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Einführung für den Leser
ОглавлениеDieses Buch ist kein Buch, es ist eine Girlande.
Geht man über indische Märkte, kommt man bald an Stände, wo prächtige Blumengirlanden angeboten werden, duftend und farbig, aus Rosen- und Jasminblüten, den robusteren Marygolds (Tagetes), auch durchsetzt mit grünen Blättern und Ornamenten aus glitzerndem Papier.
An den Straßenecken sitzen Frauen, die geschickt Blüte um Blüte mit einem Faden aneinanderknüpfen – Blumengirlanden sind ein sicheres Zubrot für das oft schmale Einkommen.
Für die in fast jedem Haus abgehaltene morgendliche Puja (Opferhandlung) werden täglich frische Girlanden und Blütenblätter benötigt, um die Götterstatuen und -bilder zu schmücken, und viele Frauen und Schulmädchen gehen nicht aus dem Haus, ehe sie nicht eine frische Girlande aus Jasminblüten oder wenigstens eine Rose in ihrem Haar befestigt haben.
Wenn ein Geschäft morgens öffnet, brennt auf dem kleinen Altar mit den girlandengeschmückten Gottesdarstellungen – oft Ganesha, Shiva oder Lakshmi – schon ein Räucherstäbchen, manchmal erlebt man, dass der Geschäftsinhaber gerade noch die Kampferflamme als kurzes Arati (Feuerzeremonie) schwenkt.
Kommt eine Person des öffentlichen Lebens auf dem Flughafen an, wird sie mit einer Girlande, die ihr um den Hals gehängt wird, willkommen geheißen, bei jedem öffentlichen Auftritt, seien es Politiker oder Künstler, überall sind Blumengirlanden das Zeichen des Respekts und der Verehrung.
Jede Blüte dieser Buch-Girlande ist ein lebendes Bild, das ein Treffen von Balasai Baba mit Seinen Anhängern zeigt, jede Blüte zeigt eine Situation, wie Balasai Baba mit Seinen Devotees lebt und arbeitet.
So lebendig, als wäre es heute geschehen, erinnere ich mich an eine meiner ersten Begegnungen mit Baba vor etwa 22 Jahren:
Wir, eine Gruppe von fünf Besuchern und Balasai Baba, standen am Rande des Gartens in Kurnool im Schatten einer Palme. Ich hatte gerade eine Kokosnuss ausgetrunken und hielt noch das kleine Stück der Schale, das für den Strohhalm herausgeschnitten wird, in der Hand. Baba stand lachend und Witze machend in unserer Mitte, als Er, ohne sich zu unterbrechen, das kleine Stück aus meiner Hand nahm und durch die Öffung in die leere Kokosnuss presste.
Damals wusste ich nichts über Dinge wie Befreiung oder Moksha, aber ich verstand unmittelbar, dass Baba mir wortlos die Einheit mit Gott zeigte, und ich vergaß es niemals.
Er nickte kurz mit dem Kopf und war schon dabei, mit einem jungen Japaner auf Japanisch Witze zu machen. Vielleicht hatte Er auch das Wort Kakerlake oder Wasserschwein auf Japanisch benutzt, denn plötzlich konnte sich der zunächst steife und ernste junge Mann vor Lachen nicht einkriegen – ich hatte schon mitbekommen, dass Baba solche überraschenden Begrüßungen liebte. Dann untersuchte Er die Kette einer deutschen Besucherin, die Er ihr beim letzten Besuch materialisiert hatte, prüfte ihr Ohrläppchen und fragte: »Hast du Ohrlöcher?« Mit dieser Frage stellte Er ihr neue Ohrringe in Aussicht. Sie nickte, aber Baba war schon bei der nächsten Besucherin, die etwas entfernt stand, und warf ihr eine Guave zu, die Er vorher angebissen hatte – Er hatte sie im Garten gepflückt, bevor Er zu der Gruppe gestoßen war. Sie war nicht das erste Mal hier und kannte schon das Ritual: Sie sprang geistesgegenwärtig vor und erwischte geschickt die Frucht, bevor sie auf die Erde fiel. Sie kannte Babas Botschaft: »Ihr müsst eure eigenen Anstrengungen machen!« Später gab sie zu, dass sie sich die Guave gewünscht hatte, und war besonders glücklich, dass Baba ein Stück abgebissen hatte.
Bevor Er sich zuletzt einem jungen Mädchen zuwandte, pflückte Er eine Frangipani-Blüte, die besonders betörend duftet, überreichte sie ihr und fragte sie: »Sollen wir gehen?«, denn im Hintergrund vor dem Eingang des Tempels wartete schon ungeduldig eine größere Gruppe der Besucher.
Die ganze Szene dauerte nicht länger als fünf Minuten, und was geschah, war sehr einfach, aber das ist die Art und Weise, wie Balasai Baba lehrt: Er erfüllt die bewussten und unbewussten Wünsche, öffnet die Menschen für den Geschmack des Lebens, die Schönheit des Lebens, die Freude des Lebens und das Ziel des Lebens, die Einheit mit Gott – die ganze Szene war reinste göttliche Musik, war Rhythmus und Tanz.
Die Bhajanzeit morgens und abends wird jeweils beendet vom Arati, einem Feueropfer, in dessen Text Balasai Baba als NADABRAHMA verehrt wird: als Schöpfer, der die Welt aus dem Klang erschafft. Eine uralte Vorstellung, der man sich heute mit modernen wissenschaftlichen Methoden wieder nähert. Seit 1998 singt Balasai Baba fast jeden Abend in den »Musikalischen Nächten« mit Seinen Co-Musikern für die ausländischen Devotees – als Schöpfer, der jeden Abend das OM der Schöpfung erneuert –, heilend und transformierend.
In den vielen Runden, die ich seit 21 Jahren mit Balasai Baba erlebt habe, konnte ich das gleiche wunderbare Lied vernehmen, immer neu und unterschiedlich: das Lied der bedingungslosen Liebe, des unendlichen Mitgefühls, voller Humor, Leichtigkeit, Freude und Verspieltheit – in allem klang die göttliche Melodie der Schöpfung.