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Begegnung mit Ganesha
ОглавлениеUnerwartet ordnete Baba eines Tages an, dass zweimal täglich, vormittags und nachmittags, gemeinsam meditiert werden sollte. Das war ungewöhnlich, denn sonst gab es nur das morgendliche und abendliche Bhajansingen, das Pflicht für alle war.
Der Sri Balasai Baba Ashram ist kein Ashram im traditionellen Sinne. Es gibt keinen festen Stundenplan, wo der Tag in regelmäßige Arbeits-, Meditations-, Schlaf- und Privatzeiten eingeteilt ist und wo jeder sich dieser Routine unterwerfen muss. Außer dem Singen morgens und abends kann jeder seinen Tag so einteilen, wie er möchte.
Wie auf der ganzen Welt hängt der Tagesablauf im Ashram vom Sonnenaufgang ab, aber hier ist die »Sonne« Balasai Baba, und alle weiteren Tätigkeiten verschieben sich, je nachdem, wann und wie lange Baba Seine Zeit mit Seinen Devotees verbringen möchte.
So kam die Aufforderung zur Gruppenmeditation im Sommer 1998 für alle überraschend. Für Balasai Baba ist Meditation schlicht Konzentration auf Gott. In diesem Falle sollte eine permanente Devotee eine halbe Stunde das Mantra OM SRI BALASAIYINE NAMAH chanten, um den hin- und herflackernden Verstand zu beruhigen und ihm einen Anker zu bieten. Sonst überlässt Baba es jedem selbst, ob er meditiert und welche Praxis er bevorzugt.
Für mich kam diese Übung wie gerufen, hatte ich doch bisher keine Erfahrung in systematischer Meditation. Mir schien, dass in Babas Nähe sowohl das ruhige Sitzen als auch die Konzentration auf das Mantra leichter waren, und die Zeit, bis die Glocke das Ende ankündigte, ging schnell vorbei. Die rezitierende Devotee war geübt im Bhajansingen, und nach einigen Tagen baute sich über der Melodie des Mantras für mich deutlich hörbar eine Melodie von mitschwingenden Obertönen auf, die bei mir sofort die Assoziation von den Flötentönen Krishnas hervorrief. Wie sie mir sagte, merkte sie beim Sprechen selbst nichts davon.
An einem der nächsten Tage hatte ich die Ausrichtung auf den automatischen Gedankenstrom soweit ausgeschaltet, dass ein ungewöhnliches inneres Bild erscheinen konnte. Weil es so plastisch und überirdisch schön war, erinnere ich mich noch heute an alle Einzelheiten. Der Kopf eines jungen weißen Elefanten erschien wie in Großaufnahme von der Seite, nur der obere Teil des Rüssels war sichtbar und ein rundes lebendiges Kinderauge mit dichten, langen Wimpern schaute mich an. Erst später sah ich, dass in Indien der Elefantengott Ganesha mit solchen Kinderaugen dargestellt wird.
Beim Frühstück saß ich noch versunken in das zauberhafte Bild und wachte erst auf, als eine Devotee, mit der ich öfter Bhajans übte, sagte: »Heute hatte ich in der Meditation ein wunderschönes Bild – das Auge eines weißen Elefanten!« Der Beschreibung nach war es genau das Bild, das mir immer noch vor Augen stand, und jetzt bestätigten auch andere das gleiche Erlebnis. Wie konnte das sein?
Ich wusste, dass unsere Gedanken nicht von unserem Gehirn produziert werden, sondern dass unser Gehirn – einfach gesagt – Wellen aus dem Umkreis aufnimmt, filtert, in Gedankenformen bringt und als Sprache bewusst werden lässt. Je nach Lebensabsichten und vorgeburtlichen Tendenzen arbeitet dieser »Empfangsapparat« mehr oder weniger komplex und selektiv. Bei der Meditation werden die Antennen dieser Empfangsstation so eingestellt, dass der zwanghaft plappernde Strom des vordergründigen gewohnheitsmäßigen Alltagsdenkens ausgeschaltet wird. In diese Gedankenleere können dann Botschaften von tieferen geistigen Ebenen, zum Beispiel als Klang oder Bild, fließen. An diesem Beispiel erlebte ich erstmals, dass Balasai Baba als höchstes kosmisches Bewusstsein (das ist die Bedeutung von Shiva) jederzeit in unsere Gedanken eingreifen kann.