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2.2 Medienrhetorik als Form von Wirtschaftsrhetorik

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„Wirtschaftsrhetorik ist die sektorale Rhetorik von Industrie-, Finanz und Dienstleistungsunternehmen und deren Verbänden in Gespräch und Rede ihrer Repräsentanten“ (Wachtel, 2004, S. 338). Man versteht darunter das Praxisfeld aller rhetorischen Kommunikationssituationen im Unternehmen, inclusive Corporate SpeakingCorporate Speaking, in denen sprechwissenschaftliche Rhetorik im wirtschaftlichen Kontext und als Führungsinstrument zum Einsatz kommt, bei internen und externen Situationen.

In der WirtschaftsrhetorikRhetorikWirtschafts- manifestieren sich unterschiedliche sprechwissenschaftlich-sprecherzieherisches Arbeitsgebiete, z.B. diverse Formen der Rede und der Gesprächsführung (z.B. Konferenz und Besprechung, Mitarbeitergespräch, Motivationsgespräch, Kritikgespräch, Coaching und Beratung, Interviewtechnik, Besprechung im Team, Feedback-Gespräch, Auswahl- und Einstellungsgespräch, Informations- und Überzeugungsrede, Storytelling, Präsentation, Radio-/Fernsehbeitrag, interkulturelle Kommunikation, Arzt-Patient-Kommunikation, sei es in einer realen oder in einer virtuellen Kommunikationssituation (Eckert, 2013; Gutenberg, 1999; Bazil & Wöller, 2008).

Abb. 1:

Thematische Verortung: Werberhetorik im Hörfunk

Sobald sich rhetorisches Handeln in oder mit Hilfe von elektronischen Medien vollzieht, spricht man heute von MedienrhetorikMedien-rhetorik, die je nach Medium und Kommunikationssituation mit unterschiedlichem Fokus, als Theorie und Praxis von Rede- und Gesprächssituationen in Rundfunk und Fernsehen, verstanden werden kann.1

[So] setzt sich kommunikativ orientierte Medienrhetorik mit Gesetzmäßigkeiten sowohl der Gestaltung wie der Rezeption von medialer Kommunikation auseinander. Darüber hinaus muss sich eine umfassende Medienrhetorik nicht nur mit sprechsprachlichen, sondern auch mit bild- und tonsprachlichen Kompetenzen befassen, die Menschen intentional einsetzen. Einerseits, um sich in der besonderen Kommunikationssituation Rundfunk anderen Menschen sinnhaft mitzuteilen, und andererseits, um diese multimedial vermittelten Sinnangebote verstehend zu rezipieren. (Dorn, 2004, S. 152)

Die zwei medialen KommunikationssituationenKommunikationmediale von Radio und Fernsehen unterscheiden sich in erster Linie darin, dass das Fernsehen zwei Kommunikationskanäle (Subsysteme der gesprochenen Sprache) einsetzt, die Bildsprache (visueller Kanal) und die Tonsprache (auditiver Kanal), während das Radio allein über den auditiven Übertragungskanal kommuniziert.

In der Medienrhetorik wird analysiert, wie in einem Medium Kommunikatoren (z.B. Redakteure, Moderatoren), Kommunikationspartner (z.B. Pressesprecher, Politiker) und Rezipienten (z.B. Radiohörer, Fernsehzuschauer) in Interaktion treten, wie sie miteinander die Bedingungen ihrer Kommunikation aushandeln, wie sie über verbale, paraverbale und nonverbale Mittel ihr Verhältnis zueinander darstellen. (Bose, 2016, S. 156)

Ein weiteres Kennzeichen und Gegenstand von Medienrhetorik ist ein technisch (elektronisch) vermitteltes Sprechen unter Vermischung der Elemente Nähe und Distanz.2 Die mangelnde Anwesenheit der Gesprächspartner bzw. Adressaten, also die örtliche Distanz zueinander, wird mit Hilfe von Ersatzelementen und -techniken ausgeglichen. Das kann auf sprachlich-verbaler Ebene das direkte Ansprechen der Hörer sein, die Wortwahl und stimmlich-sprecherische Ausdrucksweise (beispielsweise der Gebrauch von UmgangsspracheUmgangssprache oder dialektaler Ausdrücke), weiter der Einsatz von GeräuschenGeräusche und von atmosphärischen akustischen Elementen. Im Hörfunk fehlt zudem alles, was in den Bereich der nonverbalen Kommunikation fällt und muss von den anderen Elementen übernommen werden, verbal und/oder paraverbal. Im Gegensatz zu radiotypischen Genres wie Nachrichten, Interview, Feature, Dokumentation, wird im Hörfunk-Werbespot meist – ähnlich wie im Hörspiel – eine Szene arrangiert, die die Hörer zu observierenden Außenstehenden macht, die im KaufappellKaufappell schließlich direkt oder indirekt angesprochen werden.

Die Rednerin vor Mikrofon und Kamera und ihre Zuhörer am Lautsprecher sind einerseits in scheinbarer Nähe: Die sprachliche Gestaltung (von Lautstärke und Rhythmus über die Wortwahl bis zur Wahl der Gattung) muß deshalb von herkömmlichen Formen öffentlicher Rede abweichen. Andererseits sind Redner und Publikum dennoch getrennt, die Rede kann also nicht wie im unmittelbaren Publikumskontakt durch Zuhörerreaktionen reguliert werden […]. (Häusermann, 1995, S. 30)

Bei der MedienkommunikationMedien-kommunikation muss weiter bemerkt werden, dass ein einseitiges Abschalten möglich ist. Ist die Kommunikation (im Fall der Hörfunkwerbung das Wecken des Interesses mit Bereitschaft zum Zuhören und schließlich die Überzeugung zum Produktkauf) nicht gelungen, schalten die Zuhörer das Radiogerät aus. Ein verständlicher, attraktiver Sprach- und Sprechstil, eine sympathische Stimme und argumentativ wirkungsvolle und ansprechend inszenierte Kommunikation sind daher vonnöten.3

Von den drei in der Tradition der klassischen RhetorikRhetorikklassische stehenden Wirkungsarten rhetorischer Kommunikation steht, je nach Situation und Kommunikationsabsicht, immer eine im Vordergrund: das Informieren (docereDocere), das Unterhalten (delectareDelectare) oder das Überzeugen (movereMovere). „Handlungsauslösung […] – sei es Mitdenken oder reales Mittun – ist das Ziel jeglicher rhetorischer Kommunikation“ (Geißner, 1986, S. 120). Je nach Medium und – im vorliegenden Fall – Art der Sendung kommen all diese rhetorischen Ziele in der Medienrhetorik zum Einsatz, wobei das Wirkungsziel der Persuasion im Werbesektor überwiegt. Wird das Publikum (die potenziellen Kunden oder Käufer) überzeugt, erfolgt die Handlungsauslösung, meist in Form des Produkterwerbs.

Medienrhetorik im Hörfunk, wie sie im vorliegenden Band behandelt wird (mit Fokus auf dem Phänomen Stimme), untersucht folglich die intentionalen Mitteilungshandlungen des Sprechens im Kontext Werbung und zielt demnach auf die entsprechende Beeinflussung der Hörer. Die im Persuasionskonzept eingesetzten Ausdrucksmittel umfassen neben der Stimme auch Musik und Geräusche.

Die Stimme als Zeitzeugin – Werberhetorik im Hörfunk

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