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c) Die wahre Funktion des Mindestkapitalerfordernisses
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Das Gesetz verlangt (nur), dass die Gesellschafter das ursprünglich in die Gesellschaft eingezahlte Geld als Investment dort auch (dem wirtschaftlichen Werte nach) belassen und es nicht durch Gewinnauszahlungen wieder entnehmen. Gewinnauszahlungen sollen nur unter der Bedingung möglich sein, dass auch nach der Auszahlung noch das zu Beginn eingezahlte Kapital wirtschaftlich in Form des Überschusses der Aktiva über die Passiva noch vorhanden ist (zur bilanziellen Betrachtungsweise siehe Rn. 159 ff.).
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Kommt es in der Folge zu Verlusten und schließlich der Insolvenz der Kapitalgesellschaft, so hat das Gesetz auf diese Weise sichergestellt, dass diese Verluste zuerst die Investoren tatsächlich-wirtschaftlich treffen, indem sie diesen Überschuss der Aktiva über die Passiva (ihr Investment) eben verlieren.
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Daher darf das Mindestkapital nicht (nur) als Seriositätsschwelle verstanden werden, die von den Gesellschaftern bei der Gründung überschritten werden muss. Vielmehr gibt das satzungsmäßige Kapital den Betrag an, dessen Verlust die Investoren in der Insolvenz der Kapitalgesellschaft hinzunehmen haben. Und die Regelung über das gesetzliche Mindestkapital benennt dann nur die Höhe des Geldbetrags, dessen potentiellen Verlust der Gesetzgeber als ausreichend ansieht, um die Gesellschafter von einem Zugrunderichten ihrer Gesellschaft durch schlechte Unternehmensführung abzuhalten. Freilich setzt die (psychologische) Wirksamkeit dieser Überlegung voraus, dass die Gesellschafter tatsächlich etwas „zu verlieren haben“ und das ist nur solange der Fall, wie bei einer gedachten Liquidation der Gesellschaft tatsächlich noch etwas für sie übrig bliebe.
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Die Funktionalität des gesetzlichen Mindestkapitalerfordernisses beruht nach diesem Verständnis auf der regelmäßig zutreffenden psychologischen Einschätzung, dass kein Gesellschafter „sein“ Unternehmen ruiniert, solange er bei der Alternative „Liquidation der Gesellschaft“ noch mit der Rückzahlung des von ihm in die Gesellschaft investierten Kapitals rechnen kann.