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c) In der Aktiengesellschaft: Bindung des gesamten Vermögens gegenüber verdeckten Gewinnausschüttungen
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Während in der GmbH lediglich das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen gegen verdeckte Gewinnausschüttungen geschützt ist, geht der Schutz in der AG – zumindest theoretisch – noch weiter. In § 57 Abs. 1 S. 1 AktG ist nicht von dem zur Erhaltung des Grundkapitals erforderlichen Vermögen die Rede, sondern allgemein davon, dass den Aktionären „die Einlagen nicht zurückgewährt“ werden dürfen. Durch das MoMiG wurde § 57 Abs. 1 AktG ferner durch die neueingefügten Sätze 3 und 4 erweitert, die einen Gleichlauf zu den Neuerungen des § 30 Abs. 1 S. 2, 3 GmbHG bewirken sollen und einen entsprechenden Inhalt haben.[11] Ferner sagt § 57 Abs. 3 AktG ausdrücklich, dass an die Aktionäre vor der Liquidation nur der Bilanzgewinn verteilt werden darf und gem. § 57 Abs. 2 AktG ist die Zusage fester Zinsen und ihre Zahlung an die Aktionäre verboten. Deshalb ist das gesamte Vermögen der AG vor einer verdeckten Vermögensverlagerung geschützt, eine verdeckte Gewinnausschüttung ist in der AG mithin generell unzulässig.
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Der Unterschied im Schutzniveau zum GmbH-Recht ist freilich nicht so groß, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn am Ende des Geschäftsjahres darf aufgrund des festgestellten Jahresabschlusses und nach einem Beschluss über die Gewinnverwendung (§ 58 AktG) eine Auszahlung erfolgen. Und für diese (offene) Auszahlung bildet das zur Erhaltung des Grundkapitals erforderliche Vermögen (ähnlich wie im GmbH-Recht das Stammkapital) die maßgebliche Grenze zum Schutz der Gläubiger. Das drückt das Gesetz freilich äußerst verschleiert aus, indem es in § 57 Abs. 3 AktG vom „Bilanzgewinn“ und in § 57 Abs. 1 AktG von „Einlagenrückgewähr“ spricht.
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Bei dem Bilanzgewinn handelt es sich prinzipiell (siehe aber § 150 AktG) um den Betrag, um den das Vermögen der AG am Jahresende die Verbindlichkeiten und das Grundkapital überschreitet (Bilanzbeispiel Rn. 162). Er ergibt sich aus dem Jahresabschluss. Gemäß §§ 170 f. AktG wird der Jahresabschluss vom Vorstand aufgestellt, vom Aufsichtsrat geprüft und gem. § 172 AktG von Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt (§ 173 AktG kommt praktisch nicht zur Anwendung). Die Aktionäre beschließen dann gem. § 174 AktG in der jährlichen Hauptversammlung über die Verwendung des Bilanzgewinns nach näherer Maßgabe des § 58 AktG. § 57 Abs. 3 AktG verbietet zwar jede Verteilung des Vermögens, die nicht Bilanzgewinn ist, jedoch gestattet er umgekehrt nicht jede Verteilung des Bilanzgewinns durch den Beschluss. Entscheidend ist allein, ob in das zur Kapitalerhaltung erforderliche Vermögen eingegriffen wird und für diese Frage ist allein § 57 Abs. 1 AktG einschlägig.
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Man kann sich dies am besten anhand des folgenden Beispiels klar machen:
Beispiel:
Zum Bilanzstichtag (z.B. der 31.12.) wird ein Jahresabschluss festgestellt, aus dem sich ein Bilanzgewinn von 1 Mio. € ergibt. Dieser soll vollständig zur Auszahlung an die Aktionäre gebracht werden. Zwischenzeitlich, bis zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses auf der Hauptversammlung (z.B. 31.4. des Folgejahres) entstehen aber nunmehr ungewöhnliche Verluste, so dass die Auszahlung des Bilanzgewinnes zu einer Unterbilanz der Gesellschaft führen würde.
Bis zum Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses gehört der Bilanzgewinn noch zum Vermögen der AG. Erst durch den Gewinnverwendungsbeschluss entsteht eine echte Verbindlichkeit für die Gesellschaft,[12] so dass sich (erst) in diesem Zeitpunkt die Verbindlichkeiten der Gesellschaft um den auszuschüttenden Gewinn erhöhen (die Aktionäre werden sozusagen aufgrund des Verwendungsbeschlusses in Bezug auf die Dividende zu Gläubigern der Gesellschaft). Daher kann die Hauptversammlung den Beschluss nicht fassen, wenn und weil er das Grundkapital angreifen und zu einer Einlagenrückgewähr führen würde.