung von Soldaten erschöpfte. Über die herablassende Einstellung von Varus den Germanen gegenüber bemerkte der römische Chronist Dio Cassius:„Er erteilte ihnen nicht nur Befehle, als wären sie Sklaven der Römer, sondern er forderte auch Geld, als seien sie unterworfene Völker“.
Tributzahlungen in Gold und Silber waren für die Germanen besonders bitter, da die seltenen Edelmetalle für die Stammesfürsten ein knappes Gut darstellten und für ihre Reputation unabdingbar waren.
Die unsensible Haltung des Varus war typisch für das übersteigerte Selbstbewusstsein, das die Römer pflegten und das möglicherweise ein Hauptgrund für ihre spätere Niederlage sein sollte. Auf den Punkt gebracht: Sie nahmen die Barbaren nicht ernst. Für die Römer waren sie hoffnungslose Hinterwäldler, die man nach Belieben über den Tisch ziehen konnte.
Varus hatte in seinem Regierungsbezirk fünf Legionen zur Verfügung: Zwei in Mogontiacum, dem heutigen Mainz, die anderen drei waren im Sommer bei Minden an der Weser und im Winter bei Haltern an der Lippe stationiert. Als im Herbst des Jahres 9 n. Chr. der Umzug von Minden nach Haltern ins Winterquartier anstand, sollte es eine denkwürdige Truppenbewegung werden: Varus war ein Stammesaufstand berichtet worden, für dessen Beilegung er gewillt war, einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen.
Als Gegenspieler des Varus kristallisierte sich Arminius, ein 26-jähriger Cherusker heraus, zweifellos ein sehr interessanter Charakter. Arminius war der Sohn des Cheruskerfürsten Segimer. Die Cherusker, ein mittelgroßer Stamm, dessen Verbreitung vom Quellgebiet der Lippe und Ems bis über die Elbe nach Osten reichte, galten eigentlich als Verbündete Roms.
Arminius hatte gemeinsam mit germanischen Söldnertruppen in Pannonien und Illyrien unter Tiberius gedient und war jetzt als Befehlshaber zu den Rheintruppen unter Varus abkommandiert worden. Die Nachricht von den Stammesunruhen hatte er erfunden. Und er behielt Recht mit seinem Kalkül, dass Varus diesen Köder schlucken würde. Die römischen Legionen sollten auf ihrem Weg ins Winterlager auf unbekanntes Terrain und damit in einen Hinterhalt gelockt werden.