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b) Fehldeutungen

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Das gesetzliche Konzept des Mindestkapitalerfordernisses und der Kapitalerhaltung wird von den meisten Studierenden (und auch von anderen) nicht richtig verstanden. So herrscht z.B. die Vorstellung, Leitgedanke des Mindestkapitals sei es, dass vorneweg eine bestimmte Haftungssumme festgelegt wird und dieses Kapital der Gesellschaft als „Startkapital“ zur Verfügung gestellt werde. In dieser Sicht ist das Mindestkapital nur eine Eintrittskarte (Seriositätsschwelle), um die Haftungsbeschränkung erlangen zu können. Ferner herrscht die Vorstellung, das Mindestkapital solle den Gläubigern als Haftungsfonds oder -reserve gewährleistet werden, also als Geldbetrag, auf dessen Vorhandensein die Gläubiger vertrauen können. In dieser fehlgeleiteten Vorstellung ist das Mindestkapital nichts anderes als ein „Sack Geld“, der irgendwo in den Geschäftsräumen der Gesellschaft herumsteht und aus dem sich die Gläubiger befriedigen können sollen, wenn die Kapitalgesellschaft insolvent ist. Beide Vorstellungen gehen fehl.

Sähe man die Funktion des Mindestkapitalerfordernisses darin, nur ein bestimmtes Startkapital vorzugeben, dann könnte angesichts der unterschiedlichsten möglichen Gesellschaftszwecke und -umsätze (Tante Emma-Laden einerseits oder Luftverkehrsunternehmen andererseits) kein einheitlicher, fester Mindestbetrag gewählt sein. Vielmehr müsste der zu verlangende Betrag dann dem Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit und ihren Risiken angepasst werden (sog. Erfordernis ausreichender materieller Kapitalisierung). Das ist in der Tat die Sichtweise einer (abzulehnenden) Strömung in der Literatur, dazu näher unten Rn. 308 ff. (sog. Unterkapitalisierungshaftung).

Auch kann man sich das Kapital nicht wie den eben angesprochenen „Sack Geld“ vorstellen, der ständig in den Geschäftsräumen der Gesellschaft herumsteht und völlig unabhängig von dem sonstigen Vermögen und den Schulden der Gesellschaft ist: Das Gesetz verlangt vielmehr zwar, dass die Gesellschafter zu Beginn einen solchen „Sack Geld“ mit in das Unternehmen einbringen. Dieser ist aber gegen eine Aufzehr durch Verluste aus der unternehmerischen Tätigkeit am Markt nicht geschützt und kann dementsprechend auch den Gläubigern einen solchen Schutz nicht vermitteln.

Gesellschaftsrecht II. Recht der Kapitalgesellschaften

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