Читать книгу Die Stimme als Zeitzeugin – Werberhetorik im Hörfunk - Ulrike A. Kaunzner - Страница 13
2.3.1 Musik und Geräusche als Werbemittel
ОглавлениеMusikMusik und GeräuscheGeräusche werden eingesetzt als Ergänzung bei der Informationsvermittlung und zur Optimierung der Werbewirkung. Die auf drei Zeichenmodalitäten verteilten kommunikativen Aufgaben in der Radiowerbung fasst Stöckl (2007, S. 182) zusammen:
Sprache trägt – meist in dialogischer Form – die eigentliche Botschaft, Geräusche signalisieren den Kontext der Handlung und befördern die sinnliche Vergegenwärtigung der Botschaft, während Musik vor allem für die emotionEmotionale Ansprache und die Strukturierung des Gesamttexts verantwortlich ist.
Schon in den 1980er Jahren stellte Rösing (1981, S. 227) für Deutschland fest, dass etwa 70 % aller Radiowerbespots und rund 65 % der Werbespots im Fernsehen Musik beinhalteten und dass dies ein konstanter Anteil sei. 1 Seine Untersuchungen betreffen die 1970er Jahre; der genaue Zeitraum seiner Ermittlungen ist unklar. Die Zahlen heute liegen jedenfalls noch weit höher, und empirische Forschungen über die Wirkung von Musik und Werbung sind nach Schramm und Spangardt (2016, S. 434) noch immer ein Desiderat in der Werbeforschung: z.B. die Auswirkung der Musik auf die Markenerinnerung; die mit der Musik verbundenen Assoziationen und Einstellungen; der Einfluss der Musik auf die Bewertung des Produkts und die Kaufabsicht.
Der kommunikative Charakter von Musik2 hängt von einer Reihe an Faktoren ab, z.B. vom Bekanntheitsgrad, dem Genre, Grad von ikonischer Verweiswirkung etc. Was ihre Funktionen betrifft, so wären laut Stöckl (2007, S. 195–196) als die fünf häufigsten zu nennen: Strukturierung (rhythmische Textur des Gesamttextes durch Musik), Illustration/Vorstellung (Förderung mentaler Bilder durch Musik), Demonstration (Versinnbildlichung der Wirkungsweise des Produkts), Grundstimmung, Aufmerksamkeit.
Wenn von Musik in der Hörfunkwerbung gesprochen wird, so handelt es sich um sogenannte funktionale MusikMusikfunktionale, da sie zur Beeinflussung der Rezipienten eingesetzt wird (Hofmann, 2010, S. 148–151). Die Wirkung ist vielfältig, vom Wecken der Aufmerksamkeit, dem Hervorrufen von Emotionen, dem Vermitteln von Informationen, bis zur Erinnerungs- und Wiedererkennungshilfe.3
Abgesehen von symbolischen oder ikonischen Leitmotiven funktioniert Musik als intersubjektiv variabler Index für Gefühlszustände. In der Wahrnehmung hat Musik unschätzbare Stärken, wir wenden uns ihr intuitiv zu, sie aktiviert und hat unmittelbare emotionale Effekte; zudem suggeriert und induziert sie Bewegung. Neben einigen psychosozialen Funktionen hat Musik vor allem auch eine dienende Funktion im Gesamttext: Sie evoziert Stimmungen, aktiviert und steuert Aufmerksamkeit, gliedert den Gesamttext und illustriert bzw. dramatisiert Sachverhalte und Handlungen. (Stöckl, 2012, S. 249)
Rösing (1981, S. 227–228) subsumiert die Rolle der MusikMusikRolle der unter dem Begriff „Manipulations-ModelleManipulations-Modelle“: das ökonomische Modell, das Konditionierungsmodell, das psychoanalytische Modell, das sozialpsychologische Modell und das Identifikationsmodell. An drei Beispielen seien diese Rollen verdeutlicht: Wenn eine nicht befriedigende Situation angedeutet werde, für die das beworbene Produkt eine (Konflikt-)Lösung verspreche, werde dies durch den Übergang von „hässlicher“ zu „schöner“ Musik begleitet. Weiter haben JingleJingles und Kennmelodie in Bezug auf künftige positive Aha-Erlebnisse konditionierende Funktion, Stimmungsklischees würden für emotionale Ausdrucksformen eingesetzt, Fanfaren und Marschmusik unterstützten eine Führungsperson, chorische Darbietungen bewirkten die Identifikation mit den Choristen und folglich mit der Werbeaussage.
Bei WerbemusikMusikWerbe- kann man mindestens fünf Formen unterscheiden: Jingle, Audiologo, Werbelied, Klangteppich und Werbemelolog, die hier kurz beschrieben werden sollen. Eine der Hauptfunktionen von Musik ist bzw. war mit Sicherheit bis in die 1970er Jahre das Erkennungssignal, meist in Form eines JinglesJingles,4 also der Vertonung des Slogans (eines akustischen Markenzeichens). Heute wird mehr auf Audio-BrandingAudio-Branding gesetzt, auf ein ganzheitlich abgestimmtes Klang- und Melodiemuster, das Produkt und Konsumenten gleichermaßen verkörpert und oft als Hintergrundmusik den ganzen Spot begleitet. Statt Jingle wird heute häufig ein AudiologoAudiologo5 verwendet und ist „das akustische Identifikationsmerkmal, das unverwechselbare Erkennungszeichen einer Marke“ (Schramm & Spangardt, 2016, S. 435).
Das WerbeliedWerbelied (ein bekanntes Stück oder ein extra für das zu bewerbende Produkt komponiertes Lied) ist ein vollständiges, teilweise im Hintergrund laufendes Musikstück. Die Übernahme des Originals kann auch in abgewandelter Form als Soundalike (mit minimalen Änderungen) oder Kontrafaktur vorkommen, wenn die Melodie beibehalten wird, jedoch mit einem auf das zu bewerbende Produkt zugeschnittenen neuen Text verbunden ist. Der KlangteppichKlang-teppich (meist rein instrumental) ist eine Art akustische Klang- oder Geräuschkulisse, um die zu vermittelnde Stimmung zu unterstreichen. Hofmann (2010, S. 164) beschreibt weiter den WerbemelologWerbemelolog, eine Kombination aus Musik und gesprochenem Text. Werbemelologe können je nach den jeweiligen Anteilen in hypotaktische (Textpriorität), parataktische (Gleichverteilung) und hypertaktische (Musikpriorität) unterteilt werden.
Ein fester MarkensongMarkensong, Jingle oder Slogan gelten seit Beginn der Rundfunkwerbung als Mittel zur Vermarktung von Produkten, um zunächst die Wahrnehmung des Produkts zu ermöglichen und schließlich einen Wiedererkennungswert zu erzielen, mit dessen Hilfe die Erinnerung ermöglicht und eine Markenbindung erzeugt wird. Dabei spielen zwei Faktoren eine große Rolle: das Evozieren von EmotionEmotionen und das Anliegen, so etwas wie eine musikalische Kongruenz herzustellen, d.h. Wert darauf zu legen, dass die Musik zum Produkt bzw. zu der Produktklasse, zur Werbebotschaft und zur potenziellen Verbrauchergruppe „passt“ (Schramm & Spangardt, 2016, S. 437–438). So wird man Jugendliche eher mit Popmusik als mit klassischer Musik ansprechen können. Musikalische Elemente können auch die verbale Nachricht unterstützen und sozusagen paraverbale Kriterien begleiten oder ersetzen.6 Die akustische MarkenführungMarkenführung, akustische7 bedient sich aller Klangbestandteile, die neben den Musikinstrumenten auch die Sprecherstimme(n) miteinschließt.
Was die Form und Elemente der Werbemusik betrifft, so ist generell neben der Anwesenheit und der Abwesenheit von musikalischen Elementen zu unterscheiden. Weiter kann Musik unterschiedlich umgesetzt werden, z.B. gesungen, gepfiffen, gesummt, mit Instrument gespielt.8 Es gibt ausgiebige Forschungen über die Wirkung auf die Erinnerung und Einstellung gegenüber dem Produkt, über den Einsatz von Stille, über die Kombination der Elemente Musik vs. gesungener und gesprochener Sprache, über die Wirkung unterschiedlicher musikalischer Stilrichtungen etc. Eine Vertiefung würde hier zu weit führen und es sei auf einen Forschungsüberblick von Schramm und Spangardt (2016) verwiesen.
Heute ermöglichen die technischen Entwicklungen KlangwirkungenKlang-wirkung, die sogar die Zeitwahrnehmung oder das Raumempfinden beeinflussen können; mit Hilfe von Wellenfeldsynthese-Systemen kann man beispielsweise auch das Temperaturempfinden modifizieren. Für die Werbung eröffnen sich hierdurch neue Sphären und Möglichkeiten, man denke nur an die Wechselwirkung der auditiven Komponente9 mit Geruch oder Geschmack bei Hygiene- oder Genussprodukten, wenn so etwas wie ein „KlanggedächtnisKlang-gedächtnis“ aufgebaut wird. Welche Bedeutung das gerade im Event-Bereich oder auch im Kontext von Konzerten, Ausstellungen und Museen haben kann, lässt sich nur erahnen.
Auch wenn hier GeräuscheGeräusche als auditiver Bestandteil von Hörfunkwerbung nicht näher ausgeführt werden, darf man deren Werbewirkungspotential nicht vergessen. Ob einzeln oder in Kombination, Geräusche können AppellfunktionenAppellfunktion erfüllen und sogar zum Markenzeichen werden (z.B. das „Plop“ des Flaschenverschlusses in der Werbung der Flensburger Bierbrauerei).
Trotz ihres beachtlichen klanglich-materiellen Reichtums werden Geräusche wenig bewusst wahrgenommen, sondern unterschwellig und automatisiert. […] Sie weisen auf Orte, Sachverhalte etc. hin, erzeugen und ersetzen (mentale) Bilder, lenken Aufmerksamkeit, dramatisieren Handlungen, illustrieren Produktqualitäten und strukturieren den Text. (Stöckl, 2012, S. 243)