Читать книгу ALBATROS - Urs Aebersold - Страница 10

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Mias Auto war ein silbergrauer Peugeot 208 mit dem Kennzeichen des Landkreises, in dem ihre Eltern wohnten. Sie mußten dem Alten also gar nicht erst groß erklären, woher sie kamen. Mia fuhr sicher und zügig, ohne sich auf nervtötende Autobahnscharmützel einzulassen. Leonard saß entspannt neben ihr und genoß das ruhige Dahingleiten, die Landschaft, die nach dem langen Winter allmählich wieder ergrünte. Es war das erste Mal, daß sie als Team zusammenarbeiteten, und er hätte mit Mia gerne ein persönliches Gespräch geführt, es war sehr lästig, dauernd auf der Hut sein zu müssen, gerade wenn man so viel Zeit zusammen verbrachte. Auch wenn sie nicht direkt sein Typ war, schätzte er ihre ausgeglichene, unaufdringliche Art, er hätte gerne gewußt, ob sie einen Freund hatte und wie sie ihre spärliche Freizeit verbrachte. Vielleicht kam er ihr ja über Smalltalk näher.

"Es ist angenehm, sich einfach mal zurückzulehnen… du fährst so lässig, ich komme gar nicht auf den Gedanken, mich einzumischen…"

Überrascht sah Mia zu Leonard hinüber.

"Meinst du das ehrlich? Ich dachte, wer ein so sportliches Auto fährt wie du, leidet Qualen auf dem Beifahrersitz…"

"Ich bin kein Raser… mir geht es in erster Linie um die Ästhetik…"

"Das sagt mein Freund auch, doch er würde niemals ein Auto kaufen, das weniger PS hat als meins…"

Sie kannte also seine Automarke und hatte einen Freund, und sie schien sich weniger Gedanken zu machen, wieviel sie von sich preisgab. Oder war das ihre Methode, die anderen zum Reden zu bringen? Klug genug war sie, doch war sie auch so abgefeimt? Leonard beschloß, seinem Instinkt zu vertrauen, der ihm sagte, daß Mia keine Bedrohung war.

"Na ja, ein bißchen Dampf unter der Motorhaube kann nicht schaden, wenn man überholen will…"

Mia lächelte amüsiert und wiegte den Kopf.

"Könnte man glatt aufs Berufsleben übertragen…"

Leonard war überrascht, daß sie sich so weit auf die Äste hinauswagte, doch er ließ sich auf das Spiel ein.

"Zum Beispiel, indem man sich viel zu früh zum Termin beim Chef einfindet?"

Wenn Leonard erwartet hatte, daß Mia erschrocken verstummen würde, hatte er sich getäuscht. Sie lachte fröhlich heraus.

"Touché… es hat mich einfach gereizt herauszufinden, ob solche Dinge bei Akerman zählen…"

"Und wie lautet das Fazit?"

"Er hat die Glaswände nicht verdunkelt…"

"So früh am Morgen?"

"Okay, aber er hat es auch früher nie versucht…"

"Das heißt dann wohl, er schätzt dich…"

"Akerman kennt nur zwei Kategorien von Frauen… die heißen Miezen, die für die Verdunkelung in Frage kommen, und die Arbeitsbienen… oder hast du schon mal erlebt, daß er einer von uns bei einem Auftrag die Leitung übergab? Es sind immer die Männer…"

Leonard hatte noch nie ernsthaft darüber nachgedacht, die tägliche Anstrengung, sich optimal darzustellen, hielt ihn zu sehr in Atem.

"Tatsächlich? Was hält dich dann bei A&A?"

Mia fuhr eine Weile schweigend, bevor sie antwortete. In ihrer Stimme schwang Wehmut mit.

"Ich liebe meine Arbeit, und sie wird sehr gut bezahlt… doch sobald ich heirate und Kinder kriege, bin ich sowieso weg vom Fenster…"

Leonard musterte sie verwundert. Mia spürte seinen Blick.

"Das macht dich stutzig? Es ist ein Naturgesetz…"

Sie lächelte wieder.

"Du bist in Ordnung, sonst würde ich nicht so mit dir reden, auch wenn du ein Akerman-Junge bist…"

"Was heißt das?"

"Du bist begabt, aber krankhaft ehrgeizig und kennst nur einen Weg… nach oben…"

Überrascht öffnete Leonard den Mund, um etwas zu erwidern, doch Mia kam ihm zuvor.

"…und du merkst nicht, daß Akerman dich nur benützt und gegen die anderen ausspielt…"

Leonards Miene verdüsterte sich, dennoch fuhr Mia fort.

"Zum Beispiel der Auftrag heute… der ist deiner unwürdig, damit versucht er doch nur, dich kleinzuhalten und dir zu zeigen, wer der Herr im Haus ist…"

Trotzig hob Leonard den Kopf.

"Für ihn bin ich unverzichtbar…"

"Ja, wie der Esel, auf dem der Bauer sitzt und dem er eine Karotte vor die Nase hält: Ein Schritt noch, dann hab' ich die Karotte, dann noch einen und noch einen…"

Leonard sah Mia ungläubig an.

"So siehst du das?"

Mia lächelte.

"So sehen das alle… aber wenigstens hast du Manieren und behandelst die Frauen mit Respekt…"

Leonard sah rasch zu Mia hinüber.

"Fürchtest du nicht, daß ich das alles weitertratsche?"

Mia betätigte den Blinker, die Autobahnausfahrt lag vor ihnen.

"Ein Typ wie du? Eher würdest du Abel einen blasen… danach giert er doch, seit du bei A&A angefangen hast…"

Leonard lachte lautlos und schüttelte den Kopf.

"Gibt es etwas, das dir nicht entgeht?"

Ein Ausdruck der Genugtuung huschte über Mias Gesicht.

"Es kann nicht schaden, über alles Bescheid zu wissen… das ist meine Art, in diesem Haifischbecken zu überleben…"

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