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Spiele und Lichtspiele mit Balasai Baba
ОглавлениеMit der Unerfahrenheit des Europäers, der meint, eine Darminfektion in Indien mit den üblichen europäischen Hausmitteln kurieren zu können, hütete ich ohne nennenswerte Besserung drei Tage das Bett, bis Ch. mir Babas Anordnung übermittelte, zum Arzt zu gehen. Mit den verschriebenen Medikamenten ging es mir stündlich besser. »Gleich kommt Baba!«, verbreitete sich plötzlich die Nachricht. Es waren etwa dreißig weitere Besucher da, und die meisten kannten den Ablauf, wenn Baba mit Seinen Devotees zusammensitzen wollte.
Baba setzte sich im Tempel auf den Boden und alle bildeten einen großen Kreis um Ihn. B. musste ihr Akkordeon holen, und was dann folgte, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt. Unter Singen und mit Ziehharmonikabegleitung wurde im Tempel gewalzt, gehopst, geschuhplattelt, geschunkelt, von der Schönen blauen Donau bis zu den Bayrischen Holzhackerbuam. Baba schlug die Handtrommel. Eine recht gewichtige Inderin und ein Inder mit Riesenlöchern im Hemd versuchten sich unter Lachen und Kreischen im Wiener Walzer, kurz, die Dielen des Tempelbodens bogen sich.
Die anschließende Singrunde war international: japanische Kirschblütenlieder, englische Shanties, französische Chansons, deutsche Abendlieder – jeder brachte ein Stück seiner Kultur und persönlichen Vorlieben. Baba nahm alles lachend an, die Unterscheidung heilig-unheilig schien für Ihn nicht zu existieren, im Gegenteil, bei sogenannten »frommen« Liedern machte Er schnell ein gelangweiltes Gesicht. »Vor Gott ist alles heilig!«, erklärte Er später. Für mich war klar: Hier ist alles möglich, dieser Baba holt jeden sofort auf den Teppich und lässt keine Scheinheiligkeit zu.
Draußen war der Himmel dunkel bewölkt und im Tempel musste das Licht eingeschaltet werden. In dem gerade gesungenen französischen Lied lautete eine Zeile: Die Liebe ist aus! Als beim Wort aus die gesamte Lichtanlage ausfiel, gab es schallendes Gelächter und Baba freute sich wohl auch über Seinen Witz. Kurze Zeit später ging das Licht wieder an.
Bevor die Reihe an mich kam, hatte ich meinen nicht geringen Liederschatz durchforscht, aber mein Kopf war leer wie ein ausgelaufenes Fass. Nur ein Lied, das ich aber unter keinen Umständen singen wollte, weil es mir traurig und unpassend erschien, machte sich in meinem Gedächtnis breit. Schließlich sang ich es und stand dabei total neben mir. Es war das Lied, das Orpheus singt, als er Eurydike endgültig verloren hat: Ach, ich habe sie verloren! Erst einige Monate später verstand ich, warum ich das Lied aus der gleichnamigen Oper von Christoph W. Gluck singenm u s s t e:Mein Mann konnte (verständlicherweise) nicht verstehen, was Balasai Baba für mich bedeutete, und er wollte auch nichts davon hören. Als ich wieder zuhause war, sang er eines Nachmittags »zufällig« dasselbe Lied und es lief mir kalt den Rücken herunter. Ich hatte zu dem Zeitpunkt keinerlei andere Absichten, außer als Besucherin regelmäßig zu Baba zu kommen. Ich liebte meinen Mann und meine Arbeit, und nichts davon wollte ich verlassen. Ich spürte, dass dieses Lied einen Zeitpunkt in der Zukunft vorwegnahm, durfte dieses Wissen aber noch nicht an mich herankommen lassen.
Zurück in Österreich sollte sich das lustige Lichtspiel etliche Male wiederholen: Immer wenn ich von Baba erzählte, flackerten die Lichter oder gingen für kurze Zeit ganz aus, egal ob in der Straßenbahn oder beim Zahnarzt.
Als ich einer interessierten Kollegin von meinen Erlebnissen berichtete, ging die Tischlampe aus. Sie schien nicht sehr beeindruckt: »Nur Magie!« Einige Tage später informierte sie mich, dass sie sich doch entschieden habe, im Januar mit zu Balasai Babas Geburtstag zu kommen. Im selben Moment ging die Deckenlampe aus. Beide Male untersuchte sie die Glühbirnen, die aber einwandfrei funktionierten. Als sie Baba persönlich begegnete, erkannte sie bald, dass die Magie ein Teil des göttlichen Spieles war.